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'Der Blaue Graben': Die Brücke ins Nirgendwo

Gräben überbrücken, nicht nur im Wortsinn – das ist der zentrale Gedanke des Trainingsspiels, das von Think Gaming! entwickelt wurde. Die gemeinsam zu lösende Aufgabe soll helfen, Teamprozesse anzukurbeln, Konflikte auszuräumen und Probleme aus dem Berufsalltag symbolisch zu überwinden. Ob das Spiel hält, was es verspricht, zeigt der TA-Praxistest.

Das Angebot: Das Trainingsspiel 'Der Blaue Graben' vom Berliner Entwickler Think Gaming! basiert auf einer Abwandlung der bekannten Leonardobrücke. Die Spieler sollen mit vier kurzen Brettern einen breiten Graben, dargestellt durch ein blaues Tuch, überwinden. Dabei sollen sie die Bretter so verwenden, dass eine frei tragende Konstruktion entsteht. Ein Tüftelspiel, das auf Teamwork, Projektmanagement sowie auf lösungsorientiertes Kommunizieren und Handeln abzielt. Die Idee dahinter: Der Graben soll symbolisch für Problem- oder Fragestellungen stehen, mit denen sich das Team im Arbeitsalltag konfrontiert sieht. Die Überbrückung des Grabens soll helfen, diese Probleme gemeinsam zu überwinden und eventuell bestehende Teamkonflikte zu lösen.

Der TA-Check: Die Spieldauer ist mit 30-45 Minuten angesetzt, Auswertung nicht inbegriffen. Nach Herstellerangaben taugt das Spiel für beliebig große Teams von zwei bis unendlich, als ideale Gruppengröße sind 12 bis 18 Spieler angegeben. Im Praxistest tritt eine Gruppe mit sieben Teilnehmern an. Die Aufgabe ist schnell geklärt. Kaum ist der Startschuss gefallen, ergreifen zwei Spieler – davon eine mit architektonischem Vorwissen – die Bretter und fangen an, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren, sie miteinander zu einer selbsttragenden Konstruktion zu verkeilen. Eine dritte Spielerin fasst mit an. Angesichts solchen Elans hält sich, meinen Aufforderungen zur Mitarbeit zum Trotz, der Rest des Teams zurück und beobachtet die eifrigen Kollegen. Nach nicht einmal vier Minuten steht die Brücke. Worte sind dabei kaum gefallen, vielmehr kam die Lösung durch einfaches Trial-and-Error zustande. Bemerkenswert: Das Team hat eine andere Lösung gefunden, als vom Hersteller vorgesehen.

Der TA-Eindruck: Gemessen an den vollmundigen Versprechen in der Spielbeschreibung erweist sich das Spiel im Praxistest – was Herausforderung, Teamaktivierung oder Kreativität angeht – als reichlich ernüchternd. Das Hauptproblem: Die Aufgabe ist zu leicht, auch für Teams ohne Spielerfahrung oder Statikkenntnisse. Der Praxistest hat zudem gezeigt, dass die Lösung auf praktischem Wege gefunden werden kann, ein Gespräch muss dabei nicht stattfinden. Ein Lösungs-Tool für Kommunikationsprobleme oder Teamkonflikte ist das Spiel daher nicht zwangsläufig.

Für die vorgeschlagene Teamgröße ist das Spiel mit gerade einmal vier beweglichen Gegenständen außerdem hoffnungslos unterdimensioniert. Auch wenn alle an der Lösung mitarbeiten, können höchstens vier Spieler bei der Umsetzung mitwirken. Selbst in der nur siebenköpfigen Testgruppe hat die Mehrheit den ambitioniertesten Spielern das Feld überlassen, allein schon um ein ineffizientes Durcheinander zu vermeiden. Als Spielleiter stört mich, dass Graben und Brücke laut Anleitung als Symbole für ein konkretes Problem bzw. seine Überwindung stehen sollen. Auf entsprechende Erklärungen reagiert mein Team mit Kopfschütteln. Zu bemüht wirkt die symbolische Aufladung: Für das Spiel selbst muss sie keine Relevanz haben. Statt zu höherer Erkenntnis führt der Brückenschlag ins reflektorische Nirgendwo. Das ist vor allem deswegen schade, weil 'Der Blaue Graben' zum Warmmachen vor Teamtrainings hervorragend geeignet wäre. So scheitert das Spiel – ohne Not – inhaltlich und umfänglich, vor allem aber an überzogenen Ansprüchen.

TA-Fazit: Grundsätzlich eine gute Idee, die für die hochgesteckten Ziele aber viel zu simpel umgesetzt wurde.
Autor(en): (Sascha Reimann)
Quelle: Training aktuell 02/10, Februar 2010
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