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Bad Harzburger Führungslehre: Totgesagt - und auferstanden?

Mit einem Wiederbelebungsversuch läutet die AFW Wirtschaftsakademie Bad Harzburg das Seminarjahr 2004 ein: Der Weiterbildungsanbieter, der bisher v.a. Fernstudiengänge anbot, will nun wieder Seminare zur Harzburger Führungslehre durchführen. 'Es gibt bis heute am Markt keine andere Führungslehre, die dem Bedarf der Unternehmen nach einer einheitlichen Führungskultur gerecht wird,' begründet AFW-Geschäftsführer Dietmar Borsch den Entschluss.

Zwar wurden nach dem Harzburger Modell bis in die 80-er Jahre hinein gut 500.000 Manager geschult, vielen gilt es gleichwohl als Schnee von gestern. 'Es heißt ja, reite niemals ein totes Pferd. Dieses Pferd ist aber nicht nur tot, sondern schon verwest,' kommentiert Daniel Pinnow, Leiter der Akademie, Bad Harzburg, den AFW-Coup. In der Akademie hat das Harzburger Modell eigentlich seine Wurzeln. Das Institut nämlich wurde im Jahr 1956 vom Erfinder der Lehre, Professor Dr. Reinhard Höhn, gegründet.

Höhns Verdienst bestand darin, eine Brücke zu schlagen, von einem autoritären Führungsstil zu einem, der den Mitarbeiter als selbstständig denkenden und handelnden Menschen anerkennt. Im Kern beruht die Lehre darauf, dass Mitarbeiter festumrissene Aufgabengebiete erhalten, in denen sie eigenverantwortlich arbeiten. Dabei gilt: Zwischen diesen Verantwortungsbereichen darf nicht delegiert werden. Deshalb handelt auch jeder stets ausdrücklich im Auftrag des Unternehmens, nicht aber stellvertretend im Auftrag einer Führungskraft.

Kritiker warfen dem Modell Starrheit vor

Erstmals wurde in den 70er Jahren Kritik an dem Modell laut: V.a. dass Vorgesetzte Mitarbeiter anhand von festgeschriebenen Stellenbeschreibungen für den Verantwortungsbereich kontrollieren sollten, wurde als zu starr empfunden. In den 70-ern kamen, etwa aus St. Gallen viele neue Managementlehren auf, die das Harzburger Modell zunehmend alt aussehen ließen.

Als Todesstoß erwies sich schließlich ein Artikel, der 1978 im Spiegel erschien. Der Text entlarvte den im Jahr 2000 verstorbenen Höhn als Mitglied des Nazi-Geheimdienstes SD und Leiter des Berliner Instituts für Staatsforschung. Der Spiegel machte in Höhns Management-Schriften manche Idee ausfindig, die offenbar auf die preußische Militärtradition zurückging oder gar auf Führungsvorstellungen der SS. Daraufhin brachen die Umsätze der Akademie in sich zusammen, 1989 kam der Konkurs. Als Käufer fand sich die Cognos AG, die sich jedoch dagegen entschied, den Bereich Fernstudiengänge mit zu übernehmen. Dieser wurde zwischenzeitlich von einem Tochterunternehmen der IBM übernommen, ist seit 1999 aber wieder selbstständig - unter dem Namen AFW.

AFW im Abseits?

AFW war einst das Kürzel des Konkurrenten, der Akademie, Bad Harzburg. Heute legt die Weiterbildungseinrichtung, obgleich sie noch den Titel 'Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft' führt, Wert darauf, sich öffentlich vor allem unter dem verkürzten Namen 'Die Akademie' zu präsentieren. Dies in bewusster Abgrenzung zur AFW und auch zur Bad Harzburger Führungslehre. Von der nämlich habe sich die Akademie - so betont Akademie-Chef Pinnow - längst fortentwickelt.

Die AFW stellt sich heute als alleinige Nachfolgerin des Harzburger Modells dar. Was nun wieder eigentlich ein Unding sei, meint Pinnow. 'Von rechts wegen müsste dieser Titel der Akademie zustehen,' so der Institutsleiter. Statt zu prozessieren, lehnt sich Pinnow jedoch gelassen zurück: 'Uns kann es nur recht sein, wenn sich die AFW ins Abseits bringt.' Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, zeigt sich vermutlich im Sommer: Vom 30. August bis 1. September 2004 findet das erste neue Seminar zur alten Harzburger Führungslehre statt.
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