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Iris Berben auf der GSA Convention 2022

„Wir müssen uns wieder mehr zuhören.“

Für ihre Redebeiträge, in denen sie sich für ein weltoffenes Deutschland und gegen jede Form von Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus ausspricht, wurde Iris Berben Anfang September von der German Speakers Association mit dem Deutschen Rednerpreis 2022 ausgezeichnet. Im Interview spricht die Schauspielerin und Synchronsprecherin über die Kunst des Redens, die Macht der Worte und die kommunikativen Herausforderungen unserer Zeit.

Sie wurden mit dem Deutschen Rednerpreis ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Iris Berben: Ich habe mich natürlich gefreut, aber ich war auch erstaunt, dass ich ausgewählt wurde, als ich mir das Umfeld und die vorigen Preisträger angeschaut habe. Das sind für mich alles sehr professionelle Redner und Rednerinnen – ich hingegen bin in meinem Leben nicht unbedingt durch viele Reden aufgefallen. Dann habe ich allerdings in den Statuten gelesen, dass es auch darum geht, was man mit Reden erreichen kann, und dass man nicht unbedingt ein geschulter Redner bzw. eine geschulte Rednerin sein muss.

Also fühlen Sie sich nicht als Rednerin?

Verglichen mit denen, die das professionell machen, sicherlich nicht. Aber wenn man, wie ich, über 50 Jahre in der Film- und Fernsehbranche tätig war und auch einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat, erkennt man irgendwann, dass das, was man sagt, wahrgenommen wird – und Wirkung erzielt.

Was macht für Sie eine gute Rede aus?

Eine Rede ist für mich gut, wenn ich sie verstehe, wenn ich mich angesprochen fühle, wenn sie etwas in mir erweckt. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an die Rede eines israelischen Professors, der vor über 20 Jahren – ich bekam damals eine Auszeichnung von der Hebräischen Universität – etwas auf Englisch über Hirnforschung erzählte. Ich habe diesem Mann 20 Minuten lang fasziniert zugehört – trotz der komplizierten Thematik. Er hat sie erklärt wie Rock 'n' Roll und mich geweckt für sein Thema. Seitdem weiß ich, was Reden bedeuten kann.

Wann ist Ihnen bewusst geworden, dass Sie Reden und Ihre Öffentlichkeit nutzen möchten, um soziale und gesellschaftliche Themen anzusprechen?

Das ist viele Jahre her, und ich kann Ihnen nicht mehr genau sagen, wann es war. Ich weiß nur noch, dass ich auf einer großen politischen Demonstration in Berlin gegen rechte Gewalt und Antisemitismus mitmarschiert bin. Über 500.000 Menschen nahmen daran teil, die gesamte politische Riege war auch dabei. Und am Brandenburger Tor schob mich plötzlich jemand auf die Bühne und meinte: „Sag was dazu, Iris.“ Ich stand dort und wusste nicht, wie. Ich war im Vorfeld nicht gefragt worden, ich hatte nichts vorbereitet – konnte aber auch keinen Rückzieher machen. Und da habe ich frei ein paar Sätze gesagt, die mich einfach emotional in diesem Moment beschäftigt haben. Das war ein kurzer Auftritt, aber die Resonanz der Leute im Nachhinein hat mich bestärkt bzw. mir erst gezeigt, was es bedeutet, wenn dir Leute zuhören.

Wie ist es als Schauspielerin in Film und Fernsehen – wo dieser Resonanzkörper Publikum fehlt?

In Film und Fernsehen ist es natürlich anders als z.B. im Theater, wo du spürst, ob ein Publikum schnell bei dir ist, oder ob es abwartet oder gelangweilt ist. Das ist dann etwas, was in deinem Kopf passiert – indem du es auf eine andere Ebene hebst. Du sagst etwas mit der gleichen Überzeugung wie vor Publikum, auch wenn niemand da ist. Und es geschieht natürlich auch in der Intensität des Spiels mit deinen Partnern und Partnerinnen.

Wie schafft man es, dass das im Kopf passiert – etwa, wenn man in einer Videokonferenz vor der Linse seiner PC-Kamera sitzt?

Das ist wirklich etwas, was man trainieren muss. Man muss sich die Kamera als Person denken. Dann bekommt man eine Nähe dazu. Also ich persönlich liebe die Kameras. Für mich sind das meine Komplizen. Aber das hat mit meinem Beruf zu tun. Jemand, der diesen Bezug nicht hat, muss sich die Kamera als Menschen vorstellen und sich sagen: „Ich spreche dich an.“ Das hilft, eine Kamera nicht als ein totes Objekt zu sehen, sondern es mit Leben zu füllen – und seine Botschaften zu überbringen.

Welche Botschaften liegen Ihnen besonders am Herzen?

Seit über 40 Jahren ist es die Botschaft, gegen jede Form von Ausgrenzung und Angst anzugehen. Das Fremde, das Andere, das Unbekannte ist nicht immer eine Gefahr, sondern es ist wert, sich darauf einzulassen. Und es liegt mir auch am Herzen, Menschen aufzufordern, mitzugestalten. Wir haben diese wunderbare Demokratie – von der ich nie gedacht hätte, dass wir sie noch einmal schützen müssten. Wie viele Länder gibt es, in denen Menschen kein Sprachrecht haben, keine Forderungen stellen können? Wir haben diese Möglichkeit, aber das bedeutet auch, dass wir uns einbringen müssen. Also: Geht wählen. Passt auf, wer euch vertritt. Versucht, euer Leben angstfrei zu leben. Das sind Botschaften, die ich immer wieder einstreue.

Viele nutzen die Social Media, um ihre Botschaften kundzutun. Sie sind in keinem einzigen sozialen Netzwerk. Was ist der Grund dafür?

Wenn ich meine Karriere heute starten würde, müsste ich mit den sozialen Medien arbeiten. Das ist mir bewusst. Aber es war mir immer wichtig, mein Privatleben zu schützen. Meine Filme sind öffentlich, meine Pressekonferenzen zu den Filmen sind öffentlich, meine politischen Arbeiten sind öffentlich. Ich möchte nicht alles teilen, und das, was mir wichtig ist, teile ich z.B. in Interviews wie diesem hier. Ich möchte das selber unter Kontrolle haben, in welchen Medien ich was teile.

Wenn man sich öffentlich äußert, dann erntet man ja nicht nur Beifall, sondern auch Kritik. Wie gehen Sie damit um?

Es gibt Zeiten, da gehe ich souverän damit um. Und es gibt Zeiten, da läuft auch schon mal die eine oder andere Träne. Gerade in der heutigen Zeit, in der man sich hinter Anonymität verstecken kann, ist es für manche Menschen leichter, auszuteilen. Natürlich muss ich Kritik ertragen, und natürlich möchte ich mit Kritik konstruktiv umgehen. Aber ich möchte ein Gegenüber haben, mit dem ich etwas ausdiskutieren kann. Ich erinnere mich noch gut an einen Themenabend in einem Theater. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen habe ich vor Publikum Hassbriefe vorgelesen, die hochkarätige Politiker und Politikerinnen bekommen hatten. Viele der Zuschauenden bekamen da zum ersten Mal mit, was es bedeutet, in der Öffentlichkeit zu stehen, und was man da so alles aushalten muss. Und in Zeiten von Social Media ist das noch einmal schlimmer geworden. Ich bin keine Gegnerin der Social Media – im Gegenteil: Es ist toll, dass es sie gibt. Aber wir sollten behutsam mit ihnen umgehen und hinterfragen, mit welcher Leichtigkeit wir manche Dinge posten und weiter verteilen – oder für welche unbefriedigenden Zwecke manche Menschen sie nutzen.

Was sollte sich Ihrer Meinung nach im Hinblick auf die Kommunikationskultur ändern?

Wir sollten überhaupt wieder eine Kommunikationskultur pflegen, wieder miteinander reden, uns zusammensetzen, uns gegenseitig zuhören – und es auch aushalten, wenn jemand etwas sagt. Wir lassen Menschen ja kaum noch ausreden oder eine andere Meinung haben. Vielleicht könnte man Kommunikation auch als Unterrichtsfach in Schulen einführen, in dem man lernt, miteinander zu reden, anderen zuzuhören, Argumente auszutauschen. Ich glaube, da ist viel Luft und viel Platz nach oben und, dass wir das als Gesellschaft auch ein Stück weit einfordern müssen, uns gegenseitig wieder mehr zuzuhören.

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