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Rezension: Driven

Der Mensch lebt nicht fürs Geld allein. Der Homo oeconomicus, der sich bar aller Gefühlsregung, rein vernunftgesteuert, ausschließlich der Maximierung seines Besitzstandes widmet, ist eine Fiktion - von der Wirtschaftswissenschaft geschaffen und bis heute gestützt. Um so kühner ist der Wurf zweier Ökonomen der Harvard Business School: Mit ihrem Buch 'Driven' wagen sich Paul R. Lawrence und Nitin Nohria aus dem Elfenbeinturm ihrer Disziplin heraus und führen zusammen, was aus ihrer Sicht längst zusammen gehört - und zwar anerkannte Erkenntnisse aus Biologie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Nur wenn man die einzelnen Stränge miteinander verwebt, so meinen die Autoren, entsteht ein Bild, das der wahren Natur des Menschen - und damit den Antriebskräften, die in Organisationen wirken - nahe kommt.
Anhand natur- und sozialwissenschaftlicher Daten belegen Lawrence und Nohria, dass dem Menschen vier Triebe zu eigen sind, die ihn seit Urzeiten in seinem Verhalten beeinflussen: der Trieb, sich etwas anzueignen, der Trieb, Bindungen zu anderen einzugehen, der Trieb, zu lernen und seine Neugierde zu stillen, und der Trieb, sich zu verteidigen bzw., das, was man hat, zu bewahren. Organisationen, die ignorieren, dass ihre Mitarbeiter diese vier Antriebskräfte von Natur aus mitbringen und erst dann wirklich produktiv sind, wenn sie sie ausleben können, schaufeln sich nach Ansicht von Lawrence und Nohria, langfristig ihr eigenes Grab.
Als klassisches Beispiel führen sie die Geschichte von General Motors ins Feld: Der Konzern schaffte es in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, riesige Marktanteile zu erobern. Doch genau das, was seine Effizienz immens steigerte - die völlige Konzentration auf den Erwerbstrieb - wurde dem Unternehmen schließlich zum Verhängnis: So rief die Fließbandarbeit, die den Autoren zufolge dem Lerntrieb der Arbeiter Hohn spricht, Aggressionen und kontraproduktive Verhaltensweisen hervor. Dass GM seine Autos nach dem Motto 'Nimm‘s oder lass‘ es bleiben' vermarktete, veranlasste zudem keinen Kunden dazu, sich an das Unternehmen gebunden zu fühlen.
Das Buch ist natürlich in vielen Punkten angreifbar. Es ist ein Rundumschlag, dem (notwendigerweise) der Makel der Simplifikation anhaftet. Die Autoren heben zudem zwar deutlich hervor, dass sich die vier Triebe je nach Kultur und persönlicher Sozialisiation unterschiedlich äußern und verschiedenartig befriedigt werden. Dennoch basieren alle menschlichen Verhaltensweisen aus ihrer Sicht ganz klar auf biologischen Grundlagen, noch dazu auf solchen, die sie glauben, klar umreißen zu können. Dass ihr Modell gewagt ist, ist Lawrence und Noriah aber durchaus bewusst. Entsprechend regen sie in ihrem Buch auch dazu an, es empirisch zu prüfen. Für die Unternehmenspraxis ist die Theorie indes schon insofern wertvoll, als sie eindeutig aufräumt mit der Vorstellung, im Business Alltag seien andere (rationalere) Kräfte am Werk als in anderen Lebensbereichen.

Fazit: Die Autoren liefern ein interessantes Modell menschlichen Verhaltens, das zum Nach- und Weiterdenken anregt.

Von Paul R. Lawrence und Nitin Nohria, 343 S., geb., Klett-Cotta, Stuttgart 2003, ISBN 3-608-94239-4, 32,50 Euro.
Autor(en): (jum)
Quelle: Training aktuell 11/03, November 2003
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