Angelika Dammann

„Das Wort Quote ist emotional negativ besetzt“

Unter dem Motto „Vielfalt. Verstehen. Vertrauen“ nahmen die Petersberger Trainertage 2012 das Thema unserer Zeit in den Fokus: Diversity. Aus Personalersicht wurde das Thema von Dr. Angelika Dammann beleuchtet. Im Interview erklärt die Ex-SAP-Personalfrontfrau, warum Diversity wichtig ist und in der Umsetzung ein nüchtern zu betrachtendes Geschäftsziel sein muss. Frau Dammann, ist Diversity die neue Sau, die durchs HR-Dorf getrieben wird?

Angelika Dammann: Auf gar keinen Fall. Diversity ist ein wichtiges Business-Thema, das die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen dadurch sicherstellt, dass es auf die Zukunftsfähigkeit der Mitarbeiter hinarbeitet. Deutschlands Zukunft als exportorientierte wirtschaftsstarke Nation ist entscheidend von seinem Innovationspotenzial abhängig. Und hier kommt die Vielfalt ins Spiel. Die Vielfalt unterschiedlicher Menschen und Meinungen führt zu einer Vielfalt an Ideen, die Ideenvielfalt führt zu Innovationen und diese wiederum führen zu wirtschaftlichem Erfolg. Selbstverständlich nimmt in diesem Zusammenhang die Investition in unsere Mitarbeiter und ihre Zukunftsfähigkeit eine bedeutende Rolle ein. Nur wenn unsere Mitarbeiter jederzeit intern und extern wettbewerbsfähig sind, sind es auch die Unternehmen. Dazu bedarf es viel stärkerer Anstrengungen als früher, denn angesichts der Fülle der uns zur Verfügung stehenden Informationen verringert sich die Halbwertzeit des Wissens unserer Mitarbeiter ständig, muss daher immer wieder aktualisiert werden.

Wie definieren Sie Diversity?

Dammann: Bei Diversity geht es für mich um die Wertschätzung der Einzigartigkeit jedes Menschen, seiner Talente, Erfahrungen, Ansichten und Ideen zum Wohle aller. Es geht darum, mit einer vielfältigen Belegschaft die internen Zielsetzungen des Unternehmens zu erreichen und gleichzeitig die externen Erwartungshaltungen, die Bewerber aber auch Anteilseigner an das Unternehmen haben, zu realisieren. Wenn jeder Mitarbeiter seine Individualität bestmöglich einbringen kann, steigen Motivation und Unternehmensergebnis. Vielfalt ist also gut für alle.



Was ist Ihrer Ansicht nach falsch an der derzeitigen Rekrutierungspraxis und der Personalentwicklung?

Dammann: Viele Unternehmen haben den Handlungsbedarf noch gar nicht erkannt. Denn durch die fortschreitende Globalisierung und durch die demografischen Entwicklungen sehen wir zwar, dass Fachkräfte fehlen, wir haben uns aber noch nicht richtig mit den notwendigen Konzepten auseinandergesetzt, um zu sagen: Das sind die konkreten Schritte, die wir gehen müssen, um mehr Fachkräfte zu bekommen und andere Zielgruppen erfolgreich anzusprechen. Dabei spielt die Personalentwicklungsabteilung eine ganz große Rolle, sei es, um Frauen zielorientiert zu unterstützen, sei es, um ältere Mitarbeiter verstärkt weiter zu qualifizieren, damit sie bis ins hohe Alter fit sind und helfen, unsere Zukunftsfähigkeit zu erhalten.

Sie haben es schon gesagt: Eigentlich hat Diversity nur Vorteile. Warum tun sich Unternehmen dennoch so schwer damit, Diversity umzusetzen?

Dammann: Ich glaube, ganz viel wird in der Diskussion missverstanden, z.B. das Quotenthema. Das Wort „Quote“ ist ein emotional sehr negativ besetztes Wort. Für mich ist es daher wichtig, mit Zahlen, Daten und Fakten zu arbeiten, und die heißen: fortschreitende Globalisierung, Demografiefalle für Deutschland, unbesetzte Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Das kostet Wachstum und gefährdet die Zukunftsfähigkeit vieler Unternehmen. Wir tun nicht genug, um die Fachkräfte, die wir brauchen, zu rekrutieren und auch zu halten. Wenn wir uns nüchtern die Zahlen, Daten, Fakten anschauen, dann wird jeder sagen, natürlich ist Diversity wichtig, natürlich brauchen wir die Frauen, denn die sind gut fürs Geschäft. Und was gut fürs Geschäft ist, das müssen wir umsetzen. Und dennoch funktioniert es nicht, weil die Diskussion eben nicht rational geführt wird.

Sie waren bei SAP Personalvorstand, einem Unternehmen, das nicht gerade für seine vielfältige Belegschaft bekannt ist. Was waren dort die größten Herausforderungen beim Thema Diversity?

Dammann: Das Frauenthema ist auch für SAP ein sehr wichtiges Thema, wie übrigens für alle Unternehmen in Europa. Besonders natürlich für die technikgetriebenen Unternehmen. Sie stehen vor der Herausforderung, die sich schon an den Schulen und Universitäten zeigt: Für die sogenannten MINT-Fächer interessieren sich einfach viel zu wenig Frauen, und selbst bei den jungen Männern geht das Interesse an technisch orientierten Fächern in Deutschland weiter zurück. Unternehmen müssen daher andere Maßnahmen ergreifen als bisher. Und diese Maßnahmen heißen nicht nur Frauenförderung, die liegen auch in der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und in der Abschaffung der Präsenzkultur. Letztlich kommt es darauf an, dass wir ergebnisorientiert arbeiten. Und in diesem Punkt haben viele Unternehmen noch eine ganz große Durststrecke zu überwinden.

Sie haben ja quasi die Seiten gewechselt: vom Personalvorstand zur Managementberaterin. Wie hat sich Ihre Sicht auf das Thema Diversity verändert?

Dammann: Die Sicht hat sich nicht geändert. Ich war schon immer der Überzeugung, dass Diversity eines der großen Erfolgsthemen für die Unternehmen ist, denn jeder, der global erfolgreich sein möchte, der muss mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen erfolgreich arbeiten können. Da spielt Diversity eine ganz große Rolle. Und ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, auf Veranstaltungen wie den Petersberger Trainertagen, aber auch im Rahmen meiner beratenden Tätigkeit, Unternehmen teilhaben zu lassen an meiner Erfahrung, und Frauen entsprechend zu unterstützen, zu coachen. Als international bekannte Diversity-Spezialistin ist das für mich eine Herzensangelegenheit.

Wie fanden Sie die Petersberger Trainertage?

Dammann: Ganz ausgezeichnet! Mir hat sehr gut die musikalische Einstimmung gefallen – die Analogie zum Orchester. Experten, von denen jeder sein einzelnes Instrument beherrscht, dann auch in der Vollkommenheit zu einem harmonierenden Ganzen zu bringen – das ist genau das, was ich mir von vielen Führungskräften wünsche. Dass sie auch die Begeisterung spüren, die man erzeugen kann, wenn man das Wichtigste in den Menschen weckt, nämlich ihre Talente, ihre Fähigkeiten, und diese dann richtig einzusetzen weiß.

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Dr. Angelika Dammann ist internationale Managementberaterin und Executive Coach. Als Gastdozentin lehrt sie in einem von der University of Cambridge geleiteten Studienprogramm. Zuvor war sie weltweite Personalchefin im Vorstand des Softwarekonzerns SAP. Von 2007 bis 2010 verantwortete sie für den Konsumgüterkonzern Unilever das Personalwesen für die Region Deutschland, Österreich und Schweiz. Für den Mineralölkonzern Shell arbeitete die Volljuristin 17 Jahre in unterschiedlichen Managementpositionen. Dammann studierte Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg und ist zugelassene Rechtsanwältin. Während ihrer Tätigkeit bei der Deutschen Shell AG promovierte sie an der Universität Hamburg. Angelika Dammann ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Kontakt: dammannangelika-coaching2008@yahoo.de

30.04.2012
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