Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Die Gründe-Haltung

Warum wir häufig Fragen stellen, die weder uns noch die Gefragten weiterbringen, und wie es besser geht, schildert Martin Wehrle aus Coachingperspektive.​

Manche Fragen, die wir anderen stellen, sind keine Fragen – sondern heimliche Anklagen. „Warum ist der Entwurf immer noch nicht fertig?“ will keine Antwort hören, sondern einem anderen Menschen sagen, dass er seine Arbeit nicht ordentlich macht. „Was hast du dir dabei gedacht?“ will keine Gedanken hören, sondern heißt in Wirklichkeit: „Das war einfach nur gedankenlos!“ Diese Art der aggressiven Kommunikation ist umso verlockender, je gestresster wir uns fühlen. Und damit entsteht ein Teufelskreis. Der Gefragte fühlt sich angegriffen, in die Enge gedrängt oder gar vor einer Gruppe blamiert. Und was tut er? Er verteidigt sich. Statt mit offenem Visier zu agieren, statt über seine guten oder weniger guten Gründe zu sprechen, duckt er sich weg hinter Schutzbehauptungen.

Im Coaching gilt die Regel: Stell nie verurteilende Fragen, sondern gehe immer davon aus, dass ein Mensch Gründe für sein Handeln hat. Wenn wir eine solche Haltung einnehmen, wird sich das automatisch in unseren Fragen spiegeln. Dann fragen wir nicht, warum der Entwurf „immer noch nicht“ fertig ist, sondern eher: „Beim letzten Mal hatten wir besprochen, dass der Entwurf nach fünf Tagen steht. Jetzt sind sieben Tage vergangen. Erklär mir bitte, aus welchen Gründen sich die Lieferung verzögert.“ Auch diese Rückmeldung ist klar und macht deutlich, dass die Lieferung bereits fällig war. Aber der Angesprochene fühlt sich nicht auf der Anklagebank – sondern bekommt die Chance, Gründe zu nennen und sein Gesicht zu wahren. Zum Beispiel kann es ja sein, dass er selbst eine Zuarbeit, von der er abhängig war, verspätet bekommen hat. Oder dass er zugleich an anderen Projekten arbeitet und deshalb nicht über genug Kapazitäten verfügt. Oder – auch das ist möglich – die Verspätung geht tatsächlich auf sein Konto. Das wird er viel eher einräumen, wenn er freundlich gefragt wird. Dagegen wird ihn eine anklagende Frage animieren, sich selbst zu verteidigen und die Wahrheit womöglich zu verschleiern. Es ist also nicht nur aus menschlichen Gründen klug, freundliche Fragen ohne Wertung zu stellen, sondern sorgt auch für klarere Verhältnisse.

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Achten Sie doch einmal darauf, wie oft Sie selbst verurteilende Fragen verwenden, etwa zu Hause: „Warum hast du dein Zimmer noch nicht aufgeräumt?“, „Warum herrscht hier immer so ein Chaos?“, „Warum habe ich hier im Haus nie meine Ruhe?“, „Warum muss ich alles immer zweimal sagen?“ Auch Kinder empfinden solche Fragen als indirekte Angriffe. Und werden deshalb immer (gute) Gründe zu ihrer Verteidigung (er)finden. Aber wenn wir in einer verständnisvollen Tonlage sagen „Erklär mir bitte mal, was dich in den letzten Tagen davon abgehalten hat, dein Zimmer aufzuräumen?“, dann werden wir wahrscheinlich nicht nur eine Antwort erhalten, die uns besser verstehen lässt, was los ist – dann fühlt sich auch das Kind besser verstanden, und die Chance ist groß, dass es sich nach einem solchen Gespräch ans Aufräumen macht. Ob im Führungsalltag oder im Privatleben: Solche wertschätzenden Fragen bringen nicht nur uns, sondern auch die Gefragten voran.

​Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die 50 kreativsten Coaching-Ideen“. Kontakt: karriereberater-akademie.de

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