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Zwischen Information und Improvisation:Theater im Dienst der Wirtschaft

'Liebe Skill, ich bin zu alt, ich kann nicht mehr...' Die Bühne ist dunkel, in sich zusammengesunken bringt Portfolio als personifiziertes Produktspektrum seine Verzweiflung aufs Papier. Adressat: seine Vertraute Skill, die Fachkompetenz. Sein Schreckgespenst: Market, die unerbittlich Flexibilität und Anpassung fordert.
So beginnt das Theaterstück 'Count Down 89/98', realisiert von der Unternehmenstheatergruppe Transico, Bayreuth, vorgestellt auf dem zweiten Theaterforum vom 11. bis 12. September 1998 in Hof. Eingebettet in die Struktur einer Tragödie bringen die Schauspieler die Entwicklung des Systemhauses Softlab, einer BMW-Tochter, auf die Bühne. Es geht um die Notwendigkeit des Wandels, die Veränderung der Marktgegebenheiten, die Zukunftsvision... Was auf den ersten Blick wie ein moderner Baustein der Organisationsentwicklung aussieht, blieb jedoch bei der Originalaufführung auf der Ebene eines kostspieligen und weitgehend isolierten Gedankenanstoßes stecken. Begleitende oder nachbereitende Workshops gab es bei Softlab nicht.
Szenenwechsel: Breit grinsend blickt der Kunde in die Zuschauermenge. Er wird buchstäblich auf Händen getragen. Telefonannahme, Innen- und Außendienst wiegen den zufriedenen Mann sanft zur Musik hin- und her... Auch nach dieser Schlußszene verabschiedete der Auftraggeber, die WM-Holding, Bocholt, die Kölner Theatermannschaft von Mobilé. Immerhin: Ein Verkaufs-trainer versuchte, die visionären Bilder in den Arbeitsalltag der WM-Mitarbeiter zu übersetzen.

Unternehmenstheater nur als Event?

Somit sind beide Aufführungen beispielhaft für den Stand des Unternehmenstheaters in Deutschland: als Event-, Auftakt- oder Infoveranstaltung bei einzelnen Firmen bereits eingesetzt, als Element der Personalentwicklung noch am Anfang. Dabei interessieren gerade die Fragen nach dem sinnvollen Einsatz des Theaterspiels zur Förderung von Veränderungsbereitschaft und Teamentwicklung die anwesenden Unternehmensvertreter. Zugegeben - ihre Zahl ist gering. Lediglich 50 der insgesamt 240 Teilnehmer kommen von Unternehmensseite. 'Unglücklich' ist nicht nur Veranstalter Transico über die Zusammensetzung. So manch ein Personalleiter kommt sich anfangs deplaziert vor zwischen all den Schauspielern und zahlreichen Medienvertretern. Daß Berührungsängste nicht lange vorhalten, liegt nicht zuletzt an der spielerischen Atmosphäre: Sogar Hausmeister- und Bühnenarbeiten werden zum Ereignis. Schauspieler mit Masken halten umständlich Türen auf, behindern sich gegenseitig beim Kulissenschieben und scheuchen ohne ein Wort verspätete Gäste zurück auf ihre Plätze.

Theaterspiel zur Teamentwicklung

Vom Zuschauer zum Mitspieler werden die Teilnehmer in den Workshops: Mit Phantasiereisen, Ensembletechnik, Stegreif- und Improvisationsmethoden erleben sie den Einsatz von Theaterelementen im Training. So z.B. bei Peter Flume und der Schauspielgruppe Vitamin-T: Eine pantomimische Improvisation zeigt, wie sich Mitarbeiter produktiv und unterstützend in ein Team einbringen können. Ebenfalls um Teamentwicklung geht es im Workshop der 3P-Beratungsgruppe, Nürnberg. Auch wenn es zur Bühnenreife nicht reicht - die Entstehung der Neuinterpretation von 'Romeo und Julia' macht die Parallele von Management und Theaterarbeit sichtbar.
Mitarbeiter- oder Improvisationstheater also als Verbindungselement zwischen Bühnenspiel und Verhaltensänderung? Wilfried Passow vom Institut für Theaterwissenschaft an der Universität München läßt es bei einem inszenierten Gespräch auf der Bühne anklingen: 'Wesentliche Funktion des Unternehmenstheaters ist das Unfreezing. Die Botschaft verweilt jedoch im Kabarettistischen.' Lösungen könnten dann mittels Improvisationen von den Mitarbeitern erarbeitet werden. Während Passow mit seiner Erklärung die unterschiedlichen Ausprägungen des bedarfsorientierten Theaters zusammenbringt, öffnet sich wieder einmal der Graben zwischen Schöngeistern und Pragmatikern: Kulturberaterin Karin Wolf steht dem Theater im Dienst der Wirtschaft skeptisch gegenüber und empfindet einige Darbietungen gar als 'Kabarett auf Schülerniveau'. Davon unbeeindruckt zeigt sich Rainer Neubauer von Andersen Consulting. 'Hauptsache, es wirkt', gibt sich der Sponsor des Forums betriebswirtschaftlich nüchtern.
Autor(en): (nbu)
Quelle: Training aktuell 10/98, Oktober 1998
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