Der britische Unternehmer Richard Branson machte kürzlich Furore, als er verkündete, Mitarbeiter aus seiner Firma dürften fortan Urlaub nehmen, wann immer ihnen danach ist – sofern die Erbringung der Ergebnisse sichergestellt ist. Results-only Work Environment heißt so ein Arbeitszeitmodell, nach dem es egal ist, wann, wo und wie lange gearbeitet wird. Die Ökonomin Maike Andresen forscht zu dem Ansatz. Ein Gespräch über dessen Vorteile und Risiken.
Aufseiten der Mitarbeiter liegen die Vorteile einer freien Arbeitszeitgestaltung auf der Hand: mehr Autonomie, eine bessere Work-Life-Balance, weniger Stress, mehr Zufriedenheit. Doch was haben Unternehmen von dem Modell? Maike Andresen: In der Betriebswirtschaftslehre gibt es die gute alte Minimax-Regel: Entweder man hält den Input fix, in dem Fall also die Arbeitszeiten, und versucht dann, das Maximale an Ergebnissen herauszuholen. Oder man legt das Ergebnis fest und überlässt es demjenigen, der für das Ergebnis verantwortlich ist, den Input entsprechend zu regulieren. Momentan legen die meisten Unternehmen die Arbeitszeiten fest. Aber betriebswirtschaftlich ist das keine sinnvolle Herangehensweise. Denn wichtig ist für das Unternehmen letztlich das Ergebnis, nicht der Weg dorthin. Wenn man den Weg dem Mitarbeiter überlässt, dann ergeben sich daraus viele Vorteile. Erstens hilft es der Mitarbeiterbindung. Zweitens bekommt man unter Umständen Zugriff auf Mitarbeiter, die sich – müssten sie sich in ein festes Zeitkorsett einpassen – dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stellen könnten. Und drittens arbeiten Mitarbeiter unter freien Zeitbedingungen tendenziell motivierter und sind kreativer.
Wieso kreativer?Zum einen liegt das daran, dass in klassischen Arbeitszeitmodellen nicht berücksichtigt ist, zu welchen Zeiten Mitarbeiter vom Biorhythmus her besonders wach und kreativ sind. Der eine hat nun mal morgens die besseren Ideen, der andere in den späten Abendstunden. Zum anderen regt die Konzentration auf das Arbeitsergebnis bei freier Gestaltung der Arbeitszeit nachweislich die Innovationsfreude der Mitarbeiter an. In einem Unternehmen, das Etiketten herstellt, hatte der Unternehmer beschlossen, seinen Mitarbeitern völlig freie Hand bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten zu lassen. Es sollte lediglich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Zahl von Etiketten produziert sein. Daraufhin fingen die Mitarbeiter plötzlich an, die Produktionsmaschine zu verbessern – damit sie früher nach Hause gehen konnten.
Heute wird viel in Projekten und Teams gearbeitet. Unterm Strich ist da häufig nicht klar, wer was zum Ergebnis beigetragen hat. Lädt das Modell Arbeitszeitfreiheit unter solchen Bedingungen nicht dazu ein, die Kollegen die Arbeit machen zu lassen?Natürlich gibt es Free Rider, also Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit auf Kosten anderer zum eigenen Vorteil optimieren. Sie sind in der Tat eine Gefahr. Aber hier kommt die Führungskraft ins Spiel. Es ist wichtig, dass sie darauf achtet, dass es klare Verantwortungsbereiche und Zielvereinbarungen gibt: Der Kunde X hat Produkt Y bestellt, das muss zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein, und jeder im Team muss wissen, was sein Beitrag ist und bis wann er ihn erbringen muss. Das ist der entscheidende Punkt: Arbeitszeitfreiheit allein kann sehr negative Folgen haben. Je nach Motivationslage nutzen Mitarbeiter das Modell zu eigenen Gunsten aus oder manövrieren sich in die Selbstausbeutung. Daher ist die Koppelung mit der klaren Ergebnisorientierung so wichtig.
Besteht nicht die Gefahr, dass bei ausschließlicher Ergebnisorientierung die Ziele zu hoch gesteckt werden?Auch hier ist die Führungskraft gefragt. Anders als man meinen könnte, muss sie unter freien Arbeitszeitbedingungen mehr denn je personenorientiert führen. Es ist Aufgabe der Führungskraft, bei jedem Einzelnen im Blick zu behalten, ob er vielleicht zu wenig oder zu viel arbeitet – und dann das Gespräch darüber zu suchen: 'Ich habe den Eindruck, du überschätzt deine Kräfte. Geh mal nach Hause.' Das ist eine viel individuellere Art zu führen als bisher. Bisher wird Arbeitskraft ja nur indirekt gemanagt, indem man zum Beispiel festlegt: 40 Stunden sind für jeden verkraftbar. Jetzt dagegen muss stärker darauf geschaut werden, wie der Einzelne auf Belastung reagiert. Die Forschung zeigt darüber hinaus aber auch, dass es eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung für Results-only-Bedingungen gibt: Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter ihre Zeiten dokumentieren. Es hilft ihnen bei der Selbststeuerung, wenn sie wissen, wie lange sie für eine bestimmte Aufgabe gebraucht haben. Das Gespür für die eigentlich erbrachte Arbeitszeit scheint vielen nämlich zu fehlen.
Sie täuschen sich über die erbrachte Stundenzahl?Ja. Das ist eine Erkenntnis aus der Forschung. Demnach gibt es beide Phänomene: Mitarbeiter, die gar nicht merken, wie sehr sie sich selbst ausbeuten, aber auch solche, die – freundlich ausgedrückt – die Zeit für sich optimieren. Interessanterweise tun sie das oft aber auch unbewusst. Wir haben zumindest in Untersuchungen festgestellt, dass viele intuitiv dazu neigen, ihre Arbeitszeit zu überschätzen. Wurde in Interviews danach gefragt, wie lange gearbeitet wurde, dann lag der angegebene Zeitanteil oft um einiges höher als der, der herauskam, wenn anschließend en détail die Tätigkeiten und Zeiten durchgerechnet wurden.