Fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt fordert die IG Metall für die rund 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifverhandlungen. Doch es geht der Gewerkschaft nicht nur um bare Münze - auch das Recht auf Bildung soll festgeschrieben werden. Die Arbeitnehmer-Vertreter setzen sich für einen 'Tarifvertrag zur Qualifizierung und Innovation (Q+I)' ein, der Firmen zur systematischen Weiterbildung der Beschäftigten verpflichten soll.
Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, begründet die Forderung: 'Zukunftsfähige Konzepte basieren nicht auf einer kurzfristigen Shareholder-Value-Politik. Sie benötigen Investitionen in Forschung und Entwicklung, in optimierte Arbeitsprozesse und in Qualifizierung.' Die Praxis sehe dagegen in vielen Betrieben anders aus, moniert Huber. Die Teilnahme an Weiterbildung sei rückläufig. 2003 nahm nach Gewerkschaftsangaben nur ein Viertel aller Angestellten an Qualifizierungsmaßnahmen teil. 'Das ist grob fahrlässig', urteilt der Gewerkschafter.
Nicht nur die Arbeitgeber setzen sich gegen die Forderung der IG Metall zur Wehr - auch von Seiten der Wissenschaftler gibt es Vorbehalte. Dr. Lutz Bellmann vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg, bestätigte in einem Interview mit der Berliner Zeitung den Vorwurf der IG Metall, dass die Betriebe hier zu Lande viel zu wenig in Weiterbildung investieren.
Trotzdem sei der jetzt eingeschlagene Weg der Gewerkschaft keine Lösung. 'Ich halte es für problematisch, in Tarifverträgen eine Pflicht für Qualifizierungen vorzuschreiben, weil der Bedarf in jedem Betrieb unterschiedlich ist und ohnehin nicht alle Unternehmen tariflich gebunden sind', so Bellmann.
Diese Kritik will die IG Metall nicht gelten lassen. Schließlich will sie keine vordefinierten Maßnahmen verordnen. Vorgesehen ist lediglich der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein regelmäßiges Gespräch mit dem Arbeitgeber, in dem er seinen Qualifizierungsbedarf anmelden kann. Wenn sich beide Seiten auf eine Maßnahme einigen, soll der Kurs auf Firmenkosten stattfinden.
'Wir haben mit diesem Modell bereits gute Erfahrungen gemacht', berichtet Ingrid Gier, Pressesprecherin der IG Metall, auf Nachfrage von Training aktuell. Sie verweist auf bestehende Tarifverträge der IG Metall in Baden-Württemberg und in der Textil- und Bekleidungsindustrie.
In Baden-Württemberg wird der Tarifvertrag bereits seit vier Jahren angewendet. Mit großem Erfolg, wie Gier findet: 'Durch die Verpflichtung zu einem regelmäßigen Qualifizierungs-gespräch haben wir in den Betrieben viel angestoßen. Die Zahl der Betriebsvereinbarungen zum Thema Weiterbildung hat deutlich zugenommen.'