Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Tastend sprechend

Wann klare Sprache im Austausch mit den eigenen Mitarbeitenden kontraproduktiv ist, erläutert Martin Wehrle aus Coachingperspektive.

Wer eine Führungsrolle ausübt, sollte sich einer klaren Sprache bedienen. Die eigenen Rückmeldungen sollten eindeutig, Ziele präzise formuliert sein. Denn Führung soll Orientierung geben, wer herumschwurbelt, verwirrt jedoch. So weit, so unstrittig. Allerdings gilt das Klarheits-Postulat nicht absolut. Denn es gibt ein großes Kommunikationsfeld in der Führung, in dem klare Sprache eher kontraproduktiv ist und eine sogenannte tastende Sprache meist deutlich weiterführt: wenn es um die Art und Weise geht, wie die Mitarbeitenden ihre Arbeit erledigen.

Das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle ist eines der vier Grundbedürfnisse nach dem Psychologen Klaus Grawe. Menschen lieben es, selbst zu bestimmen, was sie tun und auf welche Weise. Sie wollen selbst entscheiden – und sie mögen es nicht, wenn über sie entschieden wird. Das gilt bei der Arbeit umso mehr, je höher die Qualifikation ist. Wer als Experte oder Expertin jeden Tag schwierige Sachfragen entscheidet, tut sich schwer mit Anweisungen einer Führungskraft, die das eigene Fachgebiet berühren.

In solchen Fällen neigen Menschen dazu, sich nicht aus sachlichen, sondern aus psychologischen Gründen zu verweigern. Im Coaching sprechen wir von „Reaktanz“, also einem Blindwiderstand gegen die Einengung des freien Willens. Ein Beispiel: Eine Führungskraft hat das Gefühl, der Arbeitsweg einer Mitarbeiterin sei zu umständlich und sagt: „Dein Arbeitsweg ist zu kompliziert. Mach das doch besser anders, und zwar …“ Wie wird die Mitarbeiterin wohl reagieren? Genau, sie wird sich rechtfertigen, warum ihr Arbeitsweg eben doch nicht kompliziert ist, wohl aber der Vorschlag der Führungskraft. Ein typischer Fall von Reaktanz.

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Mit sogenannter tastender Sprache lassen sich solche Reaktanzreaktionen vermeiden. Das kommunikative Heran- und Abtasten klingt dann etwa so: „Ich bin nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, vielleicht willst du es einfach mal ausprobieren. Dann schauen wir, ob es etwas taugt. Und zwar wäre ich gespannt, wie die Arbeit liefe, wenn du Folgendes tätest …“ Statt klar auf den Punkt zu formulieren, wird bei tastender Sprache auf Relativierungen („nicht sicher“, „einfach mal ausprobieren“, „schauen, ob es etwas taugt“) und auf Konjunktive („wäre“, „liefe“, „täten“) gesetzt.

Wo liegen die Vorteile dieser tastenden Sprache? Erstens auf der inhaltlichen Ebene: Denn keine Führungskraft dieser Welt kennt das Arbeitsgebiet seiner Mitarbeitenden besser als diese selbst. Also ist die Zurückhaltung durchaus auch fachlich begründet. Vor allem aber bietet tastende Sprache psychologische Vorteile. Denn sie reduziert den psychologischen Widerstand des Gegenübers auf fast auf null.

Im „tastenden“ Beispiel wird die Mitarbeiterin unverfänglich eingeladen, sich an einem Versuch mit ungewissem Ausgang zu beteiligen. Sie kann bestimmen, statt dass über sie bestimmt wird. Sehr wahrscheinlich wird sie sich auf das Experiment einlassen. Und wer weiß, vielleicht ist die Mitarbeiterin von der neuen Methode bald so überzeugt, dass sie sie dauerhaft einsetzt. Auch das wäre ihre Entscheidung. Und nicht die der Führungskraft. So bleibt ihr Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle gewahrt.

Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die Coaching-Schatzkiste“. Kontakt: www.karriereberater-akademie.de

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