Schlauer lernen

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Ideenkiller Bildschirmarbeit

Henning Beck erklärt, wann Arbeiten im virtuellen Raum Nachteile hat.

Man stelle sich vor, die Corona-Pandemie wäre vor 20 Jahren über uns hereingebrochen: Wir wären aufgeschmissen gewesen. Keine Möglichkeit für Online-Meetings, keine Videocalls im Homeoffice, kein gemeinsames Bearbeiten von digitalen Dokumenten in der Cloud. Doch nach über zwei Jahren zwangsverordneten Homeoffice-Phasen stellt sich nun die Frage, ob das ein wirklich zukunftsfähiges Modell ist: Leute digital zu Meetings dazuzuschalten und so viel wie möglich von zu Hause arbeiten zu lassen. Während die ersten Unternehmen frohlocken und die eingesparten Büroflächen durchkalkulieren, bringen streitbare Typen wie Elon Musk einen anderen Wind in die Sache: Wer nicht wieder ins Büro will, solle gerne „woanders so tun, als würde er arbeiten“ und kündigen. Der Chef-Entwickler von Künstlicher Intelligenz bei Apple hat das im Übrigen vor einigen Wochen getan. Denn seiner Ansicht nach war die unflexible Homeoffice-Regelung von Apple nicht mehr zeitgemäß. Doch ist das Arbeiten mit Videocalls im Homeoffice wirklich so schädlich wie befürchtet?

Zumindest wenn es um den Aspekt der Kreativität geht, schon. Mittlerweile häufen sich die Studien, die gerade dem kreativen Austausch substanzielle Nachteile durch Videocalls zuschreiben. So untersuchte man im Frühjahr dieses Jahres, welchen Effekt virtuelle Kommunikationsformen auf den Ideenreichtum der Leute hat. Ergebnis: Sobald Leute in einem Videogespräch auf neuartige Ideen kommen sollen, tun sie sich besonders schwer. Der Grund liegt am digitalen Gerät an sich. Jeder, der schon mal in einem Videocall war, kennt nämlich das Phänomen, dass man nicht so genau weiß, wo man hinschauen soll. In die Kamera? Dann schaut man in ein schwarzes Loch. Auf das Bild der anderen Person? Dann schaut man sie nicht direkt an. Folge: Der Bildschirm bindet wie ein Magnet unsere Aufmerksamkeit. Genau das ist schädlich für den kreativen Prozess, denn Menschen kommen immer dann auf gute Ideen, wenn sie ihre Blicke schweifen lassen. Man schaut für kurze Zeit ins Leere mit der Folge, dass wir in diesem Moment nicht mehr analytisch, sondern assoziativ denken. Das Gehirn aktiviert genau in diesem Moment extra ein weit verzweigtes Nervennetzwerk im hinteren Bereich des Kopfes und reguliert das fokussierte Denken im Stirnbereich herunter. Genau dieses wortwörtliche Über-den-Tellerrand-Schauen wird in Online-Meetings unterbunden.

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Hinzu kommt der Effekt, dass Videocalls oftmals sehr strukturiert und orchestriert sind. Genau dann sind Videogespräche auch sinnvoll einsetzbar. In der gleichen Kreativitätsstudie kam nämlich ebenfalls heraus: Die Teilnehmer von Videogesprächen waren zwar weniger gut im Finden neuer Ideen, doch wenn es um das Auswählen der besten Ideen ging, waren sie genauso gut darin wie die Personen, die sich persönlich begegneten. Sprich: Analytisches und organisierendes Arbeiten gerne vor dem Bildschirm, digital und virtuell. Doch das kreative Arbeiten bleibt eine analoge Angelegenheit. Denn der spontane Austausch bleibt wichtig, um nicht gleich in einem analytischen Denkmodus gefangen zu werden. Als Steve Jobs das Pixar-Gebäude konzipierte, war genau das die ursprüngliche Idee: dass man nämlich nur einen Toilettenbereich für alle 1.200 Angestellten einbaute. Denn jeder, egal ob aus dem Vorstand oder als Azubi, muss irgendwann aufs Klo – und diese spontanen abteilungsübergreifenden Begegnungen machen Menschen wirklich kreativ. Natürlich hat man mehrere Toiletten eingebaut, Hygiene ist schließlich ebenfalls nicht unwichtig beim persönlichen und kreativen Austausch. Solange man auf eine Balance zwischen digitalen und physischen Arbeitsformen achtet.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt: www.henning-beck.com

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