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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 324, März 2025
„Immer lieferst du deine Arbeiten zu spät ab. Das kann doch kein Zufall sein. Ich habe allmählich das Gefühl, dass du mir schaden willst.“ – „Ich dir schaden? Dafür sorgst du doch schon selbst, weil du unrealistische Termine setzt.“ – „Merkwürdig nur, dass andere diese ‚unrealistischen‘ Termine einhalten können – aber du nicht.“ Wie geht ein solches Gespräch zwischen zwei Teammitgliedern wohl weiter? Genau, die Vorwürfe schaukeln sich hoch, und am Ende hat sich der Sachkonflikt zu einem handfesten Beziehungskonflikt entwickelt.
Wer als Führungskraft einen solchen Konflikt im eigenen Team registriert, hat zwei Möglichkeiten. Erstens: sich heraushalten, in der Hoffnung, dass die Teammitglieder ihn selbst lösen. Das kann funktionieren, kann aber auch zu erheblichen (Kollateral-)Schäden in der Gruppe führen. Zweitens: aktiv werden. Ein gemeinsames Gespräch mit beiden Parteien ist in solchen Fällen häufig der Weg der Wahl. Dadurch wird der Konflikt jedoch auch direkt sehr hochgehängt. Ein dagegen niedrigschwelliger Lösungsansatz besteht darin, Einzelgespräche mit den Beteiligten zu führen. Dabei gilt es zuerst, Verständnis für die jeweiligen Standpunkte zu zeigen. Denn natürlich ist es, um im Beispiel zu bleiben, nachzuvollziehen, dass ein Projektleiter sich über Unpünktlichkeit ärgert. Ebenso ist es normal, dass ein Teammitglied Termine als zu eng empfindet, wenn es sie neben seinem sonstigen Arbeitsaufkommen kaum bewältigen kann.
Anschließend geht es darum, den Konflikt von der persönlichen Ebene zurück zur sachlichen zu lenken. Erst dann sind konstruktive Lösungen möglich. Dafür bietet sich eine Methode aus dem Coaching mit dem Namen Anwalts-Übung an. Die dazugehörige Einleitung kann etwa so klingen: „Ich glaube, es könnte dir helfen, wenn du dich einmal in die Position deiner Kollegin versetzt. Ja, sie liefert öfter mal zu spät. Doch warum passiert das? Was sind die wahren Gründe? Stell dir vor, du wärst ihr Anwalt und müsstest ein Plädoyer für sie halten, warum sie sich verhält, wie sie sich verhält. Was könntest du zu ihrer Verteidigung anführen? Vielleicht magst du dir ein paar Notizen machen.“
Um im Bild zu bleiben, wird das Gegenüber jetzt in der Anwaltsrolle angesprochen: „Sie haben die schwerwiegenden Vorwürfe des Projektleiters gehört. Was haben Sie zur Verteidigung von Frau Müller zu sagen?“ Manchmal dauert es etwas, bis das Gegenüber in der Rolle ankommt, aber Argumente wird es auf jeden Fall vorzubringen haben. Im Beispielfall etwa: „Nun, sie ist von ihrer Tagesarbeit sehr in Anspruch genommen. Ihre engste Kollegin ist krank, da wandert jede Menge Zusatzarbeit auf ihren Tisch.“ Wenn das Plädoyer stockt, lässt es sich durch Fragen anschieben. Eine naheliegende Frage, die sich dafür nicht anbietet: „Gibt es weitere Argumente, die erklären, warum Frau Müller den Liefertermin nicht eingehalten hat?“ Die Antwort könnte nämlich „Nein“ lauten, womit das Plädoyer beendet wäre. Gut geeignet sind dagegen sogenannte hypnotische Lenkungsfragen à la „Welche weiteren Argumente gibt es …?“. Dass es welche gibt, wird somit vorausgesetzt, und das Plädoyer kommt wieder ins Laufen.
Mittels der Anwalts-Übung gelingt es, dass beide Streitparteien einmal aus der Perspektive der anderen denken. Das sorgt nicht nur für Verständnis und hilft, das emotionale Kriegsbeil zu begraben. Sondern liefert den Parteien gleichzeitig auch konkrete Ansatzpunkte, wie sie ihren sachlichen Konflikt lösen können.
Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die 50 kreativsten Coaching-Ideen“. Kontakt: karriereberater-akademie.de
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