Die stille Störung

Sobald es wirtschaftlich schlechter lief, war Weiterbildung lange Zeit einer der ersten Posten, an denen in den Unternehmen gespart wurde. Einige Maßnahmen helfen weiter, andere sind eher Incentives, doch im Zweifelsfall verzichtbar sind sie alle, lautete die dahinterstehende, mehr oder weniger heimliche Überzeugung. Doch je schnelllebiger und unberechenbarer die (Wirtschafts-)Welt wurde, desto klarer kristallisierte sich heraus, dass persönliche und fachliche Weiterbildung unverzichtbar ist. Die Entwicklung des Gesamtbudgets für Weiterbildung in den deutschen Unternehmen dokumentiert diese Einsicht eindrücklich. Laut Institut der deutschen Wirtschaft ist dieses von 2016 bis 2020 um 16 Prozent gestiegen. Und im vergangenen, für viele Unternehmen schwierigen, Jahr hat es sogar um 18 Prozent zugelegt, wie die bitkom Akademie in einer Studie unter 1.300 Unternehmen festgestellt hat.

Trotz der seit Jahren steigenden Bedeutung beruflicher Weiterbildung bleibt ihr größtes Problem, sozusagen ihre Ur-Crux, nach wie vor ungelöst: die fehlende Umsetzung des Gelernten. Wenn bei diesem Aspekt überhaupt Veränderungen auszumachen sind, dann eher zum Schlechten. Laut Lerntransferstudien wird im Schnitt lediglich zehn bis 15 Prozent des Wissens aus Weiterbildungen in die Arbeitspraxis übertragen. Ähnlich ernüchternd ist die Transferbilanz beim Verhaltenstraining. Der Schritt in die nachhaltige Verhaltensänderung gelingt nur jeder bzw. jedem Sechsten. Bezieht man diese Werte aufs deutsche Weiterbildungsgesamtbudget, ergibt sich eine enorme Summe von 35 Milliarden Euro, die, wenn etwas dramatische Metaphorik erlaubt ist, jährlich in den Weiterbildungswind geblasen wird.

Selbstverantwortung fördert den Transfer – und stört ihn

Die Ergebnisse sind auf den ersten Blick überraschend. Wenn Weiterbildung eine höhere Bedeutung zugemessen wird, sollte doch eigentlich auch der Lerntransfer in den Fokus rücken und sich verbessern. Und müssten sich nicht auch Lerneffekte hinsichtlich der Umsetzung des Gelernten einstellen, wenn mehr gelernt wird? Dass dem offensichtlich nicht so ist, liegt meiner Meinung nach vor allem an einem Wert, der die neue Arbeitswelt prägt wie kaum ein anderer: der der Selbstverantwortung. So wichtig und wertvoll dieser im Arbeitskontext per se ist, erweist er sich im Prozess des Lerntransfers doch als gravierender Störfaktor.

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