Schlauer lernen

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Der Lerntypen-Unsinn

Die Bestimmung des Lerntyps ist wunderbar eingängig. Leider ist sie aber auch wunderbar falsch, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.

Was macht man heute, wenn man sich informieren will? Man googelt. Das habe ich vor einiger Zeit auch getan und die Begriffe „Lernen lernen“ eingegeben. In wenigen Augenblicken kommt man so auf allerlei Seiten, die einen besonders eingängigen und effektiven Zugang zum Thema „Lernen“ versprechen: nämlich die Bestimmung des individuellen Lerntyps, also ob man eher visuell, auditiv, haptisch oder kommunikativ lernt. Natürlich habe ich einen solchen Test sofort gemacht und war vom Ergebnis nicht überrascht: Ich soll der „kommunikative Lerntyp“ sein, also am besten lernen, indem ich etwas erkläre oder präsentiere. Nun ja, keine besonders neue Erkenntnis. Es gibt in meinem Umfeld niemanden, den ich mit meinen ausschweifenden Erklärungen noch nicht genervt habe – und Vorträge halte ich nachweislich, seitdem ich drei Jahre alt bin.

Die Bestimmung des Lerntyps ist wunderbar eingängig, weil er das umfangreiche Phänomen des Lernens besonders griffig eindampft und gleich konkrete Handlungsempfehlungen gibt. Leider ist er auch wunderbar falsch. Als pädagogischer Untoter wandelt der Lerntypen-Mythos seit vielen Jahren durch didaktische Konzepte, während die Wissenschaft ihn längst widerlegt hat. Schon das zugrundeliegende Prinzip ist Unsinn: Man bestimmt seinen Lerntyp und soll dann entsprechend seiner Lernvorlieben lernen? Das ist in etwa so, wie wenn ich einen Test zu meinem Lieblingsessen mache. Bei mir käme zum Beispiel heraus: Schokocroissants, Kekse, Quarkteilchen und Käsekuchen. Ich wäre also der süße Esstyp. Der Lerntypen-Argumentation folgend müsste ich mich anschließend nur noch von Gebäckteilchen und Torten ernähren, weil das ja meinen Essvorlieben entspricht. Ganz ehrlich: Nach drei Tagen wäre ich selbst des leckersten Käsekuchens überdrüssig, denn erst die Abwechslung macht die Sachen lecker.

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Gleiches gilt fürs Lernen: Erst eine Durchmischung macht die Lerneinheiten lecker, pardon: eingängig. Wer hingegen überwiegend auf die Art lernt, wie man es im Lerntypentest bestimmt hat, schafft sich eine selbsterfüllende Prophezeiung: Als visueller Typ lernt man beispielsweise über (Schau-)Bilder und Videos. Das Gehirn ist nicht doof und passt seine Lernstrategien folglich an, sodass man am Ende eben besser auf Bilder anspringt. Allerdings verkauft man sich auf diese Weise unter Wert, denn viele didaktische Möglichkeiten des Lernens bleiben ungenutzt.

Vergessen Sie deswegen den Lerntypen-Unsinn. Er lenkt von der didaktischen Wirklichkeit ab: Wir lernen immer dann am besten, wenn wir mediale Wechsel einbauen. Menschen tendieren dazu, ein eingefahrenes Lernmuster beizubehalten und per Bild gelernte Informationen auch mit weiteren Bildern zu wiederholen. Tatsächlich zeigt sich jedoch, dass Informationen dann im Gehirn zu Wissen verarbeitet werden, wenn man die benutzten Medien verändert. Wer also zunächst ein Video schaut, anschließend ein eigenes Schaubild entwirft und dieses anderen Leuten präsentiert, nutzt gleich mehrere „Lernkanäle“ auf einmal. So umgeht man eine Lernmonokultur und aktiviert verschiedene Regionen im Gehirn. Das ist wichtig, denn konzeptionelles Wissen, das Verstehen von Zusammenhängen und Begreifen von Sachverhalten findet nicht in einem einzigen Areal statt, sondern in einem Sammelsurium, das sowohl für räumliches Vorstellen, für Gedächtnisinhalte, für Wortbedeutungen und für Handlungsplanung zuständig ist. Mit anderen Worten: Sie sind ein visuell-auditiver-haptischer-kommunikativer Lerntyp – und damit bestens vorbereitet für eine multimediale Welt.

Der Autor: Henning Beck ist Neurowissenschaftler, und zwar einer der verständlichen. In Vorträgen und Seminaren vermittelt er die spannenden Themen des Gehirns. Sein aktuelles Buch heißt „Das neue Lernen heißt Verstehen“. Kontakt:  www.henning-beck.com

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