Reflexion

Serie 'Die Trainerhölle'

Eine bunte Mischung aus Katastrophen

Die Seminarthemen passen nicht zusammen, die Teilnehmer sind zu heterogen – und schließlich taucht auch noch der Chefpersonalentwickler auf, um den Teilnehmern auf den Zahn zu fühlen. Albrecht Kresse mit einem neuen Fall unserer Serie 'Die Trainerhölle'.
Wir hatten offensichtlich alles richtig gemacht: ein neuer Kunde mit mehreren Tausend Mitarbeitern, ein Mittelständler, innovativ und erfolgreich. Das moderne Firmengelände – beeindruckend! Die Ausstattung überall vom Feinsten. Auch die Räume im Trainingszentrum ließen keine Wünsche offen. Wir hatten mehrere Stunden lang den Seminarraum vorbereitet, alle Charts gezeichnet, das Material und die Ausrüstung gecheckt, alles genauestens arrangiert für unseren perfekten Start bei einem hoffentlich langjährigen künftigen Kunden.

Dann nahm das Verhängnis seinen Lauf. Genau genommen hatte es schon lange vorher angefangen. Denn erstens stimmte das Thema nicht bzw. die Kombination. Für Führungskräfte und solche, die es erst noch werden sollten, sollten an zwei Tagen Themen aus dem Bereich Kommunikation mit Selbst- und Zeitmanagement kombiniert werden. Passt das wirklich zusammen? Wir hatten versucht, den Kunden davon abzubringen, es war uns aber nicht gelungen.

Zweitens war die Zielgruppe offensichtlich viel zu heterogen. Gestandene Führungskräfte mit jeder Menge Erfahrung zusammen mit Nachwuchsführungskräften mit Potenzial und jungen Führungskräften, die gerade erst benannt worden waren. Macht das Sinn?

Drittens: Auf der Teilnehmerliste war plötzlich der Name einer Mitarbeiterin aus der Personalentwicklung aufgetaucht. Wir hatten das noch zu verhindern versucht, aber die Liste erreichte uns erst wenige Tage vor dem Training. Jetzt hatten wir schon so viel investiert, und nun alles platzen lassen, nur wegen einer Personalerin? Man versicherte uns, dies sei im Unternehmen üblich. Wir müssten uns keine Sorgen machen, es handle sich keineswegs um ein Assessment. Die Mitarbeiter seien dies gewohnt, und die Kollegin werde auch nicht unangenehm auffallen. Wir einigten uns auf den Kompromiss: Die Personalerin würde als normale Teilnehmerin beim Seminar mitmachen.

Viertens: Wir hatten die Trainingskultur bei dem Kunden nicht wirklich sauber geprüft. Aber schließlich waren wir ja als bunte Edutainment-Trainingsgruppe eingekauft worden. Und bei einem neuen Kunden wollten wir natürlich das volle Programm zeigen. Kann man so viele Fehler auf einmal machen? Ja, man kann.

Am Ende wurde es eine wunderbar bunte Mischung aus verschiedenen Katastrophen. Es begann damit, dass wenige Minuten vor Seminarbeginn noch zwei andere Damen aus der Personalabteilung kamen, die ebenfalls beim Training dabei sein wollten. Allerdings nicht als Teilnehmerinnen, sondern nur als Beobachterinnen. Die Teilnehmer waren da schon im Raum, eine offene Diskussion vor der Gruppe wäre schwierig gewesen. Wir versuchten ein Gespräch auf dem Gang, ein Kompromiss schien aber nicht möglich. Nein, sie würden auf jeden Fall teilnehmen. Die junge Kollegin solle am Seminar teilnehmen, sie würden nur beobachten, und zwar – ja, tatsächlich – aus der zweiten Reihe. Hinten im Raum, quasi wie bei einer Lehrprobe. Und wieder wurde uns versichert, wir müssten uns keine Sorgen machen, das sei im Unternehmen so üblich, die Teilnehmer seien das gewohnt. Auf keinen Fall handle es sich hier um ein Assessment. Das würde auch niemand der Teilnehmer vermuten.

Das Gegenteil war der Fall. In den Pausen sagten uns einige Teilnehmer, wenn sie sich unbeobachtet fühlten: 'Die wollen uns doch hier testen!' Eine offene Diskussion darüber wollten sie aber auf keinen Fall. So kamen wir nach den Pausen immer wieder in den Seminarraum zurück, ohne das Problem offen ansprechen zu können. Eigentlich hätten wir das Training abbrechen müssen – aber dazu waren wir zu feige. Die junge Personalerin, die am Anfang noch in der Gruppe gesessen hatte, setzte sich nach der zweiten Pause nach hinten zu ihren Kolleginnen. Aber es kam noch schlimmer: Bei einem Videofeedback ging plötzlich die Tür auf, und der Chefpersonalentwickler persönlich betrat den Raum. Ja, beim Videofeedback! Er raunte uns zu: 'Lassen Sie sich nicht stören, machen Sie einfach weiter', und setzte sich zu den drei Damen. Es wurde ein wenig getuschelt. Schließlich ging er mit einer der drei raus. Wir beendeten unter einem Vorwand das Videofeedback, die Stimmung war aber nicht mehr zu retten.

Wir haben tapfer zu Ende trainiert, wurden sogar von den Personalentwicklerinnen halbwegs freundlich verabschiedet. Aber uns war klar: Folgeaufträge würde es hier wohl kaum geben.

Wie hätten Sie reagiert?
Hatten Sie selbst schon einen ähnlichen Fall? Wie haben Sie ihn gelöst? Wir freuen uns über Feedback an redaktion (at) managerseminare.de oder www.facebook.com/trainingaktuell.

Der Beitrag stammt aus dem Buch 'Abenteuer aus der Trainerhölle. Strategien und Lösungen für 49 kritische Seminarsituationen', hrsg. von Jürgen Schulze-Seeger u.a., erschienen bei Beltz, Weinheim 2013, 39,95 Euro - Bestell-Link

Im pdf des Beitrags finden Sie außerdem einige Lösungsvorschläge von Trainern und Coachs zum Thema aus der Trainerhölle, das wir in Ausgabe 6/2014 vorstellten.
Autor(en): Albrecht Kresse
Quelle: Training aktuell 07/14, Juli 2014, Seite 50-51
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