Zukunft Personal Europe 2025

Mehr KI als Konfetti

Vom 9. bis 11. September 2025 fand in Köln die Messe Zukunft Personal Europe statt, zum 25. Mal seit ihrer Gründung. Doch statt Nostalgie stand bei der Jubiläumsedition der ZP Europe vor allem der Blick nach vorn im Fokus. Schließlich ist Business as usual für die Personalarbeit in den Unternehmen heute unangebrachter denn je. Weil KI das Business umkrempelt, muss auch das HR-Management vieles umkrempeln, überdenken, neu ausrichten. Nicht zuletzt die Förderung von „AI Literacy“ bei den Mitarbeitenden spielt dabei eine wichtige Rolle.

Draußen prasselt der Regen, drinnen regnet es bunten Flitter aus Konfettikanonen. Die Zukunft Personal Europe feiert ihr 25-jähriges Jubiläum. Auf der Keynote Stage schneidet Messechefin Astrid Jäger, umringt von Vertretern jener neun Ausstellerfirmen, die der Messe seit deren Beginn die Treue halten, eine Torte an. Kameras klicken. Hände klatschen, doch viele sind es nicht. Es gibt einige leere Plätze in den Reihen, dem XXL-Regen draußen geschuldet, der manchem an Messetag Nummer eins die reibungslose Anreise zur Veranstaltung vermasselt hat. Für das Orga-Team der Messe kein Drama, es hatte ohnehin entschieden, sich wenig Zeit für nostalgische Rückblicke und selbstzufriedenes Schulterklopfen zu nehmen.

 Astrid Jäger (Mitte) schneidet bei der Eröffnung der Messe im Konfetti-Regen die ZPE-Jubiläumstorte an. Foto: Closer Still Media Germany GmbH

Zur Feier des Anlasses gab es auf der Messe eine (mäßig besuchte) „ZP Experience Area“. Im lichten Flur zwischen den drei Messehallen luden Pappaufsteller zu einer gedanklichen Zeitreise durch die Entwicklung der Arbeitswelt ein. In einer „Timecapsule“ konnten Besucherinnen und Besucher ihre Gedanken und Ideen zur Zukunft von HR hinterlassen (die Kapsel soll bei der ZPE in fünf Jahren geöffnet werden). Es gab das Programm „25 under 25“, bei dem 25 Young Professionals durch die Veranstaltung begleitet wurden. Und es gab eine – etwas mäandernde – Podiumsrunde zu „25 Jahren Meilensteinen, Trends und Visionen“ im HR-Management.

Hauptthema: KI

Das war es dann aber auch schon mit den Reverenzen ans silberne Jubiläum. Die Zukunft Personal wollte explizit nach vorn schauen und unterstrich das mit dem Motto „Time for new beginnings“. Der Tenor: Business as usual kommt für HR und die Weiterbildungsbranche nicht mehr infrage. Das lässt vor allem ein Faktor nicht mehr zu, der bei der ZP Europe 2025 einmal mehr im Mittelpunkt des Interesses stand: die Künstliche Intelligenz. Während man jedoch in den vergangenen beiden Jahren staunend, aber schon ahnend, welche Veränderungen auf einen zurollen, über die Potenziale von ChatGPT und Co., etwa in der Bürokommunikation, gesprochen hatte, präsentierten viele Anbieter auf der Messe nun die Früchte ihrer Arbeit der vergangenen Monate: KI-basierte oder um KI ergänzte Produkte und Dienste, sei es im Bereich der administrativen HR, des Bewerber- und Talentmanagements oder der Weiterbildung – wo KI zum Beispiel Kompetenzen analysieren, Lernverhalten messen, adaptiv Trainings vorschlagen, Trainings designen und Lernende individuell begleiten kann.

Bei den Präsentationen entsprechender Anbieter herrschte meist großer Andrang. Etwa beim Vortrag von Markus Herkersdorf, CEO der Firma TriCAT, der anhand existierender Anwendungsbeispiele die Potenziale sogenannter KI-Avatar-Agenten erläuterte. Solche Avatare können Menschen im virtuellen Raum beispielsweise darin trainieren, schwierige Verhandlungen zu führen – einschließlich Vorgespräch, Gesprächssimulation und anschließendem Feedbackgespräch. Sie können Fachleuten bei der Reparatur von Maschinen beratend zur Seite stehen oder einem User auf Basis seiner Wünsche in Hochgeschwindigkeit eine Online-Messe designen.

Von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise war auf der Messe insofern wenig zu spüren. Insgesamt 669 Aussteller präsentierten ihr Angebot; Federn lassen musste der Veranstalter CloserStill Media Germany lediglich insofern, als der Startup-Bereich gegenüber dem Vorjahr um 20 Stände geschrumpft war. Und die Fülle des Angebots traf auf ein – gemessen an den Publikumszahlen – riesiges Interesse: Fast 26.000 Besucherinnen und Besucher schoben sich durch die Hallen, mit der Qual der Wahl zwischen 704 Sessions auf 25 Bühnen und anderen dialogischen Flächen.

Paradoxer Arbeitsmarkt: gleichzeitig Arbeitlosigkeit und Fachkräftemangel

Vor allem auf der Keynote Stage war die Botschaft an die herbeigeströmten HR-Profis eindeutig: Als Instanz für Personalplanung, Recruiting und Personalentwicklung können sie maßgeblich beeinflussen, ob ihr Unternehmen die KI-Transformation erfolgreich bewältigen wird oder nicht. Eine Transformation, die freilich in sehr vielen deutschen Firmen noch ganz am Anfang steht. Das wird auch an einem Paradoxon sichtbar, mit dem das HR-Management derzeit umgehen muss, erklärte Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter beim IAB, in einer Podiumsdebatte: Der Arbeitsmarkt ist gleichzeitig durch Arbeitslosigkeit wie auch Fachkräftemangel geprägt. Doch anders als man vielleicht meinen könnte, sei die aktuelle Arbeitslosigkeit „nicht durch zu viel KI, sondern eher durch zu wenig KI verursacht“, so Weber. Alte Geschäftsfelder brechen gerade weg, neue, innovative Felder (die auch neue Stellen schaffen könnten) entstehen nicht schnell genug. Weber sprach von einer „Erneuerungskrise“, für die es viele Ursachen gibt, aber auch eine, bei der sich neben der Politik auch HR an die Nase fassen muss. Es gebe zu wenig „Bewegung am Arbeitsmarkt“, rügte Weber. Sprich: Da ist noch viel Luft nach oben, wenn es darum geht, Mitarbeitende in neue, aufstrebende Bereiche weiterzuentwickeln.

Man hörte es auf der Messe immer wieder: Upskilling, Reskilling, Weiterentwicklung – gerne unter KI-Einsatz – sind wesentliche Bausteine, wenn es darum geht, Unternehmen in die KI-Zukunft zu führen. Und um Menschen in einer Arbeitswelt, in der KI eine immer größere Rolle spielt wird, employable zu halten, ihnen Sicherheit zu geben. Denn schon in den kommenden viereinhalb bis fünf Jahren wird auf den internationalen Arbeitsmärkten kein Stein auf dem anderen bleiben. In seiner Keynote über „HR im Spannungsfeld wachsender Herausforderungen“ präsentierte Frank Hensgens, Geschäftsführer bei der Indeed Deutschland GmbH, dazu Daten des World Economic Forum. Demnach soll KI bis 2030 90 Millionen Jobs kosten, aber auch 170 Millionen neue Jobs schaffen. Vor allem aber werden, so Hensgens, „alle, die dazwischen liegen“, anders als heute aussehen: „Es wird keinen Job geben, der nicht von KI in irgendeiner Art und Weise beeinflusst wird.“ Vor allem ein Schlagwort machte auf der ZPE denn auch die Runde und war in aller Munde: „AI-Literacy“. Mitarbeitende müssen KI verstehen, müssen sie kritisch einordnen und informiert nutzen können.

Julia Bangerth (mit Mikro) berichtet über die KI-Weiterbildungsstrategie von Datev, rechts neben ihr Enzo Weber. Foto: Closer Still Media Germany GmbH

Als eines der Unternehmen, die diese Herausforderung ernst nehmen, präsentierte sich die Softwarefirma Datev. Deren stellvertretende Vorstandschefin, COO und CHRO Julia Bangerth – seit kurzem auch Vorstandsvorsitzende der DGFP – saß mit Weber in einer der Plenumsrunden und skizzierte die aktuelle Weiterbildungsstrategie ihres Unternehmens. Um Hemmungen der Mitarbeitenden gegenüber KI spielerisch zu senken, veranstaltete Datev Promptathons. So sollten, binnen vier, fünf Monaten zumindest schon einmal alle Mitarbeitenden mit KI in Berührung gebracht werden, erläuterte Bangerth. Das Unternehmen ging noch einen Schritt weiter: Es analysierte, welche KI-Kompetenzen für welche Rollen benötigt werden und entwickelte auf dieser Basis ein rollenbasiertes KI-Kompetenzmodell, mit entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen. Ein Vorgehen, das Bangerth zufolge bereits Früchte trägt: Im Servicebereich des Unternehmens, wo zunehmend mit Chatbots gearbeitet werde, seien die Mitarbeitenden heute „eher Content-Kreatoren für die KI, als dass sie selbst zum Telefonhörer greifen“. Die Haltung dahinter, so Bangerth: „Wenn wir von den Mitarbeitenden erwarten, dass sie ihren eigenen Job abschaffen, dann müssen wir ihnen auch gute Alternativen bieten.“

Dass bislang noch nicht alle Unternehmen so weit denken, ließ ein aktueller Arbeitsmarktbefund erahnen, über den Indeed-Geschäftsführer Hensgens in seiner Keynote sprach: Künstliche Intelligenz mag Wissensarbeitenden noch lange nicht im großen Stil die Jobs rauben, und wird es vielleicht auch nicht, doch in einem Bereich seien Einbrüche bereits sichtbar: Stellenangebote für Young Professionals haben jüngst einen merklichen Knick erfahren, weil immer mehr Analyse- und Recherchetätigkeiten, für die bisher Berufsstarter eingesetzt wurden, von KI übernommen werden. Offensichtlich haben sich viele Unternehmen noch keine Gedanken darüber gemacht, wie die Potenziale der jungen Menschen alternativ sinnvoll genutzt werden könnten.

KI und Human Resources zusammen denken

Davon, in der Personalpolitik beides zusammenzudenken – KI und Human Resources – und beides auf einander ergänzende Art sinnvoll einzusetzen, scheint HR demnach noch ein gutes Stück entfernt zu sein. Beziehungsweise davon, „Human und Digital Resources Manager“ gleichzeitig zu sein, wie es Daniela Porr, Managerin bei der Firma Workday, in einer Plenumsrunde über das Zusammenspiel von IT und KI im HR-Bereich ausdrückte. „HR muss nicht mehr nur Menschen, sondern Menschen und KI-Agenten managen: Welche Skills haben sie? Wie lernen sie? Auf welche Daten greifen sie zu? Was dürfen sie sehen und was nicht?“, beschrieb Porr die neuen Anforderungen.

Was das in der Konsequenz bedeutet, brachte Reza Moussavian, Chief People Officer bei der IU Group, in einer Gesprächsrunde darüber, „wie Skills, KI und Agilität HR transformieren“ auf den Punkt: „Es braucht mehr Leute mit digitalem Verständnis in HR“. HR muss KI nutzen, um effizienter zu werden, um sich von Administrationsaufgaben befreien und strategischeren Aufgaben zuwenden zu können: „Wir müssen in den Blick nehmen, welche Strategie das Unternehmen fährt, wie man diese Strategie in der Workfoce abbilden kann, welche Skills dafür gebraucht werden“, so Moussavian.

Das Problem dabei: Bislang nutzen nur 10 Prozent der Betriebe KI im Personalmanagement – während einer McKinsey-Studie zufolge 60 bis 70 Prozent der HR-Tätigkeiten automatisiert werden könnten. Indeed-Manager Hensgens, der diese Zahlen in seiner Keynote präsentierte, hatte allerdings auch eine bemerkenswerte Entwicklung zu vermelden: Neuerdings werde in Stellenanzeigen vermehrt nach HR'lern mit KI-Kompetenzen gesucht.

Wohl aus gutem Grund; zumindest hörte man es auf den ZPE-Bühnen immer wieder: Sehr viele KI-Projekte von Unternehmen scheitern, beziehungsweise überleben ihre Pilotphase nicht. Weil vielen offenbar nicht bewusst ist, wie voraussetzungsreich diese Projekte sind: Es braucht dafür zum Beispiel saubere Daten und passende Schnittstellen, über die KI auf Daten und Tools zugreifen kann. Was es dagegen nicht braucht, sind digitale Zwillinge jedes bestehenden Prozesses. Der Ökonom und Datenexperte Daniel Mühlbauer – alias Data Dan – empfahl dem Publikum stattdessen in seiner Keynote ein „AI Readiness Assessment“: „Ihr müsst auf der Basis einer sehr guten Kompetenz darüber reden, wie ihr KI sinnvoll in Prozessen nutzen könnt. Und welche Prozesse vielleicht eingestellt, völlig umgestellt oder anders gebaut werden müssen, damit KI überhaupt Nutzen bringen kann.

 Daniel Mühlbauer – alias Data Dan – rät zu Skateboard-Use-Cases beim Experimentieren mit KI: Bei denen bekommt man meist nur eine Schramme am Knie. Foto: Closer Still Media Germany GmbH

Mühlbauer – optisch Typus knuffiger Tech-Nerd – ging es in seiner Keynote über das aktuelle Trend-Thema „KI-Agenten“ vor allem darum, sein Publikum auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Auch auf der Messe konnte man den Eindruck bekommen, dass agentische KI-Systeme bereits Teil vieler Angebote und ein Must-have für die Personalarbeit sind. Doch das meiste von dem, was derzeit als agentisches KI-System vermarktet werde, sei überhaupt kein KI-Agent im eigentlichen Sinne. „Echte KI-Agenten nutzen eigenständig verschiedene Tools, greifen auf Daten zu, koordinieren Prozesse und treffen autonome Entscheidungen“, erklärte Mühlbauer. Vieles, was derzeit als KI-Agent angepriesen werde, erfülle diese Kriterien jedoch nicht. In Wirklichkeit steckten meist nur Automatisierungen mit KI-Unterstützung hinter den Angeboten. Wäre es anders, hätte man als Unternehmen auch ein juristisches Problem, so Mühlbauer. „Denn einen KI-Agenten kann man juristisch nicht für seine Entscheidungen verantwortlich machen“.

Skateboard-Use-Cases beim Eperimentieren mit KI

Von zu großer Vorsicht im Umgang mit KI riet Mühlbauer den im Publikum vertretenen Personalern allerdings auch ab – und riet stattdessen zum mutigen Experimentieren. Jedoch besser anhand von „Skateboard-“ statt „Flugzeug-Use-Cases“. Flugzeug-Use Cases seien solche, wo es, wenn es schiefläuft, „auch wirklich richtig schiefläuft“. Skateboard-Use-Case heiße dagegen: Wenn du hinfällst, hast du eine Schramme am Knie. Aber du kannst morgen wieder Skateboard fahren. „Macht euch Gedanken um die Skateboard-Use Cases – und wie ihr unter diesen die wertvollsten voranbringen könnt“, so Mühlbauers Appell.

 

 


Der Beitrag wurde geschrieben von

Sylvia Jumpertz
Sylvia Jumpertz, langjährige Redakteurin im Verlag managerSeminare, Bonn.
18.09.2025
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