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Beitrag von Sarah Luckat aus Training aktuell 10/24, Oktober 2024
In Teams eine wackelige Holzplatte in Balance halten, während Figuren auf dieser entweder angehoben oder platziert werden – das ist das grundlegende Spielprinzip des Trainingsspiels „SysTeam“. Einen Gewinner im klassischen Stil gibt es dabei nicht. Ziel ist es, dass die Teilnehmenden sowohl innerhalb ihrer eigenen Gruppe als auch teamübergreifend zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dies kann beispielsweise das vollständige Leerräumen oder das Platzieren von Figuren an einer bestimmten Stelle der Platte sein. „SysTeam“ fördert laut Anbieter insbesondere die Teamfähigkeit und präzise Kommunikation, aber auch Führungs-, Verkaufs- und Projektmanagementskills. Für Trainerinnen bietet „SysTeam“ eine flexible Möglichkeit, Lerninhalte handlungsorientiert zu vermitteln. Das Tool kann in unterschiedlichen Trainingskontexten eingesetzt werden, da es eine kreative Inszenierung ermöglicht und die aktive Teilnahme der Gruppenmitglieder fördert.
Das Tool ist per Post bei mir eingetroffen, und der Zusteller hatte einiges zu tun, um es bis zu meiner Wohnung im Dachgeschoss zu bringen: Das massive, große Tool wiegt cirka acht Kilo, ist zwar schmal, aber dennoch sperrig. Die Tasche hat einen Schultergurt, der leider nicht längenverstellbar ist, was das Tragen sehr unhandlich macht. Zu wissen, dass ich per Zug zum Training anreisen werde, schmälert zunächst meine Vorfreude auf den Test des Spiels, was sich aber beim Blick in die Tasche schnell ändert: Der Inhalt ist vielversprechend und lässt mir schnell viele Szenarien in den Kopf schießen, in denen ich das Tool einsetzen kann. Zum Lieferumfang gehören eine bewegliche Platte (Birke/Kork), ein Sockel (Buche/Edelstahl), 16 Figuren (Buche), drei Augenbinden und eine ausführliche Anleitung. Die Materialien wirken hochwertig, und der haptische Eindruck zeugt von Qualität. Die beiliegende Anleitung ist umfangreich und gibt Hinweise auf verschiedene Szenarien und Teilnehmerzahlen. Durch die ebenfalls mitgelieferten beispielhaften Reflexionsfragen werden direkt Anregungen für die Nachbereitung des Spiels gegeben.
Ich teste das Trainingstool mit einer Gruppe von Studierenden im Seminarraum. Bevor es losgeht, räumen wir alle Tische beiseite. Dann hole ich die Materialien aus der Tasche und baue sie nach Anleitung auf, was simpel ist und insgesamt nur wenige Minuten dauert. Das aufgebaute Spiel spricht die Teilnehmenden optisch sofort an, und sie wollen direkt die Figuren hochheben. Es scheint faszinierend, wie die Figuren auf der Platte stehen und diese in Balance bleibt. Daher schaffe ich es nicht, die Instruktionen vollständig zu geben, bevor eine Teilnehmerin eine Figur gegriffen und die Platte zu Fall gebracht hat. Ein kurzer Schreck fährt durch die Gruppe, alle verstehen, wie „wackelig die Angelegenheit ist“ und schauen gebannt zu, wie die Figuren erneut ihre Plätze auf der Platte finden.
Nun können wir starten: Insgesamt nehmen zehn Personen teil, sodass wir die Variante mit drei Dreierteams und einem Beobachter spielen. (Varianten mit zwei bis vier Zweierteams sind auch möglich.) Wir entscheiden uns für das Ziel, die Holzplatte komplett leer zu räumen und wählen aus jedem Team eine Person aus, der die Augen verbunden werden: Sie sind die „Greifer“, die die Figuren auf dem Brett bewegen. Alle anderen Personen in den Teams sind die „Sprecher“, die den „Greifern“ verbale Anweisungen geben, wie die Figuren genau zu bewegen sind, wobei Berührungen nicht erlaubt sind. Die drei Teams sind abwechselnd am Zug und agieren eigenständig, arbeiten aber dennoch als gesamte Gruppe zusammen: Gemeinsam muss die Aufgabe gelöst werden, um das Ziel – eine leere Holzplatte – zu erreichen.
Das erste Team tastet sich langsam heran und wählt eine Figur, die mittig steht und leicht anzuheben ist. Das zweite Team wählt ebenfalls eine Figur aus dem Zentrum und hebt sie an. Das folgende dritte Team stellt nun bereits fest, dass es eine gemeinsame Überlegung aller Teams braucht, welche Figuren nacheinander angehoben werden können, damit das Gesamtziel, die Platte komplett leer zu räumen, erreicht werden kann. Besonders spannend zu beobachten ist die Unklarheit darüber, wer Verlierer und wer Gewinner des Spiels sein kann. Die Gruppe tut sich schwer mit der Vorstellung, dass entweder alle gewinnen und die Aufgabe lösen oder alle gemeinsam an der Aufgabe scheitern. Kein Team möchte das Team sein, bei dem die Platte fällt, alle versuchen, das Risiko für das eigene Teilteam gering zu halten. Doch schon beim Anheben der siebten Figur siegt die Schwerkraft und sowohl Figuren als auch Platte fallen zu Boden. Ernüchterung macht sich in den Teams breit. Alle Teilnehmenden, die sich die Augen verbunden haben, bestehen sofort darauf, in der nächsten Runde nicht mehr Greifer zu sein, sondern die Rolle des Sprechers einzunehmen.
Genau das machen wir in der zweiten Durchführungsrunde, und die Erfahrungen aus der ersten Runde zahlen sich aus. Dennoch greift der Gedanke des Gesamtteams nicht, und man konzentriert sich immer noch auf das eigene Teilteam, anstatt an die nächsten Züge zu denken. Platte und Figuren fallen wieder zu Boden, wenn auch einige Züge später, aber das Ziel wird wieder nicht erreicht. Die Gruppe ist demotiviert, möchte keinen weiteren Versuch wagen, und wir beginnen mit der Reflexion.
Neben einem gewissen Nervenkitzel und der Auflockerung des Trainingstages hat die Gruppe vom Einsatz des Trainingstools profitiert. Alle ließen sich auf das Tool ein und entwickelten im Spielverlauf Mut zum Umdenken und Ausprobieren. Auch wenn der Erfolg ausblieb, war der Erkenntnisgewinn durch die Reflexion sehr groß: Teamübergreifende Zusammenarbeit ist entlang fast aller Prozessketten notwendig – das wurde den Teilnehmenden bewusst. Wir fanden viele Beispiele, die sich auf den Arbeitsalltag übertragen lassen und kamen in einen guten Diskurs, der alle Teilnehmenden dazu anregte, die eigene Rolle und das eigene Verhalten zu hinterfragen und zu überdenken. Im Anschluss daran beschäftigten wir uns noch einmal mit der Definition eines Teams und diskutierten die verschiedenen Rollen innerhalb eines Teams.
Das Spiel ist aus meiner Sicht für viele Teamsituationen und Kontexte einsetzbar und bietet ausreichend Spielvariationen. Zudem ist es leicht auf den Unternehmensalltag übertragbar und spricht vom Projektteam über Vertriebs- bis hin zu Führungsteams alle an. Die Teilnehmenden verbessern schnell die Kommunikation untereinander, verstehen die Bedürfnisse der anderen Teammitglieder besser und werden sensibler im Umgang mit Risiken. Die Reflexionsfragen können passgenau ausgewählt und auf Basis der Beobachtungen im Spielverlauf angereichert werden.
Schwieriger Transport des Tools bei Anreise mit der Bahn, dafür umso vielfältiger im Einsatz. Spaß für Teams, die gleichzeitig in eine intensive Auseinandersetzung miteinander gehen und teamübergreifende Barrieren abbauen lernen. Toller Fokus darauf, das gemeinsame Ziel zu erreichen.
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