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Bildungsvisionärin Silja Graupe im Interview
Bildungsvisionärin Silja Graupe im Interview

Dem Sinn ein Leben geben

Silja Graupe hat eine Hochschule gegründet, eine besondere. Sie hat eine Lehre geschaffen, ebenfalls eine besondere. Und sie hat besondere Gedanken. Über Zukunft, Zukunftsgestaltung, lebenswerte Zukünfte. Ihre eigenen und die anderer.

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Gesellschaftsgestaltung: Erschütterungen zulassen und artikulieren

Die wichtigste Kompetenz: Zukunftsvorstellungen entwickeln können

Erforderliches Bildungsideal: Der Mensch hat keine Zurichtungsnotwendigkeiten

Die andere Lehre: Persönlichkeitsentwicklung und Multiperspektivität

Zukünftebildung für Unternehmen: Wider das Wirtschaftswachstum


Cover managerSeminare 329 vom 25.07.2025Hier geht es zur gesamten Ausgabe managerSeminare 329

Silja, du hast die Hochschule für Gesellschaftsgestaltung gegründet. Was wünschst du dir für eine Gesellschaft?

Silja Graupe: Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der wir alle die Freiheit leben können, uns im Hier und Jetzt sinnstiftend zu entfalten, statt fernen Zukunftsidealen hinterherzujagen oder uns durch alte Gewohnheiten beschränken zu lassen. Und in der wir alle uns gegenseitig genug Halt und Sicherheit bieten, damit das Konzept der Freiheit am Ende nicht einfach nur das Recht des Stärkeren propagiert. Menschen nämlich, die sich schwach fühlen und immer nur Angst haben, können sich nicht einsetzen und auch keine positiven Zukunftskräfte entwickeln. Ich wünsche mir auch, dass wir aufhören, Menschen zu misstrauen und zu meinen, wir müssten Anreize schaffen, um sie zu irgendwas zu bewegen. Ich glaube, dass wir Menschen die Welt gestalten wollen und dass, wenn wir alle gemeinsam jedem das Lebensnotwendige zusprechen, daraus die Kraft nachhaltiger Gesellschaftsgestaltung erwächst.

Wie kommen wir zu so einer Gesellschaft?

Indem wir Möglichkeiten schaffen, Erschütterungen zuzulassen und zu artikulieren – und zwar bevor sie uns als riesenhafte Krisen in Form von großen Wirtschaftskrisen oder ökologische Krisen um die Ohren fliegen, mit denen wir dann nicht mehr umgehen können. Indem wir uns gegenseitig Halt auch im Schwierigen bieten und uns erlauben, an Erschütterungen Freude zu haben, es gibt ja schließlich auch solche, die uns neugierig machen und Möglichkeiten eröffnen. Und der nächste Schritt ist dann eine Öffnung: das Angebot, die Welt anders sehen und erfahren zu können.

"Es geht darum, Menschen zu ermöglichen, sich immer wieder neu Ziele zu setzen und den Mut zu haben, bestimmte Werte zu vertreten und sich damit in die Gesellschaft zu stellen, auch wenn es schwierig oder gar gefährlich sein mag."

Aktuell leben wir in einer Gesellschaft, bei der manche Menschen nicht mal mehr Weihnachten mit ihrer Familie feiern wollen, weil etwa ein Onkel andere politische Ideale hat, vielleicht sogar rechte. Doch wir brauchen die Möglichkeit, einander zuzuhören, wir müssen Voraussetzungen schaffen, Vielfalt auszuhalten oder gar zu feiern und trotz aller Gegensätzlichkeit immer wieder Brücken zu bauen. Und das ist meine Idee von Bildung: Angebote machen, komplexe Situationen zu verstehen, und Möglichkeiten über Raum und Zeit bieten – etwa im Rahmen von Interkulturalität und Interdisziplinarität –, um erfahrbar zu machen, dass unsere Welt auch immer wieder ganz anders wahrgenommen werden kann. Dabei will ich keine Pluralität im Sinne von postmoderner Beliebigkeit schaffen, sondern zeigen, dass jede Sichtweise auch eine Haltungsfrage impliziert. Es geht mir darum, Menschen zu ermöglichen, sich immer wieder neu Ziele zu setzen und den Mut zu haben, bestimmte Werte zu vertreten und sich damit in die Gesellschaft zu stellen, auch wenn es schwierig oder gar gefährlich sein mag.

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