Schlauer lernen

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Setzen Sie sich keine Ziele

Henning Beck erklärt, warum man sich durch eine Zielsetzung in eine psychologische Lose-lose-Situation bringt.

Was ist Ihr großes Ziel? Die Vision auf die Sie hinarbeiten? Etwas, das Sie motiviert, auch wenn die Zeiten hart sind? Und was würde passieren, wenn Sie dieses Ziel erreichen? Wenn Sie endlich dort angekommen sind, wo Sie immer sein wollten? Was denken Sie, sind Sie dann glücklich und zufrieden – oder passiert etwas Unerwartetes?

Als ich vor einigen Jahren in den USA einen Workshop zum Thema „Life Goals“ beobachtete, fiel mir die unfassbare Hingabe auf, mit der Amerikaner ihr Ziel verfolgen. Das „Streben nach Glück“ ist schließlich immer noch fest im dortigen Denken verankert – allen Aufstiegsschwierigkeiten in den USA zum Trotz. Ständig werden die eigenen Ziele definiert und ein genauer Plan zum Erreichen aufgestellt. Das psychologische Problem dabei: Man schafft sich eine Lose-lose-Situation. Denn wenn man sich Ziele setzt, kann man dieses Ziel nur verlieren. Entweder man schafft das Ziel nicht – dann ist es weg und man hat verloren. Keine schöne Vorstellung. Oder man erreicht das Ziel – dann ist es auch weg und man steht genauso verloren da. Kurzum: Ziele können einen in eine unangenehme Situation bringen.

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Was oftmals unterschätzt wird: Menschen fürchten sich mitunter genauso vor einem Erreichen eines Ziels, wie sie sich vor dem Scheitern fürchten. Denn wenn Sie Ihr Ziel nicht erreicht haben, können Sie immerhin noch aus dem Scheitern lernen. Ein ganzer Haufen an Ratgeberliteratur hat sich mittlerweile dem „produktiven Scheitern“ verschrieben. Sie kehren in Ihre Komfortzone zurück und können erneut starten (solange es kein fatales Scheitern war). Wenn Sie jedoch Ihr Ziel erreichen, gibt es wenig Literatur, die Ihnen hilft. Ihr Ziel ist weg, Ihre Komfortzone auch, denn im Erfolgsfall kann sich das Leben radikal ändern. Erfolgsangst nennt sich dieses Phänomen, dass nicht nur Leute im Management, sondern auch Spitzensportler hemmt, bis ans Limit zu gehen. Wie eine unterbewusste Handbremse zögern viele Menschen vor dem ultimativen All-in, wenn man weiß, dass nach dem Erfolg die Leere kommen kann.

Das alles heißt natürlich nicht, dass man seinen Handlungen nicht eine Richtung geben soll. Im Gegenteil: Menschen sind umso erfolgreicher, je mehr sie Probleme vom Ende her denken. Nur allzu starr sollte man nicht an seinen Zielen festhalten, sondern anpassungsfähig bleiben.

Als ich als kleiner Junge mit dem Schachspielen begann, lernte ich, dass es zwei Möglichkeiten gibt, Schach zu spielen. Variante 1: Man analysiert die Stellung auf dem Brett und wählt den besten aller möglichen Züge aus. Das ist reaktives Denken. Variante 2: Man überlegt sich, welche Stellung man erreichen möchte, um den gegnerischen König unter Druck zu setzen – und rechnet dann zurück: Was müsste man dann wohl in der aktuellen Stellung tun, um dieses Ziel zu erreichen? Das ist aktives Denken. Man hat einen Plan, aber darf nicht zu sehr daran festhalten, sondern überprüft nach jedem Schritt erneut, ob sich das Ziel vielleicht geändert haben könnte.

Statt zu sagen: Wie verhalte ich mich aktuell fehlerfrei, um ein Ziel zu erreichen, dreht man die Perspektive um: Wie müsste ich mich verhalten, damit ich in Zukunft rückblickend sagen kann, ich habe mein Bestes versucht? Dann kann man sich später zumindest keinen Vorwurf machen, denn schließlich hat man immer sein Bestes gegeben. Sobald Sie sich Ziele setzen, überlegen Sie also, was danach kommen könnte. Nur so werden Sie sich trauen, das Ziel bis zum Ende zu verfolgen, ohne danach ziellos zu sein.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „12 Gesetze der Dummheit“. Kontakt: ­henning-beck.com

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