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Übersicht AnsprechpartnerBeitrag von Martin Wehrle aus managerSeminare 328, Juli 2025
Stell dir vor, eine deiner Mitarbeiterinnen wirft im Jahresgespräch folgende Frage auf: „Wie schaffe ich es, im nächsten Jahr endlich eine Projektleitung zu bekommen? Bisher ist das immer an mir vorbeigelaufen. Dabei will ich schon seit Jahren mehr Verantwortung übernehmen, aber irgendwie klappt es nicht.“ Wie lässt sich damit umgehen?
Die erste Möglichkeit besteht darin, auf die Wie-Frage einzugehen. Dann könnte man zum Beispiel besprechen, was die Mitarbeiterin tun kann, um mehr Sichtbarkeit zu erlangen, ihren Führungsanspruch klarer zu kommunizieren oder mehr Initiativgeist zu zeigen. So ließe sich eine Lösung finden – wahrscheinlich aber nur eine oberflächliche. Denn aus zahllosen Coachings weiß ich: Fast immer, wenn Menschen eine „Wie“-Frage seit längerer Zeit nicht lösen können, steht eine tiefergehende „Ob“-Frage dahinter. Das können wir auch im Alltag beobachten. Wer sich zum Beispiel seit einem halben Jahr fragt, wie er sich morgens zum Joggen aufraffen kann, kennt in Wirklichkeit den Weg: Wecker stellen, aufstehen, Joggingkleidung anziehen – und raus. Aber wenn er das seit einem halben Jahr nicht tut, zieht er offenbar das Bett der Joggingstrecke vor. Wie-Fragen sind sinnlos, solange das Ob nicht geklärt ist.
Zurück zu besagter Mitarbeiterin. Seit Jahren „will“ sie mehr Verantwortung übernehmen. Will sie das tatsächlich? Und wenn ja, warum hat sie es noch nicht getan? Wer genau hat sie davon abgehalten? War es am Ende sie selbst? Kann es also sein, dass sie in Wirklichkeit den jetzigen Zustand – keine Verantwortung für Projekte – unbewusst einer Projektleitung vorzieht?
Wenn jemand ein Ziel seit längerer Zeit vergeblich verfolgt, frage ich im Coaching immer: „Was genau hat Sie selbst bislang davon abgehalten, Ihr Ziel zu erreichen?“ Manchmal werden äußere Umstände genannt, zum Beispiel liegt es angeblich an den Kollegen. Dann frage ich nach: „Sie sind also sicher, dass Sie es niemals hätten erreichen können, auch wenn Sie es aus ganzem Herzen gewollt und alles dafür getan hätten?“ In vielen Fällen bringt genau diese Frage innere Blockaden ans Licht. Im Beispielsfall könnte die Mitarbeiterin etwa antworten: „Nun ja, vielleicht bin ich noch etwas unsicher, ob ich große Projekte überhaupt schaffe. Und wenn ich mich nach vorne dränge, lastet umso mehr Druck auf mir.“
Wichtig ist, sich nicht mit der ersten Antwort zufriedenzugeben, sondern nachzuhaken, etwa so: „Was könnte dich daran hindern, aus voller Überzeugung nach Projekten zu greifen?“ Nun könnte die Mitarbeiterin zum Beispiel auf ein Teammitglied verweisen, das schwer zu führen sei. Wenn keine (neuen) Antworten mehr kommen – also alle möglichen Blockaden aufgedeckt sind – besteht der nächste Schritt darin, mit dem Gegenüber durchzugehen, was genau es tun kann, um diese Blockaden zu beseitigen und mit mehr Überzeugung sein Ziel zu verfolgen. In den meisten Fällen wird die Ob-Ampel von Gelb auf Grün umspringen. Und jetzt – erst jetzt – ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um über das Wie zu sprechen. Dabei wirst du merken: Wege finden sich fast von alleine, wenn sie jemand wirklich gehen will.
Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die 50 kreativsten Coaching-Ideen“. Kontakt: karriereberater-akademie.de
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