Schlauer lernen

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Widersprechen Sie sich selbst!

Henning Beck erklärt, wie wir die Weisheit der vielen nutzen können, auch wenn wir keine Gruppe zur Verfügung haben.

Kurze Schätzfrage zu Beginn: Wie viel wiegt eine Waschmaschine? Achtzig Kilo? Gar neunzig? Wenn man es nicht genau weiß, kann man nur grob raten. Dabei haben Sie jedoch ein Problem: Sie geben aufgrund Ihres Wissens und Ihrer bisherigen Erfahrungen einen Tipp ab. Aber eben nur einen – und es wird schwierig, ohne Referenzpunkte einzuschätzen, ob man richtigliegt. Genau in einem solchen Fall spielt die „Weisheit der vielen“ ihre Stärke aus. Stellt man nämlich einer Gruppe von Menschen eine solche Schätzaufgabe, so kommt der Mittelwert aller Schätzungen dem wirklichen Wert erstaunlich nahe.

Wenn Sie das nächste Mal ein Problem haben, brauchen Sie also einfach nur eine Gruppe zu fragen, um zur besten Entscheidung zu kommen? Vorsicht an dieser Stelle. Wenn man sich zu unkritisch auf Gruppenentscheidungen verlässt, wird aus der „Weisheit der vielen“ schnell die Dummheit von allen.

Gruppeneinschätzungen sind nur dann sinnvoll, wenn Mittelwerte geschätzt oder ein Konsens gefunden werden muss. Wenn die Gruppe jedoch einen Zielwert am Rand einzuschätzen hat, tippt sie konsequent daneben. Fragen Sie zum Beispiel nach der Anzahl der Christen in China, wird die Gruppe zu hoch tippen, weil sie zu einem Mittelwert tendiert, etwa zu 40 oder 50 Prozent (die richtige Antwort lautet übrigens: fünf Prozent).

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Zudem muss man wissen, dass Menschen in Gruppen schlechter denken, als wenn sie alleine wären. Das ist sogar objektiv messbar. So sinkt der individuelle IQ von Gruppen um mehr als 10 IQ-Punkte ab, sobald sie in der Gruppe denken und Probleme lösen sollen. Sprich: Man wird dümmer, was daran liegt, dass man sich innerhalb einer Gruppenarbeit an anderen orientiert. Manche verschwenden Energie darauf, sich gegen andere Gruppenmitglieder durchzusetzen, andere sind schüchtern, und manche wiederum legen sich auf die faule Haut und lassen die anderen arbeiten. In Gruppen denken Menschen überdies emotionaler, aktivieren im Gegenzug allerdings weniger die Hirnregionen, die für fokussiertes Denken notwendig sind. Sich in Gruppen zu bewegen, erfordert schließlich geistigen Aufwand – und ebenjene Ressourcen fehlen dann für die Problemlösung.

Was soll man also tun, wenn man die Fallen des Gruppendenkens umgehen und trotzdem so clever Einschätzungen treffen will wie die „Weisheit der vielen“? Interessanterweise kann man die Gruppe in seinem Denken simulieren. So zeigte sich in einer kürzlich veröffentlichten Studie niederländischer Forscher: Wenn man bei einer Schätzaufgabe zunächst einen Tipp abgibt und sich dann vorstellt, wie ein Freund, mit dem man nicht immer einer Meinung ist, tippen würde, kommt der Mittelwert beider Schätzungen dem wahren Wert erstaunlich nahe. Wenn Sie im Waschmaschinen-Beispiel also auf achtzig Kilogramm tippen und meinen, dass ein kontrovers denkender Freund eher auf 65 Kilogramm tippt, kommt man dem realen Gewicht (es sind tatsächlich etwa sechzig bis siebzig Kilogramm) viel näher.

Ein bisschen Diversity trägt man also sogar in sich selbst. Deswegen: Greifen Sie sich in Ihren Meinungen selbst an. Wenn Sie das nächste Mal eine Einschätzung für einen Sachverhalt treffen, halten Sie kurz inne, und lassen Sie für einen Moment lang eine andersartige Meinung zu. Das ersetzt zwar nicht den Vorteil einer vielfältigen Gruppe – aber ein bisschen weniger engstirnig werden Sie allemal.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt: www.henning-beck.com

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