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TÜV-Zertifizierung: Verkaufshilfe für Trainingsanbieter?

Den Seminarteilnehmern zum Abschluss eine TÜV-Zertifizierung anbieten – das wollen immer mehr Trainer. Doch was steckt hinter dem TÜV-Signet? Was kostet es und was bringt es? Und lockt es tatsächlich Kunden? Training aktuell hat nachgefragt.

Eine Auszeichnung im Aufwind: 'Wir erleben in diesem Jahr eine enorm wachsende Nachfrage nach einer TÜV-Zertifizierung', berichtet Michael Schmidt, Leiter Marketing von TÜV Rheinland. 20.000 Personenzertifizierungen wird das Unternehmen im Jahr 2010 ausgeben, so die interne Schätzung zur Jahresmitte. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 waren es nur 15.000. Eine Erklärung für die große Nachfrage liefert Ausbilder Axel Rachow: 'Der Name TÜV ist Teil des deutschen Wortschatzes, die meisten Menschen verbinden ihn automatisch mit Qualitätsmanagement.' Den Teilnehmern der Fachtrainerausbildung, die Rachow 2009 mit seinen Kooperationspartnern aus der Taufe gehoben hat, bot er zum Ausbildungsabschluss fakultativ eine TÜV-Zertifizierung an: Sechs von 15 Teilnehmern entschieden sich – trotz zusätzlicher Kosten – dafür. Für Rachow ist diese Quote ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Zertifizierung als Zusatznutzen wahrgenommen wird: 'Die Teilnehmer haben die Möglichkeit genutzt, ihre neu gewonnene Kompetenz nach außen darzustellen.' Während sich dem Laien bei anderen Qualitätsmanagement-Programmen der Weiterbildungsbranche oft nicht erschließt, wer wen vor welchem Hintergrund geprüft hat, scheint die Sache beim TÜV einfacher: 'Jeder, der ein Auto hat, kennt das System einer unabhängigen Prüfstelle, die nach festgelegten Kriterien kontrolliert', so Rachow.

'Den TÜV' gibt es nicht

Das TÜV-Siegel als eindeutige Alternative zum Qualitätsmanagement-Wirrwarr, das die Weiterbildungsbranche immer noch beherrscht? So einfach ist das nicht. Im Gegenteil: Schon von 'dem TÜV' kann bei der Zertifizierung nicht gesprochen werden. Auf dem Markt operieren drei voneinander unabhängige Unternehmen, die wirtschaftlich konkurrieren: TÜV Nord, TÜV Süd und TÜV Rheinland. Die drei Organisationen zertifizieren nach zwei Systemen: Zum einen prüfen sie auf der Grundlage von Normen wie etwa EU, ISO oder DIN – also aufgrund von einheitlichen Vorgaben. Zum anderen verteilen sie sogenannte Hauszertifikate, bei denen sie mit jedem Kunden individuell die Qualitätskriterien festlegen. In der Weiterbildungsbranche sind die Hauszertifikate am weitesten verbreitet, erklärt Schmidt vom TÜV Rheinland. Der Grund: 'Für die meisten Lehrgänge gibt es kein allgemein gültiges, inhaltliches Referenzsystem, gegen das man prüfen könnte.'

Geprüft werden Produkte, Systeme und Personen

Nicht nur drei Unternehmen vergeben das TÜV-Siegel, sie vergeben es auch noch in drei Kategorien: Produkte, Systeme (wie etwa Qualitätsmanagement-Systeme) und Personen. Eine Ausnahme bilden Dienstleistungen, die ebenfalls überprüft werden können. Im Falle von Lehrgängen ist das allerdings ein undankbares Geschäft, meint Michael Schmidt vom TÜV Rheinland: 'Die Qualität kann von Kurs zu Kurs enorm schwanken, etwa wenn der Dozent wechselt.' Nur drei Mal hat der TÜV Rheinland bislang einen Lehrgang qualifiziert; seine Domäne sieht er in der Personenzertifizierung. Mit Blick auf die eingangs genannte Zahl von 20.000 Zertifikaten, die der TÜV Rheinland in diesem Bereich 2010 vergeben will, spricht Schmidt vom TÜV Rheinland als der 'größten Personenzertifizierungsstelle Deutschlands'.

Bei Personenzertifizierungen, denen ein Hauszertifikat zugrunde liegt, ist das Vorgehen in jedem TÜV-Unternehmen anders. Jedem Weiterbildungsanbieter steht es frei, die Konditionen der drei Anbieter zu vergleichen und sich – unabhängig vom eigenen Standort – für ein Unternehmen zu entscheiden. Axel Rachow hat den TÜV Rheinland gewählt – auch weil der als einziger die so genannte TUVdotCOM-ID anbietet. Die zehnstellige Nummer wird seit 2006 auf jeder Personenzertifizierung angebracht und soll die Transparenz erhöhen: Jeder Kennnummer auf einem Zertifikat ist auf der TÜV-Rheinland-Internetseite ein Kurs zugeordnet. Damit sollen Dritte jederzeit nachvollziehen können, welche Kompetenzen dem Zertifikatsträger bescheinigt werden. Der TÜV Rheinland verdient sein Geld mit Zertifizierungen – wahllos gutheißen will er trotzdem nicht: 'Jede Qualifizierung, die sich bei uns um eine Zertifizierung bemüht, muss in puncto Angemessenheit und Relevanz überzeugen', erklärt Schmidt. Etwa 20 Prozent der Anfragen lehnt die Prüfstelle nach seinen Angaben ab.

Das Prüfungsdesign ist variabel

Wenn die erste Hürde genommen ist, und ein Qualifizierungsangebot für zertifizierungswürdig befunden ist, setzen sich Weiterbildner und TÜV Rheinland zusammen und halten in einem normativen Dokument fest, welche Zielqualifikation die Lehrgangsteilnehmer auf welchem Weg erreichen sollen und welche Rahmendaten den Lehrgang auszeichnen. Die zweite Frage: Wie kann das Gremium aus unabhängigen Trainern und TÜV-Vertretern die erworbenen Kompetenzen überprüfen? 'Aus der Beantwortung dieser Frage ergibt sich das Prüfungsdesign', erklärt Schmidt. In Lehrgängen, in denen etwa nur Fachwissen vermittelt werde, reiche eventuell ein Multiple-Choice-Test, manchmal scheine eine mündliche Prüfung sinnvoll, manchmal die Lösung einer Fallstudie oder eine Kombination aus verschiedenen Prüfungsteilen. Auch nach dem Aufwand des Abschlusstests richtet sich der Preis, den das Personenzertifikat hat: zwischen 150 und 1.500 Euro muss jeder Prüfling bezahlen.

Alles Verhandlungssache

Genauso groß wie diese Spanne sind die anderen Vertragsvarianten, die Trainingsanbieter und TÜV-Rheinland aushandeln können: Wie viele Prüflinge schickt der Weiterbildner pro Jahr? Wie lange läuft der Vertrag zwischen Zertifizierer und Trainingsanbieter? Ist eine Rezertifizierung nötig und wenn ja, nach wie langer Zeit? All das ist Verhandlungssache: 'Wir wollen keinen Druck aufbauen, sondern die Lösung für beide Partner finden, die am besten passt', meint Marketing-Leiter Schmidt.

Die Arbeit an gemeinsamen Standards ist mühsam, aber hilfreich, meint Axel Rachow. Die Ausbildung, die die Institute Andyamo, Homiaté und Dart Consulting gemeinsam anbieten, nennen sie 'Fachtrainer/in mit TÜVRheinland-geprüfter Qualifikation'. Das verspricht dem Kunden Qualität und vermittelt ein Alleinstellungsmerkmal – und ist deshalb auch ein erfolgreiches Marketinginstrument, ist Rachow überzeugt: 'Auch wenn am Ende nicht alle Teilnehmer die TÜV-Prüfung ablegen, so stellt die Kooperation doch die Qualität des Lehrgangs heraus und ist für viele Kunden ein Buchungsargument', hat der Kölner erfahren.

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Das TÜV-Siegel

>> TÜV Nord, Süd und Rheinland sind drei voneinander unabhängige Unternehmen. Weiterbildungsanbieter können – unabhängig vom Standort – entscheiden, mit welchem Unternehmen sie kooperieren wollen.

>> Die Personenzertifizierung prüft die Kompetenzen, über die ein Seminarteilnehmer nach dem Lehrgang verfügt und bestätigt diese mit einem Zertifikat des ausgebenden TÜV-Unternehmens.

>> Prüfungsinhalte und -design legen im Falle der sogenannten Hauszertifikate Weiterbildungsanbieter und Zertifizierer gemeinsam fest. Die Kosten variieren je nach TÜV-Unternehmen und Prüfungsaufwand. Beim TÜV Rheinland fallen etwa pro Prüfling zwischen 150 und 1.500 Euro an. Die Anzahl der jährlichen Prüfungen und die Vertragslaufzeit zwischen TÜV und Trainingsanbieter sind Verhandlungssache. 

>> Das Signet verfügt über eine zehnstellige ID-Nummer. Im Internet hält TÜV Rheinland vor, welche Inhalte der zugrunde liegende Kurs vermittelt hat und über welche Kompetenzen die zertifizierte Person verfügt. Ob eine Zertifizierung befristet ist, hängt von der Halbwertszeit des vermittelten Wissens ab, und wird von Trainingsunternehmen und TÜV Rheinland gemeinsam festgelegt.

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Autor(en): (Corinna Moser)
Quelle: Training aktuell 09/10, September 2010
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