Schlauer lernen

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Vertrauen Sie auf das Nichtmessbare

Henning Beck erklärt, warum wir Lernerfolg nicht messen sollten.

Wir leben in einer Zahlenwelt. Kaum ein Bereich, der sich gegen eine numerische Zwangsquantifizierung wehren kann: Likes, Klicks, Shares bestimmen den Erfolg der größten Geschäftsmodelle der Gegenwart. Nur wenn etwas eine Kennzahl hat, ist es existent. Menschen tracken mit Smartwatches ihr Fitnesslevel und überprüfen morgens, welchen Score sie beim Schlafen erreicht haben. Neulich musste ich auf einer Bahnhofstoilette im Anschluss auf ein Smiley drücken, um meine Zufriedenheit messbar zu dokumentieren. Selbst vor dem stillen Örtchen macht der Controlling-Drang keinen Halt.

Was wir dabei nicht vergessen dürfen: Weite Bereiche unseres Lebens sind unmöglich zu messen. Glück, Hoffnung, Vertrauen haben allesamt keine Kennzahlen – und die größten Fragen beantworten wir nicht mit einer quantitativen Kosten-Nutzen-Analyse: Was ist Ihnen wichtiger, Freiheit oder Sicherheit? Was bedeutet Gesundheit für Sie? Was finden Sie niedlicher: ein Eichhörnchen oder einen Teddybären? Selbst wirtschaftlich äußerst relevante Parameter sind zwar erkenn-, aber nicht quantifizierbar: Ideen, Wissen, Erfahrung, Kompetenz. Es existieren noch nicht einmal skalierbare Größen. Wir können nicht sagen, dass wir „einen Meter Wissen“ haben oder „zwei Kilo Ideen“.

Gerade weil wir das nicht können, fallen wir viel zu häufig auf ein übersteuertes Messbarkeitsstreben herein – und flüchten uns in Mikromanagement. Denn je weniger greifbar etwas ist, desto unsicherer fühlt man sich. Wie soll man das kontrollieren, was man nicht messen kann? Das Falscheste wäre es, es zu sehr zu versuchen. Je mehr man Menschen dabei beobachtet, wie sie lernen, sich konzentrieren, arbeiten oder schlicht denken, desto schlechter werden sie darin. Gerade beim Lernen fällt das besonders schwer, denn es ist der vielleicht größte Bereich des Nichtmessbaren. Denn wann ist der Lernerfolg am größten? Wenn man in der Abschlussprüfung die beste Note bekommt? Wenn man zehn Jahre nach der Abschlussprüfung möglichst wenig vergessen hat? Wenn man sich auf dem Weg zur Abschlussprüfung am meisten verbessert hat? Weil Lernen unquantifizierbar ist, werden Lehrer auch nicht nach Erfolg gemessen. Es gibt zumindest keinen Bonus dafür, wenn man seine Klasse am meisten verbessert hat. Dieses Vorgehen ist in der Berufswelt nahezu einzigartig.

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Das bedeutet natürlich nicht, dass man Weiterbildung nicht optimieren kann. Allerdings sollte man dabei niemals vergessen, dass man es immer mit nicht quantifizierbaren Größen zu tun hat. Und diese kann man dann am besten verbessern, wenn man Menschen ein wenig Freiheit gibt. Je starrer das Lernsystem, je größer das Vergleichbarkeitsstreben, desto uniformer das Ergebnis.

Als ich in den USA war, wunderte ich mich, dass Prüfungen zu großen Teilen per Multiple Choice durchgeführt werden. Die Eindeutigkeit der Messbarkeit liegt bei 100 Prozent. Doch tatsächlich wird nicht die Fähigkeit des Wissenserwerbs getestet, sondern die Fähigkeit, Kreuzchen richtig zu setzen. Umgekehrt gilt jedoch auch: Ganz ohne Tests und Noten geht es auch nicht, denn sie schulen die Fähigkeit, für eine Deadline zu trainieren und in einem konkreten Moment Leistung zu zeigen. Die Mischung ist entscheidend: Freiheit im Lernprozess und Eindeutigkeit am Ende. Denn Lernen ist der Übergang von Unklarheit zu Klarheit. Er ist nicht messbar – hat aber messbare Auswirkungen.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „12 Gesetze der Dummheit“. Kontakt: henning-beck.com

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