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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Politisches Possenspiel

'Wenn es in Deutschland bei allen Gesetzgebungsverfahren so zugeht, dann kann einem wirklich Angst und Bange werden!' - Mit diesem Stoßseufzer kommentiert Arbeitsrechtler Henning Wüst aus Obrigheim das Possenstück, das sich Ende Juni 2006 vor der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) durch den Bundestag am 29. Juni 2006 abspielte.

Die Union habe - so ertönten offizielle Verlautbarungen - maßgebliche Änderungen am immer noch umstrittenen Gesetzentwurf der Großen Koalition durchgedrückt. Doch mit den Änderungen, die der Wirtschaft angeblich ein schweres Kreuz vom Rücken nehmen, ist es nicht weit her. Das jedenfalls stellt Juraprofessor Dr. Gregor Thüsing, Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit an der Universität Bonn, fest. So betonten die AGG-Gegner beispielsweise, das im Entwurf vorgesehene Recht von Betriebsräten und Gewerkschaften, Individualrechte von einzelnen Arbeitnehmern vor Gericht einzuklagen, getilgt zu haben. Kleiner Schönheitsfehler: Solch ein Recht war im AGG-Entwurf nie vorgesehen. Schon dort wurde ausdrücklich auf die im Betriebsverfassungsgesetz festgelegten Regeln verwiesen - und nach denen kann kein Betriebsrat individuelle Rechte einklagen.

'Das Einzige, was wirklich geändert worden ist, ist, dass Unterlassungsansprüche nicht auch dort von Gewerkschaften geltend gemacht werden können, wo es gar keinen Betriebsrat gibt, wo also das Betriebsverfassungsgesetz nicht gilt', erläutert Arbeitsrechtsexperte Thüsing und urteilt: 'Eine Marginalie.' Ähnlich marginal: Der Zeitraum, in dem eine Benachteiligung vom Betroffenen geltend gemacht werden muss, ist von drei auf zwei Monate zusammengeschrumpft. Deutlich einschneidender dagegen: Der gesamte Bereich des Kündigungsschutzes ist völlig aus dem Gesetz herausgefallen.

Das aber wird Folgen haben und keinesfalls so bleiben, ist Thüsing sicher: 'Nach der europäischen Vorlage muss dieser Bereich berücksichtigt werden.' Und weil dies nun nicht der Fall ist, stehen Deutschland Klagen des Europäischen Gerichtshofes ins Haus. Das AGG - eine unendliche Geschichte, die offenbar gerade erst ihren Anfang genommen hat.
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