Schlauer lernen

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Die Pause macht den Unterschied

​Was hat Pflanzenbewässerung mit Bildung zu tun? Einiges, wie Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt.

Wie gießen Sie Ihre Blumen? Vermutlich immer wieder ein bisschen. Nehmen wir mal an, Ihre Zimmerpflanze braucht pro Monat fünf Liter Wasser, dann wäre es schließlich ziemlich unnütz, gleich am Monatsersten die kompletten fünf Liter Wasser in die Erde zu kippen. Vermutlich könnte die Pflanze gar nicht so schnell das Wasser aufnehmen, es würde überlaufen, oder die Wurzeln faulen. Die komplette Monatsdosis auf einmal zu verabreichen, mag sehr effizient erscheinen, doch es ist nicht besonders effektiv.

Was bei der Pflanzenbewässerung klar ist, hat sich im Bildungsumfeld noch nicht gänzlich herumgesprochen. Dort wird immer noch zu oft eine „Viel hilft viel“-Mentalität propagiert: Wer in kürzerer Zeit mehr Infos ins Gehirn bringt, lernt schneller und gilt als intelligenter. Das mag sein – jedoch ist der Lerneffekt weniger nachhaltig. Schließlich ist auch ein menschliches Gehirn nicht unendlich aufnahmebereit, sondern braucht immer wieder Phasen, in denen eintreffende Informationen verdaut werden. Erfolgt das nicht, passiert dasselbe wie mit den Pflanzen. Statt eines überlaufenden Blumenkübels sprechen wir von Vergesslichkeit und davon, dass neue Informationen nicht mehr sinnvoll verarbeitet werden können. Statt Wurzeln faulen beim Lernen schon bekannte Informationen: Treffen neue Reize zu schnell ein, können auch alte Wissensinhalte durcheinandergebracht werden.

Alle modernen Zivilisationskrankheiten (das Gefühl, dass die Zeit zu rasen scheint, dass man sich an Kleinigkeiten nicht erinnert, dass man Wichtiges und Unwichtiges schwerer trennen kann, dass komplexer werdende Probleme überfordernd wirken) lassen sich zu einem großen Teil darauf zurückführen, dass nicht genügend Pausen gemacht werden. Bei der Ernährung machen wir es schließlich auch: Wenn der Bauch voll ist, legen wir uns zufrieden hin und verdauen, sonst platzen wir irgendwann. Auch ein Gehirn kann „platzen“ (siehe die obigen kognitiven Schwächen), doch wir haben kein Sättigungsgefühl in unserem Denkorgan. Wir spüren nicht, wann wir aufhören müssten. Das Gehirn kennt keinen Aus-Knopf.

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Zum Glück ist zumindest wissenschaftlich gut bekannt, was eine erfolgreiche Lerndosierung ausmacht. Die Zauberformel lautet: 5:1. Fünf Teile Arbeit, ein Teil Pause. Beispielsweise könnte man 50 Minuten lernen, dann zehn Minuten Pause machen. Der Grund ist auch zellulär begründet: Nervenzellen brauchen immer eine gewisse Zeit, bis sie sich an einen Nervenreiz angepasst haben. Erfolgt der neue Reiz zu schnell, sind die Justierungen im Nervennetzwerk noch nicht abgeschlossen. Erfolgt er zu spät, setzt schon wieder das Vergessen ein.

Übrigens gelingt es durch clevere Pausen auch, den Lerninhalt dauerhaft zu verankern. Auch hier gilt eine 5:1-Formel: Die Pausenlänge sollte ein Fünftel der Zeit betragen, bis das Gelernte in einer Prüfung angewendet werden soll. Steht also eine Prüfung in zehn Wochen an, sollte man alle zwei Wochen einen Lerninhalt wiederholen. Dieses grundlegende Lernprinzip nennt man in der Wissenschaft „Spacing Effect“, und gute Lernkonzepte bauen auf diesem „Abstandseffekt“ auf. Anstatt Informationen schnell und gebündelt zu verabreichen, schafft man durch einen zeitlichen Abstand die Möglichkeit, das Gelernte zu verdauen. Die Ironie ist: Menschen behaupten, dass diese Methode weniger effektiv sei als eine kurze und kompakte „Druckbetankung“. Lassen Sie sich nicht von der Wahrheit abbringen: Erst die clevere Pause lässt uns die Dinge verstehen.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt: www.henning-beck.com

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