d.confestival Südafrika

Eine Methode wird gefeiert

In Kapstadt, Südafrika, fand vom 12.-14.Oktober das dritte d.confestival statt. 350 Teilnehmende aus knapp 40 Ländern feierten Design Thinking (DT) – ein Management-Werkzeug, das hilft, schneller, bessere Lösungen auszuführen. DT stellt den Menschen in den Mittelpunkt, ist experimentell, iterativ, kreativ und gemeinschaftlich.

 

Hasso Plattner, Mitbegründer des IT-Unternehmens SAP und Mäzen, erzählt bei der Konferenzeröffnung, dass er zum ersten Mal über DT im Time Magazin 2004 gelesen hat. Er war so beeindruckt, dass er es in seinen nächsten Vortrag einbaute. Dies wiederum veranlasste die Design Company Ideo, die Erfinderin von DT, Kontakt mit Plattner aufzunehmen, und ihn um Unterstützung für die erste d.school an der Stanford University in Kalifornien zu bitten. Gefragt, getan – Plattner finanzierte den Neubau der d.school an der Elite-Universität. Bald darauf folgte die d.school in Plattners Heimatstadt Potsdam, von wo aus es dann mit der Global Design Thinking Alliance hinaus in die Welt ging. Seit sechs Jahren gibt es auch eine d.school in Südafrika, deren neues Haus an der Cape Town University zum diesjährigen d.confestival eröffnet wurde. Zielgruppe sind Studenten mit einem bereits abgeschlossenen Studium, Unternehmen und gemeinnützige Organisationen.

Hasso Plattner (rechts) zusammen mit Richard Perez, Leiter der d.school Afrika, auf der Abendveranstaltung; Foto: Ulrike Reinhard

Plattner machte DT bei der SAP zur Chefsache. DT und Strategieentwicklung und -umsetzung wurden in seinem Unternehmen eng miteinander verknüpft. Die Computer-Ingenieure sollten aus ihren „Echo-Chambers“ heraustreten und die Kunden von SAP in den Designprozess der SAP-Lösungen einbinden. Produktentwicklung mit dem Kunden, nicht für  den Kunden, das war Plattners Ziel. In seiner Eröffnungsrede nannte er zwei weitere wichtige DT-Prinzipien:

  1. Baue Feedback-Schleifen in den Prozess ein; wiederhole, definiere neu und wenn es sein muss, fange wieder von vorne an!
  2. Akzeptiere die Mitglieder eines Teams als das, was sie sind – Mitglieder des Teams. Sie fahren vielleicht langsam, wenn du schnell fahren willst, sie fahren links, wenn du rechts abbiegen willst, sie sind vielleicht „hinter“ dir, was das Alter oder die Erfahrung angeht – trotzdem: Höre zu!

DT war Erfolgsfaktor der Transformation von SAP

Bei SAP schuf Plattner die Stelle des Chief Design Officers (CDO), und knapp 600 SAP Manger wurden in einem ersten Schritt im DT geschult. Dieser Prozess ging zeitgleich einher mit der Transformation von SAP zu einem Cloud Unternehmen. Es war Learning by Doing! Was im DT gelernt wurde, wurde direkt in diesem Transformationsprozess angewendet. Sowohl Sam Yen, erster CDO bei SAP, als auch Jeanett Modise, ehemals Head of HR, SAP Afrika, sind sich sicher, dass DT ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor dieses Wandels war.

Jeanett Modise, Human Resources Executive bei SAP und Business Coach; Foto: Ulrike Reinhard

Modise definiert DT als ein Vehikel, um besser und schneller Prozessabläufe auszuführen. DT sagt sie im Talk auf der Bühne, ist kein „Extra“, es ist vielmehr in den jeweiligen unternehmerischen Kontext eingebunden und kann so ganz unterschiedliche Bereiche wie Kostenstrukturen und Unternehmenswerte umfassen. Die Mitarbeitenden müssen DT atmen und leben – es ist ein ganz essentieller Bestandteil der Unternehmenskultur, der genau wie monetäre Zielgrößen in die Mitarbeiterbewertung mit einfließt. Zumindest bei SAP.

Sam Yen ist mittlerweile seit fünf Jahren bei JP Morgan tätig, aktuell in der Rolle als Chief Innovation Officer Commercial Banking. Er erzählt mir auf der Konferenz, dass er seinen neuen Job u.a. deshalb angefangen hat, um zu beweisen, dass der DT-Erfolg bei SAP kein Zufall ist, sondern das Ergebnis eines designgetriebenen Innovationsprozesses. Es geht darum, die wahren Bedürfnisse der Endnutzer und Kunden zu entdecken und Lösungen für diese Probleme zu entwerfen. Sein Job ist bereichsübergreifend im Unternehmen angesiedelt, und er genießt volle Unterstützung von der Unternehmensleitung. Das sei überlebenswichtig, so Sam Yen. Ebenso wichtig ist es, sagt er, die Zeit und den Raum zu bekommen, um die Arbeit richtig zu machen.

Sam Yen, Chief Innovation Officer Commercial Banking, JPMorgan Chase & Co; Foto: Sam Yen 

Yen beschreibt in seinem Vortrag eindrücklich vier Phasen des DT bei einem großen, internationalen Unternehmen:

  1. Man muss sich bewußt sein, dass man mit der Einführung von DT einem Prozess in der Organisation anstösst – mit allen Höhen und Tiefen. Dieser Prozess entwickelt sein ganz eigenes Tempo, man kann ihn nicht in einen zeitlichen Rahmen einbinden, und er basiert auf Vertrauen. Zu Beginn sind es nur wenige Mitarbeitende, die sich auf diesen Prozess einlassen. Er nennt sie „Lonely Soldiers“.
  2. Die zweite Phase bezeichnet er als „Erfolg in Silos“. Die ersten DT-Projekte sind erfolgreich verlaufen und schaffen im weiteren Kreis des Unternehmens Vertrauen. Neue DT-Projekte werden initiiert. Auch in dieser Phase bedarf es noch der vollen Unterstützung der Exekutive.
  3. Erst in der dritten Phase erfolgt der Dreh von „push zu pull”. DT-Projekte müssen dann nicht mehr „angepriesen“ werden, sondern neue Unternehmensbereiche wollen das Tool zur Lösung ihrer Probleme einsetzen, weil deren Mitglieder gesehen und gehört haben, dass DT in anderen Bereichen erfolgreich war. DT nimmt Fahrt auf.
  4. Und in der vierten Phase kann man dann skalieren und es auf das ganze Unternehmen ausweiten. Neue Mitarbeitende werden eingestellt, und DT wird zum integrativen Bestandteil der Unternehmenskultur.

UBUNTU bietet einen idealen Rahmen für DT

Die Hasso Plattner d.school in Kapstadt ist vor sechs Jahren angetreten, so Richard Perez, ihr Leiter, um das Potenzial von DT in Afrika zu erweitern und neue Problemlösungen für die Welt zu schaffen. „Die Welt braucht afrikanische Lösungen“, betont er auf der Konferenz. Ich bin, weil wir sind!das afrikanische humanistische Ethos UBUNTU, hierzulande eher bekannt aus der Open Source/Linux Software-Welt, inspiriert den afrikanischen DT-Prozess. Mugendi M’rithaa, Industriedesigner, Pädagoge und Forscher aus Kenia, legte in seiner Session eine durch UBUNTU inspirierte Roadmap für eine integrative, verantwortungsvolle Designführung vor. Bescheidenheit, Demut und Empathie kommen darin sehr stark zum Ausdruck. Wir können nicht Erfolg haben, wenn andere noch verzweifelt sind, untersteicht M’rithaa. Führen sei die Aufgabe eines jeden und einer jeden Einzelnen und das „Mensch sein“ ist immer wichtiger als das, was Menschen machen. Für M’rithaa bietet UBUNTU den idealen Rahmen für DT.

Die südafrikanische Kultband Micasa verwandelte die d.school am Abend in einen Club; Foto: Ulrike Reinhard

Mit dem neuen Gebäude an der neuen Location richtet die d.school ihr Angebot an die unterschiedlichen Fakultäten der Universität von Cape Town – genau wie es auch in Stanford und dann auch an der Universität in Potsdam geschehen ist –, und sie wendet sich an Unternehmen und nichtkommerzielle Einrichtungen auf dem ganzen afrikanischen Kontinent. Wir sind gespannt, wo die Reise hinführt.


Der Beitrag wurde geschrieben von

Ulrike Reinhard
Ulrike Reinhard, Gründerin von Janwaar Castle und The Rural Changemakers. Digitale Nomadin.
20.10.2022
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