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Henry Mintzberg: 'Manager wird man nicht im Hörsaal'

'Managers Not MBAs' lautet der Titel des neuesten Buches von Henry Mintzberg. Wie der Titel bereits andeutet, greift der streitbare Professor für Unternehmensführung darin die Business-School-Elite an. Was der profilierte Management-Forscher auf der diesjährigen ASTD-Tagung in Washington zum Thema Managerausbildung zu sagen hatte, fasst unser Korrespondent Karlheinz Schwuchow zusammen.

Sind Korruption und Versagen im Management die Folgen einer fehlerhaften Ausbildung? Hat die einseitige Fokussierung auf den Shareholder Value Unternehmensvorstände zu Söldnern werden lassen, die nur
ihren eigenen finanziellen Vorteil sehen? Welchen Weg soll die Führungskräfteentwicklung in Zukunft gehen, um die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden? Aktuelle Fragen, zu denen Henry Mintzberg während der ASTD-Tagung Ende Mai 2004 in Washington Stellung nahm.

Nicht ohne Grund: Im April dieses Jahres ist das neueste Buch des international bekannten Professors für Unternehmensführung an der kanadischen McGill University erschienen: In 'Managers Not MBAs' (Berrett-Koehler 2004, ISBN 1-57675-275-5) greift Mintzberg die Business-School-Elite an. Seiner Ansicht nach suggerieren die meisten Business-Schools ihren Absolventen ein unangebrachtes Elite-Denken. Nicht zuletzt daher würden die MBA’ler in der Unternehmenspraxis scheitern. So steht MBA für Mintzberg häufig für 'mediocre but arrogant' - mittelmäßig aber arrogant.

Der MBA vermittelt keine Führungsfähigkeiten

Mintzberg gilt seit jeher als Kritiker konventioneller MBA-Programme. Gleichwohl sieht er in der MBA-Ausbildung ein geeignetes Lernmodell, was die fachliche Qualifizierung angeht. Dieser trage das in klassischer Weise an den Managementfunktionen ausgerichtete MBA-Curriculum mit dem Fokus 'Business Administration', zu deutsch Geschäftsverwaltung, Rechnung. Was zu kurz komme, sei jedoch das praktische Know-how. 'MBA-Programme vermitteln funktionale Techniken und Werkzeuge, aber keine umfassenden Managementqualifikationen oder gar Führungsfähigkeiten. MBA-Studenten lernen, Entscheidungen analytisch fundiert zu fällen, doch fehlt ihnen die Kompetenz, mit den Hindernissen bei der Umsetzung umzugehen', fasste Mintzberg die Leistungen wie die Versäumnisse des MBA-Formats auf dem ASTD-Kongress zusammen. Der Professor sieht Bedarf an solidem Kompetenzerwerb, nicht aber an oberflächlichem Fallstudienwissen.

Das Lernen an Fallstudien genauso wie das Lernen aus Vorlesungen - letztlich das Lernen aus den in unterschiedlicher Weise aufgearbeiteten Erfahrungen anderer - bildet für Mintzberg die erste Generation von Management-Entwicklungs-Programmen. Und, so der Professor: 'Dieses Lernen bestimmt noch heute die MBA-Ausbildung.' Es folgte, insbe-sondere geprägt durch europäische Business Schools, ein stärker aktionsbezogenes Lernen in Projekten, auch als Action Learning oder Workout bezeichnet. Allerdings ist diese zweite Generation geprägt durch ein künstlich geschaffenes Erfahrungsumfeld, das häufig mehr durch Aktion als durch Lernen gekennzeichnet ist, so der 64-jährige Professor für Unternehmensführung.

Laut Mintzberg ist es ein Irrglaube, Studierenden ohne oder mit nur geringer Berufserfahrung im Klassenzimmer Management-Qualifikationen vermitteln zu können. Aus seiner Erfahrung heraus versagen Manager, die sich allein auf Business School-Wissen stützen - entsprechend lang sei bereits die Liste 'gefallener Helden'. Management ist laut Mintzberg keine Wissenschaft, sondern vielmehr ein Handwerk, das auf Erfahrung basiert und in der Unternehmenspraxis erlernt wird. Folglich plädiert er für eine stärkere Fokussierung auf die Vermittlung von Führungsfähigkeit. Gebraucht würden keine Management-Helden mit Einzelkämpfer-Status, sondern Führungskräfte, die sich gemeinsam mit ihren Mitarbeitern für ihr Unternehmen engagieren.

Management-Entwicklung soll berufsbegleitend erfolgen

Zielgruppe der Management-Entwicklung sollten nach Ansicht von Mintzberg daher ausschließlich Führungskräfte sein, die sich bereits im Unternehmen bewährt haben. Sämtliche Qualifizierungsaktivitäten sollten berufsbegleitend erfolgen, damit Lernen und berufliche Praxis verbunden werden können. Dennoch erteilt Mintzberg den berufsbegleitenden Executive MBA-Programmen, die sich an berufserfahrene Führungskräfte wenden, eine Absage. Sie würden ihrer Zielsetzung in der Regel nicht gerecht. Zwar stimme im Hinblick auf das notwendige Erfahrungspotenzial die Zielgruppe, doch werde häufig nur das klassische MBA-Curriculum in ein Teilzeitformat übertragen. Folglich müssen sich die Teilnehmer in Fallstudien mit fremden Unternehmen ausein-ander setzen, anstatt ihre eigenen Problemstellungen aufzuarbeiten und dabei voneinander lernen zu können.

Mintzberg fordert daher ein neues Grundverständnis des Management-Lernens, geprägt durch unmittelbaren Realitäts- und Erfahrungsbezug sowie durch persönliche Interaktion. Für ihn stellt dieses Management-Lernen die dritte Generation der Manager-Ausbildung dar. Sie ist gekennzeichnet durch einen natürlichen Lernprozess: durch das Aufarbeiten aktueller Unternehmenssachverhalte und die Reflexion der eigenen Erfahrung im Dialog mit anderen Führungskräften. Das Kernprinzip besteht darin, reale Situationen im Unternehmen als Lernplattform zu nutzen und nicht erst zu schaffen: 'Use work, not make work', fasst Mintzberg das seiner Ansicht nach Erfolg versprechende Motto zusammen.

Die Teilnehmer müssen im Mittelpunkt stehen

Nach Mintzbergs Konzeption der Management-Lehre liefern die Dozenten die konzeptionelle Grundlegung, die Führungskräfte bringen ihre eigene Erfahrung ein, und das Seminar schafft das Umfeld zur Reflexion. Das Lernen off-the-job stellt also primär einen Reflexionsprozess mit unmittelbaren Konsequenzen für das Handeln im Unternehmen dar. 'Gebraucht wird ein offener Lernprozess ohne die bei Fallstudien üblichen Musterlösungen', so Mintzberg. Dabei soll die Hälfte der Zeit den Teilnehmern zur Verfügung stehen: 'Die Teilnehmer müssen im Mittelpunkt stehen, nicht der Dozent.' Mintzberg selbst hat dieser Überzeugung Taten folgen lassen: Er nutzt nur Seminarräume mit runden Tischen, die einen unmittelbaren Wechsel in der Interaktion zwischen Dozent und Teilnehmer sowie der Teilnehmer untereinander ermöglichen.

Darüber hinaus plädierte Mintzberg auf der ASTD-Tagung für die Abkehr von einer Einzelentsendung von Führungskräften zu Entwicklungsprogrammen. Sinnvoller sei die Teilnahme von Managementteams. Denn so werde im Unternehmen eine kritische Masse für Veränderungsprozesse geschaffen. 'Die Management-Entwicklung muss das Ziel einer mentalen Öffnung verfolgen und dabei der Erkenntnis Rechnung tragen, dass Führung impliziert, die Fähigkeiten und Erfahrungen aller Mitarbeiter im Unternehmen zu nutzen', so Mintzberg. Zudem könnten Unternehmen nur in ihrem gesellschaftlichen Kontext erfolgreich sein - eine Überzeugung, mit der er sich bewusst abkehrt von der weit verbreiteten Vorstellung 'The Business of Business is Business'.

Practicing Management

Ein Management-Entwicklungs-Programm, das den aufgezeigten Anforderungen Rechnung tragen will, stellt das von Mintzberg konzipierte International Master’s Program in Practicing Management (IMPM) dar. Hierbei handelt es sich um ein berufsbegleitendes Programm von 16 Monaten Dauer mit fünf zweiwöchigen Präsenzmodulen, die in Europa, Asien und Nordamerika stattfinden. Getragen wird dieses Programm durch ein Konsortium mehrerer Business Schools, unter anderem der kanadischen McGill University, dem INSEAD in Frankreich und dem Indian
Institute of Management. Infos zum IMPM unter bzw.

Download von Mintzbergs ASTD-Handout als pdf-Datei möglich.
Autor(en): (Karlheinz Schwuchow)
Quelle: Training aktuell 08/04, August 2004
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