Reflexion

Trainingsspitze
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Nicht kleckern, sondern protzen

Sie sind Speaker und wollen mal einen auf richtig dicke Hose machen, wissen aber nicht wie? Das „Fake-Business-Lexikon“ von Nils-Peter Hey hilft Ihnen dabei. Keine falsche Bescheidenheit mehr, denn: Alles ist manipulierbar!

Der Speaker-Kollege fährt immer mit einem Ferrari vor, die Rednerin ist die „Nummer eins in Sachen Vertrieb“, und alle in der Branche scheinen Mitglieder in diesem wahnsinnig exklusiven Club zu sein. Nur bei Ihnen läuft es eher so semi? Das muss nicht sein! Das „Fake-Business-Lexikon“ erklärt, wie auch Sie sich an die Spitze schummeln können. Erfolg garantiert!

Armbanduhr, protzige

Sie ist der Klassiker unter den Statussymbolen: die teure Armbanduhr. Je nach Kulturkreis und Anspruch misst sie gerne mindestens 48 mm im Durchmesser. Auf dicke Hose macht der Träger einer Rolex. Die Liebhaberin von Chronografen und Fliegerei schmückt sich mit einer Breitling. Für jedes gewünschte Image bietet der Markt die richtige Uhr. Tipp für Preisbewusste: Man braucht sie nicht einmal zu kaufen, mieten geht auch. Für besonders Preisbewusste tut es auch die Fake-Uhr aus dem fernen Osten.

Buch, schnelles

Nicht zu Unrecht gilt das eigene Buch als wichtige Visitenkarte der Expertin bzw. des Experten. Doch leider macht es Arbeit, ein eigenes Werk zu verfassen. Und Zeit kostet es auch noch. Folglich ist das Buch nicht zur Hand, wenn man damit renommieren möchte, sondern frühestens in einem halben Jahr, wahrscheinlich sogar erst später. Das ist völlig unakzeptabel.

Doch auch hierfür hat der Markt eine Lösung: Man formuliert lediglich ein paar inhaltliche Eckpunkte und überlässt das lästige Schreiben einfach einem Ghostwriter. Der verfügt zwar zugegebenermaßen nicht über das Originalwissen des Auftraggebers, was durchaus zu inhaltlichen Unschärfen führt. Das ist aber kein Problem, denn das Buch ist ja nicht zum Lesen gedacht. Sein Zweck ist allein, dem Redner ein Autorenmäntelchen umzuhängen.

Busy-ness, vorgebliche

Wenn Experten, Rednerinnen und sonstige Wissensvermittler etwas gemeinsam haben, dann ist es die unglaubliche Bedeutung, mit der sie durchs Leben schreiten. Diese Wichtigkeit beziehen sie aber selten aus ihrer Auftragslage, sondern mehrheitlich aus der Darstellung außergewöhnlicher Gefragtheit. Auf den sozialen Kanälen sieht man diese Personen ständig im Flieger, in der Limousine oder bei der Vorbereitung irgendeiner wichtigen Rede. Diese Busy-ness, das Vorleben überragenden Beschäftigtseins, ist Teil der Inszenierung. Bekommen Sie also eine Anfrage, dann sind Sie terminlich bis ins kommende Jahr leider völlig zu. Wenn überhaupt können Sie einen Time Slot von maximal 15 Minuten freischaufeln – am Sonntagabend. Geht leider nicht anders, Sie sind schließlich schwerst gefragt.

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Expertenstatus, selbsternannter

Hat man sein Herzensthema gefunden, kann man sich umgehend zum Experten bzw. zur Expertin ernennen und seine vorgebliche Expertise versilbern. Als Lockmittel dienen großspurige Versprechen. Das Gute daran: Die muss man nicht einmal halten. Denn verkauft wird nicht die wirkliche Lösung von Problemen, sondern bloß das Versprechen, dass man sie löst.

Ob man von einer Sache wirklich etwas versteht oder nicht, spielt also keine große Rolle, man muss bloß so tun, als ob. Das gelingt leicht durch exzessive Selbstinszenierung. Man zaubere ein Buch (s.o.), interviewe im Videochat allerlei andere selbsternannte Fachleute und inszeniere sich fleißig in den sozialen Netzwerken. Voila: Fertig ist der Expertenstatus! Besonders leicht funktioniert das in Branchen, in denen Erfolge nicht messbar auf Ursache und Wirkung beruhen. Speaking, Beratung und Coaching sind daher die ideale Spielwiese für selbsternannte Experten und Expertinnen. Sind das nicht großartige Neuigkeiten?

Mitgliedschaften, pseudoexklusive

Nichts demonstriert den eigenen Status besser als die Mitgliedschaft in einem exklusiven Club. Es gibt Tausende Vereine, Organisationen und Verbände, die zu keinem anderen Zweck gegründet wurden. Dort findet man sich in Gesellschaft weiterer statusgeiler Nobodys, die sich gegenseitig auf die Schultern klopfen. Das Tolle daran: So exklusiv wie immer getan wird, ist die Mitgliedschaft dann doch nicht. Mehr als die Bereitschaft, ordentlich Geld dafür hinzublättern, ist nicht nötig. Geboten wird dafür ein Ökosystem der Selbstdarstellung. Willkommen im Club!

LITERATUR

  • Mehr exklusive Insider-Tipps, wie auch Sie es schaffen, zu den wirklichen Top Dogs der Branche zu gehören, gibt der Autor in seinem Buch. So klappt es dann auch endlich mit dem eigenen Privatjet. 
  • Nils-Peter Hey: Seit ich lüge, läuft der Laden. So machen selbsternannte Experten auf Boss, obwohl sie nur Hugo sind. 256 Seiten,  Richard Pflaum Verlag 2020, 19,90 Euro.

Nummer eins, angebliche

Nirgendwo gibt es so viele Nummer einsen wie unter Experten, Rednerinnen und Beratern. Dafür braucht man nicht mal an der Spitze eines Rankings zu stehen, man kann sich den Nummer-eins-Status einfach selbst auf die Fahne schreiben – und das, ohne dabei zu lügen. Dafür braucht man bloß den Raum der Betrachtung zu verkleinern, ganz nach der Methode „beste Dönerbude zwischen Hauptstraße 1 und 20“. Flüchtige Betrachter nehmen den Superlativ beiläufig wahr, und ein bisschen was bleibt immer hängen.

Promifreunde, enge

Wer bewundert ihn nicht dafür, Experte XY Arm in Arm mit Arnold Schwarzenegger? Beide mit breitem Gewinnerlächeln, die Daumen selbstbewusst in die Kamera gereckt. Dazu die Bildunterschrift: „Endlich haben wir uns mal wiedergesehen, mein alter Kumpel Arnie und ich.“ Facebook und Instagram sind voll mit solchen Bildern. Der Fake-Experte suggeriert damit, dass er herausragende Persönlichkeiten zu seinem exklusiven Freundeskreis zählt. Die Botschaft dahinter: „Mann, ist der wichtig, der muss ja dicke im Geschäft sein.“ Dabei braucht es für solche Fotos nur eines: sich ohne Angst vor Peinlichkeit auf irgendeiner Veranstaltung an einen Promi heranzupirschen und schnell ein Foto zu machen. Ach, war das mal wieder toll mit Arnie!

Der Autor: Nils-Peter Hey ist Inhaber der Unternehmensberatung Fischfell und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Marketing und Wirtschaftskommunikation. Zusammen mit seiner Frau Agnes führt er den 1919 gegründeten Richard Pflaum Verlag. Sein Managerwissen gibt er regelmäßig in Seminaren und Vorträgen weiter. Kontakt: nilshey.com

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