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Geschlechtergerechte Sprache in Unternehmen

Zwischen Slash und Sternchen

Laut einer aktuellen richterlichen Stellungnahme haben Unternehmen zwar nichts zu befürchten, wenn sie gendern – dennoch tun sich viele mit dem Einsatz geschlechtergerechter Sprache in der internen und externen Kommunikation schwer. Denn was für die einen ein Ausdruck der Gleichstellung ist, fällt für die anderen in die Kategorie Bevormundung oder „Sprachverhunzung“ – und gibt Anlass zur Diskussion.

Unternehmen können bedenkenlos gendern. Diesen Schluss lässt der Ausgang eines Gerichtsverfahrens zu, das über ein Jahr lang die Gemüter bewegte. Ein Manager des Volkswagen-Konzerns hatte gegen die Audi AG geklagt, die im März 2021 einen Leitfaden zur Nutzung gendersensibler Sprache publiziert hatte. Befürwortet wird darin die Verwendung der Gender Gap in der internen und externen Kommunikation – für den Kläger, der im engen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen der VW-Tochterfirma steht und in der Ansprache eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte sieht, ein Grund, vor Gericht zu ziehen.

Jetzt ist es zu einer Entscheidung gekommen: Die Klage wurde abgewiesen. Zwar aus formalen Gründen, aber dennoch verbunden mit einer Stellungnahme der Richter, in der sie verkündeten, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht als verletzt anzusehen – eine Einlassung, die wohl weiter für Diskussionen sorgen dürfte. Denn auch wenn die Stellungnahme der Richter Unternehmen in der Nutzung geschlechtergerechter Sprache bestärkt, für Klarheit hat das Strafverfahren aufgrund des fehlenden Urteils zum Thema nicht gesorgt. In vielen Unternehmen herrscht folglich wohl auch weiterhin Unsicherheit darüber, wie gegendert werden soll – oder ob überhaupt.

Große Ambivalenz in Sachen geschlechtergerechter Sprache

Wie groß diese Ambivalenz mitunter sein kann, verdeutlicht eine gemeinsame Umfrage des Personaldienstleisters Randstad und des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Sie ergab, dass jedes dritte deutsche Unternehmen geschlechtergerechte Sprache einsetzt, doch nicht flächendeckend und nicht gleichermaßen in der internen wie in der externen Kommunikation. Während von den großen Unternehmen, die wie Audi mehr als 500 Mitarbeitende beschäftigen, 50 Prozent in der internen und 48 Prozent in der externen Kommunikation gendern, zeigt sich im Hinblick auf Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitenden ein noch gespalteneres Bild: Hier nutzen 40 Prozent gendergerechte Sprache in der externen und 28 Prozent in der internen Kommunikation.

Dass bei diesem Thema selbst die Big Player in Deutschland keinen einheitlichen Kurs fahren, zeigt auch eine Studie von Coco New Media. Die Münchner Marketingagentur hat die Webseiten der DAX- 40-Unternehmen untersucht und herausgefunden, dass lediglich rund 18 Prozent der DAX-Konzerne eine gendergerechte Rechtschreibung in den Texten ihrer Stellenausschreibungen und 58 Prozent auf ihren übrigen Webseiten verwenden – darunter BASF, Delivery Hero, Deutsche Bank, Deutsche Post und Linde, die als einzige konsequent gendern. Bei nur einem Unternehmen – der Münchner Rückversicherungsgesellschaft – wurde gar keine Form der geschlechtergerechten Sprache gefunden.

Die Analyse liefert auch noch eine weitere interessante Erkenntnis: Jedes Unternehmen gendert anders. Während die einen zwei Geschlechter nennen – etwa Kolleginnen und Kollegen – oder die weibliche Form durch Abkürzung oder Binnen-I hinzufügen wie bei „Mitarbeiter/-innen“ bzw. „MitarbeiterInnen“, benutzen die anderen neutrale Formen oder Partizipialkonstruktionen wie „Belegschaft“ bzw. „Mitarbeitende“. Wieder andere verwenden Gender-Zeichen – etwa ein Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt –, die zwischen männlicher Form und weiblicher Endung platziert werden und auch die über das binäre System hinausgehenden sozialen Geschlechter abbilden.

Gender-Zeichen stehen in der Kritik

Es sind besonders diese Zeichen, die zur Diskussion anregen. So argumentierte der Kläger im Audi-Prozess etwa, dass bei der Gender Gap – sprich: Formen wie Kolleg_innen, Gefährt_innen oder Zeug_innen – die männliche Form nicht mehr korrekt wiedergegeben werde. In eine ähnliche Richtung zielten auch die Begründungen vieler Kritiker, die sich bereits vor gut einem Jahr in den Social Media unter dem Hashtag #Gendergaga über die Audi-Leitlinien ausließen, und von Bevormundung und „Verhunzung“ der deutschen Sprache sprachen. Gegen die Verwendung von Sonderzeichen spricht sich auch die Gesellschaft für deutsche Sprache aus – wenngleich sie ausdrücklich „JA zum Gendern“ sagt, wie es auf der Website des Vereins heißt. Sie plädiert für Formulierungen, die verständlich, lesbar und regelkonform sind.

Auch im Hinblick auf die Barrierefreiheit wird häufig von der Nutzung von Gender-Sonderzeichen abgeraten – mit der Begründung, dass es Menschen, die nicht gut Deutsch können oder eine Leseschwäche bzw. andere Einschränkungen haben, schwerer fallen könnte, solche Texte zu lesen. Diesen Standpunkt vertreten z.B. der Blinden- und Sehbehindertenverband sowie das Netzwerk Leichte Sprache. Entkräftet hat das Unleserlichkeits-Argument jedoch die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit in der Informationstechnik (BFIT-Bund), die verschiedene Formen der gendergerechten Sprache in einer Studie untersucht und den Asterisk (Gendersternchen) als geeignetste Form im Hinblick auf die Barrierefreiheit – zumindest digital zur Verfügung gestellter Inhalte – ausgemacht hat.

Dass in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache insgesamt so große Unsicherheit herrscht, könnte daran liegen, dass es zwar einige – auch von der Regierung und den Parteien – bereitgestellte Leitfäden und Richtlinien gibt, aber kein offizielles Regelwerk. Und ein solches wird wohl auch noch geraume Zeit auf sich warten lassen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung sieht zumindest noch keinen Anlass für eine Reform und verweist darauf, noch andauernde „Analysen zum Schreibgebrauch in verschiedenen Medien und Gruppen von Schreibenden vor[zu]nehmen, um auf einer breiteren Belegbasis zu ermitteln, ob die beobachteten Tendenzen Indizien für einen möglichen Schreibwandel sind“.

Stellenausschreibungen müssen geschlechtsneutral formuliert sein

Nur in Sachen Stellenanzeigen gibt es tatsächlich bereits ein Urteil, und zwar von höchster Instanz. So hat das Bundesverfassungsgericht mit der Anerkennung des dritten Geschlechts die binäre Differenzierung zwischen männlicher und weiblicher Form im Oktober 2017 für unzureichend erklärt. Seit Dezember 2018 besteht daher für Unternehmen die Pflicht, Stellenausschreibungen so zu formulieren, dass einzelne Geschlechter sich nicht diskriminiert fühlen. Die meisten Unternehmen führen daher seitdem neben dem Zusatz „m“, der für männlich steht, und „w“, für weiblich, eine dritte Option – etwa „d“ für divers – mit auf. Das bestätigt auch die Studie von Coco New Media, derzufolge 95 Prozent der DAX-40-Unternehmen männliche, weibliche und diverse Personen in Jobangeboten ansprechen – und somit drei Möglichkeiten zur biologischen Identifizierung anbieten.

Was passiert, wenn ein Unternehmen das nicht tut, zeigt ein weiteres Gerichtsverfahren. Eine Person, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlt, hatte die Deutsche Bahn verklagt, die in ihrem Ticketsystem lediglich die Auswahl zwischen den Anreden „Herr“ und „Frau“ zulässt. Das Oberlandesgericht Frankfurt gab ihr Recht und verpflichtete die Deutsche Bahn dazu, ab Januar 2023 eine zusätzliche geschlechtsneutrale Anrede im Online-Dokument aufzuführen.

Doch auch jenseits der Must-haves kann es sich für Unternehmen durchaus lohnen, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, vor allem, wenn sie auf der Suche nach jungen Nachwuchstalenten sind. Denn die legen – zumindest beim Lesen von Stellenanzeigen – häufig wert auf gendergerechte Formulierungen. Das ist das Kernergebnis einer Studie der Königsteiner Gruppe unter 1.059 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Der HR-Agentur zufolge wünscht sich über die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen eine geschlechtergerechte Ausdrucksweise in Jobbeschreibungen. Von den 30- bis 39-Jährigen achten immerhin noch 42 Prozent auf gendergerechte Sprache bei der Stellensuche.

Das Umfeld sollte beim Gendern mitberücksichtigt werden

Ob ein Unternehmen gut daran tut, über seine Karrierewebseiten hinaus zu gendern, hängt allerdings von mehreren Faktoren ab – etwa davon, welcher Branche es angehört und ob diese eher konservativ oder liberal geprägt ist. Zudem spielt es auch eine Rolle, wie eng der Kontakt zur Kundschaft ist bzw. welche Haltung diese gegenüber geschlechtergerechter Sprache einnimmt. Besonders Konsumgüterhersteller und Dienstleistungsunternehmen sollten hier – so der Rat auf Diversität spezialisierter Unternehmensberater – die Wünsche ihrer Endverbraucherinnen und -verbraucher mitberücksichtigen und ggf. durch Umfragen einholen.

Das Unternehmen Bayer etwa verzichtet auf den Einsatz geschlechtergerechter Kommunikation in der externen Kommunikation, weil – so der Pharmakonzern gegenüber dem Wirtschaftsmagazin WirtschaftsWoche (WiWo) – die Zielgruppe gegenderte Formulierungen nicht schätze. Intern gebe es jedoch einen Leitfaden, der sich an „genderwillige Beschäftigte“ richte. Die Erfahrung, dass die Bereitschaft zum Gendern mit derartigen Regelungen häufig auch auf Skeptiker überspringt und sich nach und nach auf die gesamte Belegschaft ausweitet, hat das Technologieunternehmen Infineon gemacht: „Besonders am Anfang fremdelte der eine oder die andere noch mit dem Thema, mittlerweile gehen die neuen Gepflogenheiten immer mehr in den natürlichen Sprachgebrauch ein“, gibt das Technologieunternehmen der WiWo Auskunft.

Auch die Audi AG hält allen Vorbehalten und Widerständen zum Trotz an ihren Leitlinien zur gendergerechten Sprache fest und unterstreicht damit ihren Standpunkt zum Thema. Diesen hatte die ehemalige Personalvorständin Sabine Maaßen bereits 2021 deutlich gemacht, indem sie die Einführung der Maßnahme gegenüber der Augsburger Allgemeinen Zeitung mit den Worten begründete: „Wertschätzung, Offenheit, Verantwortung und Integrität sind die Basis unserer Unternehmenskultur, dies machen wir auch in unserer Sprache deutlich.“

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