Weniger ist mehr

Es ist April 2020, und ich bin Teilnehmerin an einem Online-Kongress. Die Vortragende erzählt etwas zum Thema Online-Marketing – glaube ich. Sicher bin ich mir nicht. Denn anstatt den Ausführungen zu folgen, bin ich völlig gebannt von ihren Händen, die wild über den Bildschirm fliegen. Woran erinnert mich das bloß? Ich hab's: Es sieht aus, als würde sie gerade hochprofessionell Pizzateig zubereiten. Ihre Hände dominieren ihre gesamte Erscheinung in der Kachel. Ich schweife ab: „When the moon hits your eye like a big pizza pie”, summe ich im Kopf und denke an Dean Martin. Hunger hätte ich jetzt tatsächlich auch. Ja, Pizza wäre genau das Richtige ... Dem Inhalt des Online-Kongresses kann ich bei dieser Pizzabäcker-Show nicht weiter folgen.

Räumliche Erscheinung im Digitalen

Rhetorische Stilmittel erzielen im Online-Kontext eine andere Wirkung. Während Gestik in der klassischen Rhetorik ein wichtiges Instrument ist, um die eigenen Argumentationen zu untermauern und die anwesenden Personen von sich zu überzeugen, wird sie in der Online-Rhetorik zu einem visuellen Störfaktor in der Kommunikation.

Online und offline gilt: Für die Wirkung unserer Worte kommt es weniger darauf an, was wir sagen, sondern vielmehr darauf, wie wir etwas sagen. Für den Gesamteindruck, die Aufmerksamkeit und den Lerneffekt der Beteiligten macht der Inhalt eines Online-Vortrags gerade mal 20 Prozent aus. Weitere 20 Prozent gehen auf die visuelle Darstellung der Inhalte. Die übrigen 60 Prozent macht die sprechende Person selbst aus – mit ihrer Persönlichkeit, Ausstrahlung und ihrer räumlichen Erscheinung. Und online den Raum einzunehmen, ist eine Herausforderung.

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