Schlauer lernen

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Falsch erklärt ist gut kapiert

​Warum es für die Vermittlung von Wissen hilfreich sein kann, sich erst einmal in einen Fehler zu verrennen.

Stellen Sie sich vor, Sie haben zwei Kugeln, in jeder Hand eine. Beide sind gleich groß, aber eine ist doppelt so schwer wie die andere. Sie lassen beide Kugeln gleichzeitig los, welche wird wohl zuerst auf den Boden fallen? Vielleicht würde man intuitiv vermuten, dass die schwere Kugel schneller auf den Boden fällt, weil sie von der Erde „stärker angezogen“ wird. Nehmen wir mal an, diese Erklärung stimmt, was würde dann passieren, wenn man beide Kugeln aneinander befestigt? Bremst die leichte die schwere Kugel ab, sodass sie mit einer mittleren Geschwindigkeit fallen? Oder andersrum: Zieht die schwere die leichtere mit nach unten? Wenn ja, wie passt das dazu, dass schwerere Objekte schneller fallen? Zwei aneinander befestigte Objekte sind am schwersten, müssten also am schnellsten fallen. Merke: Es entsteht ein Widerspruch, irgendetwas kann nicht stimmen. Die Lösung muss also lauten: Beide Kugeln fallen gleich schnell.

Das obige Gedankenexperiment nennt man einen didaktischen Widerspruchsbeweis, weil man irgendwann erkennt, dass man mit seiner Erklärung auf dem Holzweg ist. Eigentlich ist das eine ziemlich umständliche Art, neues Wissen zu vermitteln. Wozu sich erst in einen Fehler verrennen? Man könnte doch gleich erklären, dass die Kugeln gleich schnell fallen, noch einen kurzen Beweis hinterherschieben, dann ein paar Übungsaufgaben dazu rechnen lassen, fertig. Doch die Wissenschaft zeigt, dass dies nicht effizienter ist. Diejenigen, die eine zunächst falsche Erklärung entwickeln, haben einen gewaltigen Vorteil: Sie haben sich selbst aktiv mit dem Problem beschäftigt – und haben plötzlich erkannt, dass sie selbst nicht weiterkommen. Genau dann entsteht jedoch der Wunsch nach Auflösung. So vorbereitet ist man empfänglich für das korrekte Ergebnis.

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Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie man sich einem Sachverhalt didaktisch nähern kann: Sie können ihn beschreiben oder ihn erklären. Leider tendiert man in vielen Lehrsituationen dazu, auf Beschreibungen zurückzugreifen und Erklärungen außen vor zu lassen. Dabei zeigt sich, dass das aktive Erklären (warum oder wozu etwas passiert) wichtige Voraussetzung dafür ist, die Dinge auch wirklich zu verstehen. Selbst wenn die Erklärung kompletter Schrott ist, behalten Menschen anschließend nicht nur die korrekte Erklärung viel nachhaltiger – sie sind auch viel besser in der Lage, das erworbene Wissen auf neue Situationen zu übertragen. Sprich: Sie geben nicht nur das wieder, was sie aufgenommen haben, sondern bauen es aktiv in ein Denkmodell ein.

In der Lernforschung nennt man diesen Ansatz „Desirable Difficulties“, die erwünschten Schwierigkeiten, die man im Laufe einer Wissensvermittlung einbauen muss. Denn Lernen darf alles sein: locker, abwechslungsreich, kurzweilig, spannend. Aber eines darf es niemals sein: einfach. Denn sobald es einfach wird, geht man in eine passive Rolle über. Wenn man jedoch selbst eine Erklärung liefern soll, muss man sich anstrengen und erkennt im besten Fall, woran es noch hakt. Wann immer Sie wollen, dass Menschen die Dinge möglichst schnell kapieren, gehen Sie einen Umweg: Lassen Sie sich Erklärungen liefern. Selbst die falscheste Erklärung ist immer noch besser als gar keine. Lösen Sie erst so spät wie möglich auf. So kann jeder sein falsches Erklärmodell anpassen. Und nebenbei: Nur wer später einen Sachverhalt wirklich erklären kann, hat ihn auch kapiert. Spätestens dann sollten aber keine Fehler mehr passieren.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt: www.henning-beck.com

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