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Online Educa 2005: Ist die Welt bereit für den Homo Zappiens?

Auch in 2005 verbuchte die Online Educa einen Teilnehmerrekord: 1.890 Besucher aus 73 Ländern wurden gezählt - fast 200 mehr als im vergangenen Jahr. So zahlreich wie die Besucher waren auch die Themen der weltweit größten internationalen Konferenz für technologisch gestützte Aus- und Weiterbildung: Sie reichten von Open Content über informelles Lernen bis zu Knowledge-Management.

Laute Rhythmen statt warmer Worte - die Besucher der Online Educa wurden gegen Ende des ersten Kongresstages noch einmal so richtig wachgerüttelt: 'Educate in a new way', rappten ihnen vier junge Männer entgegen. 'Don’t change tomorrow, change today.'

Die Musiker waren Repräsentanten der Spezies Homo Zappiens. Ihre Botschaft: Mit traditionellen Lernmethoden sind wir hoffnungslos unterfordert. 'Der Homo Zappiens lernt anders als wir', erläuterte Wim Veen, Professor an der Delft University of Technology und verantwortlich für die Musikeinlage der Jugendlichen. 'Er lernt nicht-linear, selbstbestimmt, aktiv und spielerisch.' Das Konzept des Homo Zappiens stellte der Niederländer in der Session 'Future Visions' der Online Educa vor, die Anfang Dezember 2005 in Berlin stattfand.

Warum diese Generation, die der US-amerikanische Autor Marc Prensky Digital Natives nennt, anders an (Lern-)Inhalte herangeht, lag für Veen auf der Hand: 'Der Homo Zappiens ist aufgewachsen mit der PC-Maus in der Hand und einem Bildschirm als Fenster zur Welt.' Mühelos surft er durch die Informationsflut und kommuniziert parallel mit bis zu zehn Freunden gleichzeitig - rund um die Uhr, an allen Tagen der Woche.

Die wenigsten Schulen jedoch - so Veen - haben sich auf diese Net Generation eingestellt. Im Gegenteil: An vielen werde noch unterrichtet wie vor 150 Jahren. Kein Wunder also, dass viele Jugendliche nur aus einem Grund in die Schule gingen: um Freunde zu treffen.

Homo Zappiens setzt auf Instant Messaging statt E-Mail

Doch auch die Arbeitswelt ist auf das Phänomen Homo Zappiens nicht vorbereitet, gab Barbara Wasson zu bedenken, die ebenfalls in der Session 'Future Visions' sprach. 'E-Mail gehört in vielen Organisationen zu den Must-Use-Technologien', nannte die Professorin der Universität Bergen, Norwegen, ein Beispiel. 'Für junge Leute ist die Kommunikation per Mail indes altmodisch: Sie setzen auf Communities und Instant Messaging.' Was passiert, wenn diese Screenager ins Berufsleben treten, darüber wagte die Wissenschaftlerin nur eine vage Prognose: 'Auf jeden Fall werden wir unsere Vorstellungen von Lernen und Lehren überdenken müssen.'

Digital Immigrants im Blick

Doch im Morgen des Lernens ist auch die E-Learning-Welt noch nicht: Im Fokus der meisten Vorträge jedenfalls standen nicht die Digital Natives, sondern die Digital Immigrants. Jene Generationen also, die nicht mit PC und Handy großgeworden sind und den Umgang mit den digitalen Medien erst nachträglich erlernen mussten. Und die haben bekanntermaßen andere Probleme.

Beispiel Informationsflut: Während der Homo Zappiens intuitiv aus dem Überangebot an Nachrichten und Medien das herauspickt, was er braucht, sind Digital Immigrants angesichts dieser Massen schlicht überfordert, so die Beobachtung von Umberto Paolucci. 'Wir brauchen Werkzeuge, die uns helfen, diese Komplexität zu delegieren, Informationen zu kategorisieren und zu vereinfachen', stellte der Senior Chairman von Microsoft EMEA in seinem Vortrag fest.

Mircosofts neues Betriebssystem Vista, das 2006 auf den Markt kommen soll, soll solche Tools bereithalten: 'Mithilfe von Vista kann die Organisation und Suche von Daten vereinfacht werden', warb Paolucci für sein Produkt. So biete eine Live-Vorschau die Möglichkeit, in Anwendungen, Dokumente oder Videos 'hineinzublicken' und das Element zu identifizieren, das benötigt wird.

Eine weitere Möglichkeit, die Suche nach Informationen zu erleichtern, stellte Dr. Yael Ravin vor: Die Leiterin der Abteilung Learning Technologies bei IBM zeigte Collaboration-Tools, die das informelle Lernen bei dem Softwarekonzern unterstützen. Mithilfe so genannter Blue Pages, einer Art Gelbe Seiten im Intranet, haben die Mitarbeiter Zugriff auf Informationen über all ihre Kollegen - von deren Expertise und Kundenbeziehungen über Hobbies bis hin zu den Kontaktdaten. 'Auf diese Weise weiß jeder, wer bei Problemen der richtige Ansprechpartner für ihn ist, und kann die betreffende Person direkt kontaktieren', schilderte Ravin die Vorteile.

Lifelong Learning: Mehr als nur 'nice to have'

Mit dem Thema informelles Lernen setzte sich indes nicht nur die IBM-Expertin auseinander: Es wurde von einer Reihe von Rednern aufgegriffen und als einer der (E-)Learning-Trends gehandelt. So auch von Ravins Kollege Dr. Richard Straub, der - einmal mehr - als Keynote-Speaker in Erscheinung trat: 'Um die Herausforderungen, die durch die Globalisierung und den damit einhergehenden steten Wandel von Märkten und Technologien auf uns zukommen, meistern zu können, müssen wir lernen', so der Director of Learning Solutions IBM EMEA. 'Und das wiederum heißt: Lebenslanges Lernen ist nicht länger ,nice to have', sondern muss Teil unserer Kultur werden.'

Straub hatte eine klare Vorstellung von dieser Learning Society: 'Wir brauchen ein offenes Ecosystem, das Lernende mit Lehrenden, sowie mit Eltern, Bildungseinrichtungen und Firmen vernetzt und User-zentriertes, kollaboratives und flexibles Lernen ermöglicht.' Formelle Lernszenarien, so die Prognose von Straub, werden in diesem Kontext an Bedeutung verlieren.

Bridging the Digital Divide: Bildung für alle

Bevor Straubs Vision von einem weltweiten Ecosystem allerdings Realität werden kann, muss noch ein weiter Weg zurückgelegt werden. Allein in den Entwicklungsländern sind Milliarden von Menschen ohne Zugang zu Bildung. Kein Wunder also, dass der Digital Divide ebenfalls prominentes Thema der Online Educa war.

Als potenzielle Möglichkeit, diese digitale Kluft zu schließen, wurde der Einsatz von Open Educational Resources (OER), Open Source Software (OSS) und Open Content (OC) diskutiert. 'Gegenüber anderen Ansätzen zum Courseware-Sharing hat die Arbeit mit OERs eine Reihe von Vorteilen', stellte Sir John Daniel, Präsident und CEO des kanadischen Commonwealth of Learning, heraus. 'Sie ermöglichen den Bildungseinrichtungen der Entwicklungsländer, Content und Software eigenständig weiterzuentwickeln.'

Auf diese Weise, so Sir John, ist das Teilen und Adaptieren von Courseware auf einer ebenbürtigeren Ebene möglich. Hindernisse, wie das 'not-invented-here'-Syndrom oder das Copyright-Problem, könnten überwunden, der Digital Divide geschlossen werden.

Dieses Bild vom 'Building Bridges' war denn auch so etwas wie das inoffizielle Motto der Online Educa 2005, die eine Reihe von Denkanstößen lieferte, um Brücken zu bauen - zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen, zwischen Homo Zappiens und Digital Immigrants, zwischen Lern- und Arbeitsprozessen.
Autor(en): (stb)
Quelle: Training aktuell 01/06, Januar 2006
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