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Übersicht AnsprechpartnerGeschlechterquoten können das Risiko für sogenannte „Glass Cliff“-Szenarien verringern. Das ist das Kernergebnis einer aktuellen Studie eines Forschungsteams um Meir Shemla, Professor für Organizational Behavior and Human Resource Management an der EBS Business School. Der Begriff „Glass Cliff“ – ursprünglich im Jahr 2005 von den britischen Professoren Michelle K. Ryan und Alexander Haslam von der University of Exeter geprägt – beschreibt ein Phänomen, demzufolge Frauen häufig in Führungspositionen aufsteigen, wenn eine Organisation Abschwung- oder Krisenzeiten durchlebt, ergo: die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns sehr groß ist.
Phase 1 (vor Ankündigung einer Quote, entspricht dem Zustand eines Unternehmens in Zeiten ohne Quotenforderung) – hohes Risiko für „Glass Cliff“-Szenarien: Frauen wurden häufiger in Führungspositionen berufen, wenn die Unternehmensleistung zuvor gesunken war. Der Grund: In der Öffentlichkeit wird die Beförderung von Frauen in Führungspositionen oft als Symbol für Wandel und Kurskorrektur wahrgenommen. Die Ernennungen konnten somit auf interne Entscheidungen und nicht auf externen Druck zurückgeführt werden.
Phase 2 (zwischen Ankündigung und Durchsetzung der Quote) – niedriges Risiko für „Glass Cliff“-Szenarien: In dieser Phase wurden Frauen unabhängig von der Unternehmensleistung in Führungspositionen berufen. Der Grund: Frauen in Führungspositionen signalisierten in diesem Fall keinen Change, sondern wurden verstärkt als Reaktion auf äußeren Druck (Quoten) wahrgenommen.
Phase 3 (nach Einführung der Quote) – hohes Risiko für „Glass Cliff“-Szenarien: Ähnlich wie in Phase eins wurden Frauen wieder häufiger zu Führungskräften ernannt, wenn die Leistungen eines Unternehmens sank. Der Grund: Durch die Umsetzung der Quote hatten die Unternehmen wieder mehr Autonomie in ihren Entscheidungen. Die Beförderung von Frauen war nun – da das Soll erfüllt war – wieder Ausdruck des Wandels und nicht der Quotenbeugung.
Bei der Untersuchung, die sich auf 258 Aufsichtsratberufungen in deutschen Unternehmen zwischen 2003 und 2020 sowie auf die Ergebnisse eines begleitenden Experiments mit 476 Teilnehmenden stützt, machten die Forschenden nun eine überraschende Entdeckung hinsichtlich des Phänomens „Glass Cliff“ in Bezug auf Quotenregelungen (s. auch Kasten): Frauen wurden – in Unternehmen, die Krisenzeiten durchlebten – vor allem vor der Einführung verbindlicher Quoten sowie nach deren vollständiger Durchsetzung auf Top-Positionen berufen (Phase eins und Phase drei). Während der Übergangsphase (Phase zwei) – sprich: in einer Phase, in der Quoten angekündigt, aber noch nicht durchgesetzt waren – schwächte sich dieser Zusammenhang deutlich ab. Die Erklärung der Forschenden für dieses Phänomen: Frauenberufungen werden in Krisenzeiten oftmals als Signal für den Wandel wahrgenommen – insbesondere, wenn keine externen Faktoren wie Quotenregelungen den Eindruck vermitteln, dass die Berufung eher gesetzliche Anforderungen als strategische Überlegungen widerspiegelt.
Demnach ist das Risiko für Frauen, von Unternehmen während einer Krisenzeit in eine Top-Position berufen zu werden und somit an den Rand einer „Glass Cliff“ zu geraten, in Phase zwei am geringsten. Quoten können somit den positiven Effekt haben, das „Glass Cliff“-Risiko für Frauen – zumindest in einer von drei Phasen – zu verringern. Die Forschenden empfehlen jedoch, diesen positiven Effekt von Quoten durch zusätzliche Maßnahmen wie die systematische Analyse von Berufungsbedingungen zu stärken. Dies könne langfristig helfen, Frauen vor belastenden und potenziell risikoreichen Positionen zu bewahren.
Die gesamten Studienergebnisse können hier nachgelesen werden: msmagazin.info/324GlassCliff
Beitrag von Sarah Lambers aus managerSeminare 324, März 2025