Augenhöhe-Filmprojekt

„Es geht um die positive Veränderung der Organisationskultur“

Ein Dokumentarfilm macht Karriere in der Weiterbildungs- und Businesswelt. Die Rede ist von der Film- und Dialogveranstaltung „Augenhöhe“. Finanziert in nur 66 Tagen mit über 52.000 Euro von rund 350 Privatpersonen und 20 Unternehmen, unterstützt von diversen Medien, darunter auch von managerSeminare, zieht das Projekt für eine bessere Arbeitswelt seine Kreise. Wie die Reaktionen auf das Projekt sind, wie Weiterbildner es nutzen können und warum es bald einen Verein geben wird, erklärt Sven Franke, Unternehmer und einer der Macher des Films, im Interview. Anfang dieses Jahres feierte Ihr Film Augenhöhe Premiere. Seitdem zeigen Sie Ihren Dokumentarfilm auf Veranstaltungen und reden darüber. So auch auf den Petersberger Trainertagen.

Sven Franke: Wir hatten am 30. Januar mit über 400 Gästen im Museum der Arbeit in Hamburg die Premiere. Seitdem touren nicht wir mit dem Film, sondern der Film tourt dank des Engagements vieler unterschiedlicher Menschen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Wie das?

Unser Film steht für nicht kommerzielle Zwecke zum kostenfreien Download zur Verfügung, d.h. jeder kann eine „Augenhöhe – Film und Dialog Veranstaltung“ planen und durchführen. Das Einzige, was wir uns wünschen, ist, dass die Veranstaltung auf unserer Website gelistet wird. Aktuell wissen wir von über 170 Veranstaltungen. Das wäre niemals möglich, wenn „nur“ wir mit dem Film touren würden.

Wie sind die Reaktionen auf den Film? Was denken Sie: Warum erfährt Ihr Film/Ihr Dialogangebot derzeit eine derart große Resonanz?

Der Film kommt gerade zur rechten Zeit und bietet einen Impuls zu Themen wie Arbeiten 4.0, die gerade intensiv diskutiert werden. Vielen Teilnehmern ist bewusst, dass wir auf andere Formen der Zusammenarbeit setzen müssen, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Viele Menschen spüren, dass es so wie in den vergangenen 20 bis 25 Jahren nicht mehr weiter gehen kann. Wir müssen schneller und flexibler werden. Und das erreichen wir nicht mehr, indem wir die „alten“ Mechanismen eines Frederick Taylor noch weiter modifizieren. Wir sind in der Welt der Wissensarbeiter angekommen, und nun müssen die Organisationsformen nachgezogen werden.

Auf den Petersberger Trainertagen etwa haben sich allein 120 Trainer und Personalentwickler den Film angeschaut. Unterscheiden sich die Reaktionen von Trainern und Beratern von Unternehmensvertretern wie Geschäftsführern und Betriebsräten?

Ja und Nein. Auffällig ist, dass man die Reaktionen nicht nach Berufsgruppen trennen kann. Vielmehr spielt die persönliche Erfahrung eine große Rolle. Kann ich mir grundsätzlich vorstellen, jenseits einer Pyramiden- oder Matrixstruktur zu arbeiten? Von Seiten der Trainer hören wir allerdings oft die Kritik, dass der Film keine Handlungsempfehlung beziehungsweise keinen Leitfaden an die Hand gibt. Sondern der Film „nur“ ein Gefühl und eine Stimmung ausdrückt. Aber genau das war beabsichtigt.

Der Film kommentiert nicht aus dem Off, sondern lebt von den O-Tönen der Befragten. Wieso haben Sie sich für diese Art von Aufbereitung entschieden?

Ganz einfach: Wir wollen nicht belehren. Jeder Zuschauer soll seine eigenen Schlüsse ziehen. Das ermöglicht einen viel breiteren Dialog.

Was wünschen Sie sich, was der Film auslöst?

Wir wollen einen Anstoß zur Veränderung der Zusammenarbeitskultur geben. Aus unserer Sicht braucht es hierfür einen offenen Dialog und die Vernetzung von Gleichgesinnten. Die breiten Diskussionen und das Wachstum unserer Community zeigen, das wir auf einem guten Weg sind, dieses Ziel auch zu erreichen.

Wie können Trainer und Personalentwickler den Film nutzen? Sie sind ja Multiplikatoren für eine neue Arbeitswelt...

Sie sind eingeladen, mit unserem Film eine Diskussion innerhalb ihrer Organisation oder während eines Seminars zu starten. Wir haben daher ein einfaches Lizenzmodell entwickelt. Eine personenbezogene Lizenz, etwa für einen Trainer, kostet einmalig 69 Euro, eine Unternehmenslizenz einmalig 690 Euro. Und bisher trifft das Lizenzmodell auf breite Zustimmung.

Mit „Augenhöhe“ sind Sie derzeit ja nicht die einzigen, die sich für neue Organisationsformen und -strukturen stark machen. Denken wir an das Schlagwort „New Way of Work“. Decken sich Ihre Vorstellungen einer Arbeitswelt auf Augenhöhe mit den Gedanken des New Work?

New Work? Je länger ich mich mit dem Thema beschäftige, desto mehr frage ich mich, was sich wirklich hinter dem Begriff New Work versteckt. Es wird viel darüber gesprochen und geschrieben, aber es ergibt sich für mich kein eindeutiges Bild. Wenn es aber darum gehen soll, dass jeder Mensch sein Potenzial entfalten kann und dass diejenigen in den Mittelpunkt rücken, die ihr Wissen mit anderen teilen, dann kann ich sagen „Ja, das geht in dieselbe Richtung“. Für mich geht es bei allen unseren Projekten um die positive Veränderung der Organisationskultur, wenn das „New Work“ ist, bin ich dabei.

Wo sehen Sie die größten Hindernisse für ein neues Managementmodell? Warum wollen oder können nicht alle Unternehmen die Prinzipien, die Sie mit dem Film vorstellen, umsetzen?

Die erste große Herausforderung ist die Verabschiedung von der Idee, dass es den großen Plan gibt, den man kurzfristig ausrollen kann. Diesen gibt es definitiv nicht. Sondern jede Organisation muss ihren eigenen Weg in kleinen Schritten finden und diesen dann auch gehen. Das erzeugt Unsicherheit und in vielen Fällen auch Angst. Und Angst ist an dieser Stelle kontraproduktiv, das, was es braucht, ist Vertrauen. Vertrauen darauf, dass die gemeinsame Auseinandersetzung mit der eigenen Unternehmenskultur die Organisation voranbringt. Was sind unsere gemeinsamen Werte? Sind es die, die seit Jahren an der Wand hängen oder hat die Organisation ganz andere? Gibt es ein gemeinsames Bild von der Organisation? Alle diese Fragen müssen diskutiert werden. Und dann steht die Organisation vor der nächsten Herausforderung, die heißt Transparenz. Wenn ich mit meinen Kollegen auf Augenhöhe diskutieren möchte, muss ich allen die gleiche Wissensbasis ermöglichen. An diesen Beispielen sieht man schon, dass es viele Hindernisse und scheinbare Schwierigkeiten gibt, die überwunden werden müssen. Aber wenn man diesen Weg geht, wird man belohnt mit Einsatzbereitschaft, Loyalität und Innovationsfähigkeit.

Was muss sich in den Köpfen der Führungskräfte ändern?

Das ist aus meiner Sicht die falsche Frage. Zum einen betrifft das Thema alle Mitarbeiter, und zum anderen ist es nicht nur ein Kopfthema. Es ist ein Thema der Haltung und des eigenen Menschenbildes. Etwa: Wie sehe ich den Kollegen?

Was sind die häufigsten Argumente gegen eine Arbeitswelt, wie Sie sie in Ihrem Film darstellen?

Die häufigsten Gegenargumente sind: Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas schief geht? Und wenn jeder nach seiner Meinung gefragt wird, wie soll es da je zu einer Entscheidung kommen? Häufig hören wir auch die Aussage: „In den vorgestellten Unternehmen mag das ja gehen, aber bei uns auf keinen Fall.“ Wir merken aber auch, dass unsere Beispiele gut gewählt sind und dass wir viele Argumente damit schon entkräften können.

Wie geht es mit dem Projekt Augenhöhe jetzt weiter?

Im Moment laufen bei uns einige Projekte und Projektideen parallel. Wir werden in den nächsten Wochen einen Verein zur Förderung von innovativen und partizipativen Organisationsprinzipien in Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft ins Leben rufen. Zum Start wird der Verein gleich zwei Themen angehen: „Augenhöhe macht (Hoch-)Schule“ und „AugenhöheWeg“. Mit ersterem wollen wir Schülern und Studenten aufzeigen, dass es jenseits der traditionellen Pyramiden- und Matrixorganisationen erfolgreiche Modelle der Zusammenarbeitskultur gibt. Mit dem Verein wiederum wollen wir wissenschaftliche Arbeiten, die den Erfolg dieser „neuen“ Modelle belegen, unterstützen. Zudem wird der Verein Unternehmen, die an einer Kulturveränderung ernsthaft arbeiten wollen, eine Plattform bieten. Hier haben wir schon erste Zusagen von Unterstützern.

Wird es auch weiter Augenhöhe-Veranstaltungen geben?

Ja, wir werden in den nächsten Wochen unsere Aktivitäten wie Workshops, Vorträge, Impulse und Begleitungen in einer Organisation bündeln. Weit fortgeschritten in der Planung ist unser erstes AugenhöheCamp, das am 2. Juli in Hamburg stattfindet. Und damit den Auftakt für weitere Veranstaltungen dieser Art bildet. Mit dem Camp bieten wir eine Plattform für Unternehmer, Führungskräfte und Personaler, um sich über die neue Arbeitswelt auszutauschen und gleichzeitig voneinander zu lernen. Wir laden dazu ein, Erfahrungen weiter zu geben, zu inspirieren und sich inspirieren zu lassen, vom jungen Personaler bis zum gestandenen Geschäftsführer – und das auf Augenhöhe.

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Foto 1: Allein auf den Petersberger Trainertagen haben 120 Trainer und Personalentwickler „Augenhöhe" gesehen.

Foto 2: Der Interviewte: Sven Franke lebt nach dem Motto „Gemeinsam zum Ziel“, das die Basis für alle seine Tätigkeiten bildet. Er ist Gründer von Equity Change Management, Mitinitiator und Mitglied des Kernteams von Augenhöhe – Film und Dialog, zertifizierter Crowdfunding Manager, Keynote Speaker, Autor und Startup-Beirat.

Foto 3: Auf den Petersberger Trainertagen wurde ein spezieller short cut des Augenhöhe-Films gezeigt: eine etwa 30minütige Version, die aufgrund ihrer Kürze leichter in Seminaren zu zeigen ist. Diese Edition ist für 69 Euro zu erwerben, auf der Website die „normale“ Personen-Lizenz bestellen und in die Bestellung „PTT-Shortcut“ schreiben, Sie bekommen dann einen Download-Link.

Fotos: Lucas Heinz, Bonn
05.06.2015
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