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Mario Gust: 'Personalentwickler sind päpstlicher als der Papst'

Keine Frage: Am Bildungscontrolling führt kein Weg mehr vorbei. Wie sehr die Personalentwickler die Frage nach der Quantifizierung des Trainingsnutzens beschäftigt, zeigte kürzlich der 2. Deutsche Fachkongress für Bildungscontrolling: Fast doppelt so viele Teilnehmer wie im Vorjahr wollten sich zum Thema informieren. Über den aktuellen Stand im Bildungscontrolling sprach Training aktuell mit Kongressleiter Mario Gust.

Herr Gust, das Interesse am Bildungscontrolling ist heute sicher in vielen Unternehmen vorhanden. Doch warum tun sich Personalentwickler so schwer, Bildungscontrolling tatsächlich auch durchzuführen?

Mario Gust: Das hat methodische Gründe. In der Vergangenheit mangelte es an standardisierten Instrumenten, die sich zum Controlling eines Sprachentrainings genauso einsetzen lassen wie nach einem IT-Training oder einem Führungskräfteseminar. Die wenigen Hochschulen, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind meist hochgradig spezialisiert. In Promotionsarbeiten wurden da Instrumente entwickelt, die ganz speziell auf eine individuelle Fragestellung zugeschnitten sind. Damit aber können die Praktiker kaum etwas anfangen.

Sie plädieren also für einfache Instrumente?

Gust: Ja, und inzwischen gibt es die auch. Sie wurden von einem sehr praxisorientiert forschenden, unabhängigen Universitätsinstitut erstellt. Ich spreche von einfachen, praktikablen, evaluierten Fragebögen, die in jedem Kontext einsetzbar sind und mit denen man eben nicht nur die Zufriedenheit des Seminarteilnehmers abfragen kann. Mit den Bögen kann man jetzt auch den Lernerfolg und den Praxistransfer überprüfen und schließlich ermitteln, inwieweit eine Maßnahme zum Unternehmenserfolg beigetragen hat. Um das dann noch in Euro und Cent ausrechnen zu können - selbst dafür gibt es schon Formeln. Und für all das muss man als Personalentwickler keine komplizierten Statistiken beherrschen. Man muss nur die Aussagen der Seminarteilnehmer interpretieren können.

Wenn es, wie Sie sagen, die Instrumente inzwischen gibt - wo ist dann das Problem?
Gust: Die Instrumente sind in der Praxis noch nicht angekommen. Es gilt jetzt also, die Tools bei den Personalentwicklern bekannt zu machen. In der von mir gegründeten Arbeitsgemeinschaft Bildungscontrolling überlegen wir daher, eine entsprechende Fortbildung durchzuführen.

Das heißt, es geht jetzt darum, Informationslücken zu schließen?

Gust: Das ist das eine. Das andere ist: Personalentwickler müssen sich trauen, mit den Tools zu arbeiten. Zurzeit aber haben sie noch einen Heidenrespekt davor. Wenn es z.B. darum geht, mit Zukunftsannahmen zu arbeiten, also etwa Aussagen darüber zu machen, wiel lange ein Mitarbeiter in der Firma verweilen wird und welchen Effekt im Unternehmen eine Trainingsmaßnahme für diesen Mitarbeiter hat, dann sind sie päpstlicher als der Papst. Personalentwickler sollten sich die Controller zum Vorbild nehmen, die in ihrem Bereich ganz selbstverständlich mit derartigen Annahmen arbeiten. Und Personalentwickler müssen lernen, viel stringenter mit Zahlen umzugehen. Wenn sie da nicht hinfinden, werden die Controller die Aufgabe des Bildungscontrollings übernehmen - die Personaler wären dann nur noch Verwalter, die man als solche aber auch nicht braucht. Denn Verwaltungsaufgaben lassen sich mit Technik lösen.

Um mehr als bloß Verwalter zu sein, braucht es entsprechende Strukturen. Was ist in dem Zusammenhang für Sie die Grundvoraussetzung eines erfolgreichen Bildungscontrollings?

Gust: Das Wichtigste ist ein funktionierendes Zielvereinbarungssystem. Denn nur anhand der Ist-Situation eines Mitarbeiters und eines für ihn formulierten Ziels kann man überhaupt überprüfen: Hat der Mitarbeiter sein Ziel durch eine Bildungsmaßnahme erreicht - oder ging die Veranstaltung ins Leere? Eine Zielvereinbarung funktioniert aber nur dann als Grundlage für das Bildungscon-trolling, wenn sie topdown entwickelt wird. Eine Möglichkeit hierfür ist, Workshops zu organisieren, in denen man erst mit der Geschäftsführung die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens festlegt. Diese sollten dann, wieder in Workshops, auf jeder nachgeordneten Ebene in Resultatsvereinbarungen für die Mitarbeiter übersetzt werden - und das nahtlos: Ist die Kette der Vereinbarungsgespräche auch nur an einer Stelle unterbrochen, funktioniert das Bildungscontrolling nicht mehr.

Welche Entwicklungen wird das Bildungscontrolling denn noch mit sich bringen?

Gust: Was in der Debatte zurzeit noch ver-nachlässigt wird, aber der nächste Schritt ist: Bildungscontrolling muss auch etwas zur Verbesserung des Seminarbetriebs beitragen. Die Ergebnisse aus den Seminarbewertungen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse, was ein wirksames Trainingskonzept ist, müssen bereits im Vorfeld an den nächsten Trainer vermittelt werden. Und wenn ein Trainer nicht gut war, dann wird das in Zukunft Konsequenzen haben. In den Niederlanden sehe ich schon deutlich Entwicklungen in diese Richtung: Dort erhalten Trainer ihr Honorar auf der Basis einer erfolgreichen Umsetzung ihrer Maßnahmen - oder sie bekommen ihr Honorar gekürzt. Das scheint mir der richtige Weg zu sein.
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Quelle: Training aktuell 11/04, November 2004
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