Schlauer lernen

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Halten Sie sich (nicht) zurück!

Henning Beck erklärt, warum der Marshmallow-Test häufig falsch interpretiert wird.

Bestimmt haben Sie schon einmal vom Marshmallow-Test gehört, dem berühmten Experiment, das der US-Psychologe Walter Mischel vor über fünfzig Jahren an der Elite-Uni Stanford durchgeführt hat. Er legte einen Marshmallow vor vierjährigen Kindern auf den Tisch und stellte sie vor die Wahl – entweder sie essen die Süßigkeit gleich auf, oder sie warten ein paar Minuten. Als Belohnung fürs Warten erhielten sie dann einen zweiten Marshmallow. Natürlich schafften es nicht alle Kinder, ihrem Drang auf Süßes zu widerstehen und verputzten den Marshmallow sofort. Die Pointe daran: Als man Jahre später die Kinder noch mal untersuchte, kam heraus, dass diejenigen, die schon als Vierjährige gut warten konnten, später erfolgreicher in Schule und Ausbildung waren, besser mit Rückschlägen umgingen und als sozial kompetenter eingeschätzt wurden. Die Fähigkeit, auf eine Belohnung zu warten, entscheidet über den späteren Lebenserfolg, so die Schlussfolgerung.

Ein tolles Ergebnis, doch es ist falsch. Zumindest wenn man die Studie so eng auslegt, wie es jahrelang gemacht wurde. Ein Problem der Studie war die Zusammensetzung der Stichprobe. Auf eine höhere Belohnung zu warten, das muss man sich nämlich leisten können. Kein Problem für die Kinder der Stanford-Angestellten aus der Studie. Als man das Experiment mit Kindern aus anderen sozialen Schichten untersuchte, kam allerdings heraus: Je niedriger der soziale Status ist, desto weniger wird gewartet, sondern die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen. Dass man später im Leben noch mal die Chance auf eine Belohnung bekommt, ist nämlich keinesfalls sicher.

Zum anderen ignoriert der Marshmallow-Test, dass es verschiedene Formen der Impulskontrolle gibt. Denn neben der emotionalen Impulskontrolle, die bei dem Marshmallow-Test im Vordergrund steht, gibt es noch eine kognitive. Und diese ist mindestens genauso entscheidend für den späteren Lebenserfolg. Gemeint ist damit zum Beispiel die Fähigkeit, während des Arbeitens lästige Störreize auszublenden, um nicht impulsiv von einer Push-Nachricht zur nächsten E-Mail zu springen. Diese Impulskontrolle wird von Hirnregionen bewerkstelligt, die direkt hinter unserer Stirn liegen. Und das dortige Kontrollnetzwerk hat praktischerweise eine wichtige Eigenschaft: Es lässt sich trainieren. Je strenger man Phasen des konzentrierten und wirklich ungestörten Arbeitens von Phasen des Kommunizierens und Austauschens trennt, desto besser ausgeprägt ist die Fähigkeit, nicht den kurzen Ablenkungsreizen nachzugeben. Was ebenfalls Auswirkungen auf den Lebenserfolg hat.

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Wie gut wir denken können, hängt maßgeblich davon ab, wie gut wir störende Ablenkungen ausblenden und unsere gedanklichen Impulse kontrollieren können. Das gilt jedoch nur für konkrete geistige Aufgaben und sollte ebenso wie der Marshmallow-Test nicht überinterpretiert werden. Denn es ist keineswegs so, dass sich Erfolg im Leben einstellt, wenn man auf eine bessere Belohnung wartet. Wie viele Menschen ackern sich zwischen ihrem 30. und 60. Lebensjahr ab, in der Hoffnung, später in der Rente endlich Zeit für sich, die Familie oder eine Weltreise zu haben? Um dann festzustellen: Mit 30 taten die Knochen noch nicht weh und ein Rucksacktrip durch Kanada wäre kein Problem gewesen. Die Geduldigen sind nicht notwendigerweise auch die Glücklicheren. Alles kommt zu dem, der warten kann? Mag sein, doch nur der Dumme lässt eine günstige Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Emotional darf man durchaus die Chance beim Schopfe packen.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt:  www.henning-beck.com

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