Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Routinebruch durch Seitenwechsel

Martin Wehrle stellt eine Übung vor, mit der das Gegenüber dabei unterstützt werden kann, aus überholten Routinen auszubrechen oder diese upzudaten.

Wenn eine Person einen Job lange macht, verfällt sie leicht in den Halbschlaf der Routine. Dann tut sie, was sie immer schon getan hat, weil sie es immer schon getan hat. Mit einer einfachen Übung aus dem Coaching lässt sich frischer Wind in eingefahrenes Denken pusten. Ich nenne sie „Seitenwechsel“.

Angenommen einer Führungskraft fällt auf, dass bei einem Prozess, den ein Mitarbeiter seit Jahren auf eine bestimmte Weise durchführt, eine Umstellung angezeigt sein könnte. Zwar hat sich das Vorgehen lange bewährt, doch wirklich effektiv und effizient scheint es mittlerweile nicht mehr zu sein. Wie kann sie den Mitarbeiter dazu bringen, das Bewährte infrage zu stellen? Ihn dazu zu drängen, ist eine schlechte Idee, denn damit würde sie seine Eigeninitiative töten. Fremde Ideen werden oft so halbherzig ausgeführt, dass sie eben an dieser Halbherzigkeit scheitern.

Besser ist es, wenn der Mitarbeiter aus eigener Einsicht handelt – und genau darauf zielt die Seitenwechsel-Übung ab. In diesem Fall sähe das etwa so aus: Zunächst bittet die Führungskraft den Mitarbeiter, Argumente zu suchen, warum der Prozess genauso ablaufen muss, wie es jetzt der Fall ist. Dafür hat er fünf Minuten Zeit. Im Anschluss darf er eine Art Plädoyer halten, warum alles genauso wie bislang ablaufen muss. Viele Personen kommen dabei erfahrungsgemäß richtig in Fahrt.

Dann folgt der zweite Teil der Übung, der sich ungefähr so einleiten ließe: „Ich möchte dich einladen, die Sache einmal von der anderen Seite zu betrachten. Es ist ein spielerischer Ansatz, vielleicht kommen wir dabei auf neue Gedanken. Also: Stell dir vor, du wärest ein Unternehmensberater, der genau diesen Prozess für überholt hält. Und jetzt argumentiert dieser Berater, warum der Prozess nicht mehr zeitgemäß ist und was wir stattdessen tun könnten. Lass deiner Fantasie freien Lauf, deine Argumente müssen nicht deine Meinung spiegeln. Es geht nur darum, ein paar Ideensplitter zu sammeln.“

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Durch diese Einleitung hat die Führungskraft den Druck vom Mitarbeiter genommen, seine bisherige Vorgehensweise ernsthaft torpedieren zu müssen. Vielmehr kann dieser das Gedankenexperiment mit spielerischer Freude betreiben. Dazu bekommt er wieder fünf Minuten Vorbereitungszeit, bevor er sein Plädoyer hält. Bei diesem darf und sollte übrigens nachgehakt werden, aber bitte „rollenkonform“. „Was geht dir als Unternehmensberater dazu noch so durch den Kopf?“ Die Erfahrung zeigt: wahrscheinlich einiges. Derselbe Mensch, der den Prozess gerade noch zum Maß aller Dinge erklärt hat, wird zumindest ein paar Gedanken vorbringen, die neue Türen öffnen. Weil er seine Perspektive radikal gewechselt hat.

Wenn das Gegenüber beide Standpunkte vorgetragen hat, lautet die Leitfrage für die Anschlussdiskussion: Welche Argumente der jeweiligen Positionen sind die hilfreichsten? Oft gelingen die nachhaltigsten Verbesserungen durch Symbiose. Das Bewährte muss nicht komplett über Bord geworfen werden, vieles davon ist erhaltenswert. Und das Neue muss das Alte nicht radikal ersetzen, aber kann es doch ergänzen und erfrischen.

Probieren Sie diese Methode aus – gern auch an sich selbst, wenn Sie eine Sache schon sehr lange auf eine bestimmte Weise tun oder sehen. Der Seitenwechsel kann Ihnen die Augen für neue Möglichkeiten öffnen, von denen Sie bislang vielleicht noch nicht einmal etwas ahnen.

Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die Coaching-Schatzkiste“. Kontakt: www.karriereberater-akademie.de

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