Reflexion

Besser verunsichert
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Für wen ist das Gute gut?

In der Psychologie und im Coaching herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass jeder Mensch die Summe vieler Teile ist. Folglich stellt sich jedoch die Frage, für welche dieser Teile das Ziel eines Coachings gut ist. Könnte das Ziel eines Coachings für manche dieser Teile gar schlecht sein? Coach und Berater Klaus Eidenschink beschäftigt sich mit diesen Fragen im ersten Artikel einer neuen Serie, die Unsicherheiten im Sicheren aufspürt und zeigt, dass Gutes auch schlecht sein kann.

„Für wen ist das Gute gut?“ – Die Frage ist merkwürdig, oder? Wenn der Coach den Klienten fragt, was er will, dann bekommt er eine Antwort. Meistens jedenfalls. Aber wer antwortet? Von dem Konzept, dass die Psyche ein monolithisches, einheitliches Etwas sei, hat man sich in vielen psychologischen Theoriebildungen, vor allem aber in den meisten psychotherapeutischen Schulen, verabschiedet. Die Seele ist ein von vielen Möglichkeiten und Interessen bevölkertes Gebiet. „Ich bin viele!“ ist das einschlägige Motto. Wenn das so ist, stellt sich allerdings sofort die Frage, welcher „Teil“ des Klienten antwortet auf die Frage nach dem guten Ziel der Beratung? Für welchen Teil ist das Gute gut? Könnte es Teile geben, für die das Gute schlecht ist? Wie kommt es zu „Teilen“, also zu der Möglichkeit, dass die Seele mit sich selbst sprechen kann und damit auch mit sich selbst im Clinch liegen kann? Wie stabilisieren sich solche „Sub-Persönlichkeiten“, sodass man ihnen auch Namen oder Bezeichnungen geben kann? Warum ist es geboten, die Psyche als mannigfaltiges Geschehen zu begreifen und nicht als ein „Ich“ oder ein „Selbst“? Zu all diesen Fragen gibt es eine Fülle an Literatur. Als Einstieg eignet sich ganz gut „Das dialogische Selbst“ von Franz-M. Staemmler.

Selbstbeobachtung mit Grenzen

Keine Person kann sich selbst durchsichtig sein. Wenn man sich selbst beobachtet und wahrnimmt, registriert man immer nur einen Ausschnitt. Insbesondere kann man die sich selbst beobachtende Instanz nicht gleichzeitig selbst beobachten. Also sieht man etwas und wird gleichzeitig blind, weil man eben nicht darauf schauen kann, was jenseits des gewählten Ausschnittes ist. Deshalb ist es selbst beobachtenden Systemen wie der Psyche nicht möglich, einen Gesamtüberblick der internen Prozesse zu haben. Jede Selbstbeobachtung ist eine Wahl, die auch anders ausfallen könnte.

Selbst beobachtenden Systemen wie der Psyche ist es nicht möglich, einen Gesamtüberblick der internen Prozesse zu haben. Jede Selbstbeobachtung ist eine Wahl, die auch anders ausfallen könnte.

Jede Sicht eines Klienten auf sich selbst ist somit ein Fragment und nie das Ganze! Solche „Teile“ des Innenlebens sind keine feststehenden inneren Instanzen, sondern Platzhalter für zahllose innere Konfliktmöglichkeiten. Andere psychologische Begriffe für diese Unterscheidung sind Seiten, Ego-States, Modi, Teammitglieder, Selbstanteile, Selbstrepräsentanzen, Selbstpositionen, Introjekte, innere Stimmen, innere Kinder und Erwachsene, Ich-Zustände, um hier nur die wichtigsten zu nennen. Ich werde im Weiteren von Selbstrepräsentanzen sprechen. Damit eine Veränderung seelischer Muster möglich wird, ist es unerlässlich, dass diese Selbstrepräsentanzen getrennt und unabhängig voneinander erlebt werden. Jede Selbstauskunft des Klienten, die mit „Ich ...“ beginnt, ist demnach immer fragwürdig. Wenn jemand etwas will oder nicht will, dann könnte eine andere Repräsentanz in ihm das genau andersherum empfinden. Andere Aspekte der Psyche des Klienten haben andere Ansichten, Absichten, Gefühle und Wünsche. Wie sehr dieses Phänomen so gut wie jede Beratung bestimmt, lässt sich recht einfach erkennen.

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