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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Sophie Dériaz im Interview mit Sarah von Hahn aus managerSeminare 327, Juni 2025
Sarah Hahn: Wir befinden uns aktuell in einer Welt, die geprägt ist von Transformation, Krisen und Veränderung. Sowohl in der Arbeitswelt als auch im privaten Umfeld ist es in dieser Dynamik eine Herausforderung, handlungsfähig zu bleiben. Hoffnung macht genau das: Sie bringt uns dazu, Wege und Strategien zu entwickeln, um ein erhofftes Ziel trotz Unsicherheit zu erreichen, lässt uns aber gleichzeitig auch potenzielle Risiken im Blick behalten. Hoffnung dient hier als wichtiger psychologischer Mechanismus, der uns antreibt und uns hilft, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Meine Forschung hat dabei gezeigt, dass Hoffnung besonders dann einen Einfluss auf unsere Handlungsentscheidungen und unser Verhalten hat, wenn wir mit großer Unsicherheit konfrontiert sind.
Hoffnung kann sowohl aktivierend als auch deaktivierend wirken. Als aktivierender Mechanismus bewirkt sie, dass wir bereit sind, uns anzustrengen, Verantwortung zu übernehmen und an unser eigenes Wirken zu glauben. Als deaktivierender Mechanismus führt sie dazu, dass wir zu eher passivem Verhalten verleitet werden, zur Zielerreichung weniger auf uns selbst setzen und die Verantwortung und Kontrolle mehr auf externe Faktoren übertragen. Wir verhalten uns dann abwartend und weniger aktiv. Ob Hoffnung aktiviert oder deaktiviert, hängt maßgeblich vom Grad der Unsicherheit ab, der mit einer Handlung verbunden ist. Meine Forschung zeigt hierbei, dass Hoffnung Menschen dazu bringt, gerade diejenigen Handlungsoptionen zu wählen, bei denen keine klaren Informationen über Erfolg oder Wirksamkeit vorliegen. In der Psychologie sprechen wir in solchen Fällen von Ambiguität. In der Regel sind Menschen eher ambiguitätsavers und meiden solche Situationen, doch genau hier setzt Hoffnung an: Sie kann unsere Toleranz gegenüber dieser Unsicherheit steigern und sogar zur treibenden Kraft werden, die uns dazu bewegt, die Handlungsoption mit der größten Ambiguität zu wählen. Denn wo keine Wahrscheinlichkeiten bekannt sind, entsteht Raum für Hoffnung – und damit für das Potenzial eines positiven Ausgangs.
Ich unterscheide zwischen drei Hoffnungsformen. Zunächst gibt es die internale Hoffnung, die eher der klassischen Ansicht von Hoffnung entspricht. Sie bezieht sich vor allem auf die hoffende Person selbst, die eigenen Fähigkeiten und die eigene Handlungskontrolle, das erhoffte Ziel erreichen zu können. Dazu kommen zwei verschiedene Arten der externalen Hoffnung, der Hoffnung auf Faktoren, die von uns selbst größtenteils unabhängig sind. Das ist zum einen die externale Hoffnung auf andere, bei der wir darauf hoffen, dass andere Personen uns dabei helfen, das Ziel zu erreichen. Das können einflussreiche Personen oder ein persönliches Netzwerk sein, Familie, Freunde, Kollegen oder Führungskräfte. Die zweite Form der externalen Hoffnung ist die Hoffnung auf Zufall, Schicksal oder Glück. Das ist der Aspekt der Hoffnung, den viele im spirituellen oder religiösen Sinne unter dem Begriff Hoffnung verstehen: dass externale Kräfte oder Instanzen auf die Erreichung meines Ziels einwirken.
Die Grundannahme ist, dass jeder Mensch zu einer bestimmten Hoffnungsdimension tendiert, also eine internale oder externale Grundausprägung hat. Diese Grundausprägung kann sich allerdings über die Zeit hinweg erfahrungs- oder situationsbasiert verändern. So hilft mir zum Beispiel internale Hoffnung auf meine eigenen Fähigkeiten nicht in einer Situation, in der ich selbst nicht handlungsfähig bin.
Personen mit ausgeprägter internaler Hoffnung haben grundsätzlich ausgeprägtere Karriereambitionen. Sprich, die Hoffnung auf sich selbst geht mit einer stärkeren Motivation einher in Bezug auf die Ziele, die man sich im Job setzt. Geht man eine Ebene tiefer, zeigen sich auch Tendenzen der einzelnen Dimensionen zu bestimmten Jobsettings und beruflichen Motiven. So haben etwa Personen mit einer ausgeprägten internalen Hoffnung eher ein Streben nach Autonomie, Expertenrollen, Führungsverantwortung und herausfordernden Tätigkeiten. Diese Personen muss man entsprechend fördern und fordern, etwa durch gezielte Kompetenzentwicklung, durch Lern- und Entwicklungspfade sowie die Übertragung von Verantwortung. Bei Personen mit stärker ausgeprägter externalen Hoffnung zeigt sich hingegen ein Streben nach sozialer Interaktion und kollektivem Arbeiten. Dieser Typ blüht auf, wenn man ihm diese Rahmenbedingungen bietet, etwa durch die Einbindung in ein Team, den Aufbau eines beruflichen Netzwerks und die Möglichkeit zum Austausch. Der dritte Hoffnungstyp, die externale Hoffnung auf Zufall, Schicksal und Glück, geht mit dem Streben nach Kreativität und Unternehmertum einher und findet sich bei Personen, die sich selbstständig machen oder Start-Ups gründen. Das ergibt auch Sinn, denn ob ein Start-Up Erfolg hat oder eine Investition sich lohnt, kann weder das Umfeld noch man selbst immer ganz steuern.
Personen, die eine ausgeprägte internale Hoffnung haben, wechseln bei Unzufriedenheit eher den Job. Andersherum bleiben Personen mit ausgeprägter externaler Hoffnung auf andere eher in ihrem Job, obwohl sie unzufrieden sind. Das kann man seitens des Unternehmens natürlich zunächst positiv sehen, aber unter Umständen hält man so unglückliche Mitarbeitende, deren Unzufriedenheit sich auf die gesamte Teamdynamik auswirkt.
Bei internal hoffenden Mitarbeitenden ist es entscheidend, ihnen Entwicklungsperspektiven zu bieten. Es geht darum, ihre individuellen Ziele und Ambitionen zu verstehen, gezielt Kompetenzen zu fördern und ihnen neue Herausforderungen zu eröffnen. Das kann durch Projektverantwortung, einen internen Rollenwechsel oder gezielte Weiterbildungen geschehen. Bei external hoffenden Mitarbeitenden hingegen ist die emotionale Einbindung ins Team der Schlüssel. Vor allem eine vertrauensvolle Beziehung zur Führungskraft kann hier stabilisierend wirken. Wenn Führungskräfte eine Mentorenrolle einnehmen, aktiv Rückhalt geben und signalisieren: „Du bist nicht allein, du hast Unterstützung im Team, ich binde dich mit ein“, kann das diese Unzufriedenheit wirksam abfedern.
Meine Forschung zeigt, dass Hoffnung als grundlegender Mechanismus wirkt, der – vor allem unter Unsicherheit – Verhalten und Entscheidungen antreibt. Für das Personalmanagement bedeutet das: Mitarbeitenden Handlungsperspektiven eröffnen, selbst wenn die Zukunft unklar ist. Führungskräfte befähigen, nicht nur Sicherheit zu vermitteln, sondern auch mit Ambiguität tolerant und produktiv umzugehen. Und Strukturen schaffen, in denen unterschiedliche Hoffnungstypen gezielt unterstützt werden, sei es durch Entwicklungsmöglichkeiten, Netzwerke oder Handlungsspielräume. Hoffnung allein löst keine Probleme – aber sie treibt Verhalten an. Und genau das ist in unsicheren Zeiten der entscheidende Unterschied.