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Interview mit Anselm Bilgri

'Achtsam mit den eigenen Werten umzugehen, ist eine große Sehnsucht'

Führen heißt dienen – dem Unternehmen, den Mitarbeitern, aber auch sich selbst. Um vor allem Letzteres geht es der neuen Akademie der Muße. managerSeminare traf Mitbegründer Anselm Bilgri auf dem Personalberatertag und sprach mit ihm über Anliegen und Auftrag der Akademie.

Sie haben die 'Akademie der Muße' gegründet: Was war der Gründungsgedanke?

Anselm Bilgri: Viele Menschen haben das Gefühl von Arbeitsverdichtung, von einer Gleichzeitigkeit, eines Immer-schneller-sein-Müssens. Wir möchten diesen Menschen bei der Entschleunigung ihres Lebens helfen. Aufgabe der 'Akademie der Muße' ist es daher, Insel der Muße, des Abschaltens, der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu sein und die Menschen dabei zu unterstützen, solche Inseln auch selbst für sich zu schaffen.

Wie ist bislang die Reaktion darauf?

Bilgri: Überraschend gut. Wir sind ja noch ganz neu auf dem Markt, und wie jedes Start-up müssen wir uns erst mal unsere Kundschaft suchen. Allerdings waren die ersten Veranstaltungen, die wir abgehalten haben, bereits gut gebucht. Das waren u.a. die 'Tage des Innehaltens für Manager' und ein sehr schönes neues Format, das wir Symposion nennen. Bei dem sitzen die Teilnehmer abends zusammen und sprechen bei einem guten Glas Wein über Themen, die der Entschleunigung dienen können.

In der Redaktion beobachten wir eine enorm gestiegene Aufmerksamkeit für das Thema Achtsamkeit. Verwunderlich, weil über viele Jahre Themen wie Meditation eher mit Skepsis beäugt wurden, besonders von Führungskräften. Wie erklären Sie sich diesen Sinneswandel?

Bilgri: Führungskräfte merken zunehmend, dass sie ständig nur an der Oberfläche des Lebens und des Ständig-funktionieren-Müssens dahinvegetieren. Und wenn sie Entscheidungen zu treffen haben, dann fehlt ihnen oft der Hintergrund, sie vermissen die Tiefe. Dabei braucht jeder doch ein Wertesystem, nach dem er seine Entscheidungen trifft. Allerdings braucht es Zeit, um sich die eigenen Werte zu vergegenwärtigen und nicht immer nur aus der Hüfte zu schießen. Achtsam mit den eigenen Werten umzugehen, ist eine große Sehnsucht der Menschen.

Führungskräfte sind ja maßgeblich Ihre Klientel. Was wollen Sie diesen mitgeben?


Bilgri: Führungskräfte müssen Vorbilder sein – in der Hinsicht, auf sich selbst zu achten und sich Pausen für Kreativität zu gönnen. Gleichzeitig müssen sie ihren Mitarbeitern Wertschätzung zollen, Achtsamkeit im Umgang mit ihnen zeigen. Das ist das Beste, was Führungskräfte für die Zufriedenheit von Mitarbeitern tun können.

Burnout ist derzeit in aller Munde. Kann Ihr Angebot dem grassierenden Erschöpfungszustand etwas entgegensetzen?


Bilgri: Burnout ist ja ein subjektives Empfinden von Überlastung. Der Betroffene hat das Gefühl, dass so vieles gleichzeitig auf ihn einströmt, dass er den Dingen nicht mehr Herr werden kann. Wir wollen Burnout-Prophylaxe betreiben, also Hilfestellungen geben, um es gar nicht so weit kommen zu lassen. Auch wenn Muße zu­­nächst antiquiert klingt: Der Begriff ist hochaktuell in einer Zeit, in der sich viele Menschen zunehmend fremdbestimmt fühlen. Muße ist nicht Müßiggang, manchmal bedeutet es harte Übung, sich wieder einen Freiraum zu schaffen: vom Leistungsalltag – für neuen Lebenswert. Es gilt also, wieder zur Muße zu finden, denn diese hat die abendländische Kultur genauso geprägt, wie das hohe Arbeitsethos, dem der moderne Mensch verpflichtet ist. Die rechte Balance zwischen beidem zu finden ist eine wichtige Aufgabe heutiger Lebensgestaltung.

Sie reden von 'Entschleunigung'. Dass vieles gleichzeitig stattfindet, kritisieren Sie. Ist nicht ein anderes, viel größeres Problem die Komplexität?


Bilgri: Das hat sehr viel mit­einander zu tun. Unser Leben ist wahnsinnig komplex und schwierig geworden, und das hat mit Beschleunigung zu tun, weil eben alles gleichzeitig passiert: die E-Mails, die ankommen und danach schreien, bearbeitet zu werden, die Telefonate, die eingehen, die Mitarbeiter, die in der Bürotür stehen – alle wollen etwas von einem. Daneben gibt es viele Vorgänge und Vorschriften in Unternehmen, auf die man inzwischen achten muss – von Corporate Governance bis zu Compliance. All das erzeugt Komplexität und lässt Bauchentscheidungen, die ja gute Manager eigentlich auszeichnen, unmöglich erscheinen. Niklas Luhmann sagte es bereits: Komplexität kann durch Vertrauen abgebaut werden. Wir brauchen also Vertrauen in die Kompetenz von Führungskräften. Und das Vertrauen kann nur durch die Vorbildfunktion wieder erreicht werden.

Was ist Ihre Kernbotschaft in Sachen Führung?

Bilgri: Führen heißt dienen. Na­­türlich dem Unternehmensziel, aber jeweils auch dem mir anvertrauten Mitarbeiter. Das kann so weit gehen, die Fürsorgepflicht wahrzunehmen, in­­dem ich je­­mandem, der gefährdet ist, in ein Burnout-Syndrom zu fallen, diesen Druck von der Seele nehme und ihn von der Arbeitslast befreie.

Auch auf die Führungskräfte kommen immer weitere Aufgaben zu. Müssen die sich nicht auch überfordert fühlen?

Bilgri: Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Überlastung der Führungskräfte eher aus einem vorauseilenden Gehorsam kommt. Wenn ich Führungskraft bin, dann habe ich Entscheidungsfreiheit und Entscheidungskompetenz. Und dann muss ich auch Herr über meinen eigenen Terminkalender sein können. Nur da lassen wir uns oft allzu sehr vereinnahmen. Eine Führungskraft sollte auf sich selbst achten und sich die Zeit nehmen, die sie braucht.

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