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Neues vom AGG: Die Personalabteilung sind aufgewacht

Grantig sind Deutschlands Personalverantwortliche immer noch über das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das am 18. August 2006 in Kraft getreten ist: Einer 'Blitzumfrage' der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) zufolge sind 88 Prozent der 123 Befragten der Ansicht, das AGG gehe an der Realität der Personalarbeit vorbei. Der Unmut verwundert kaum angesichts der Tatsache, dass fast alle befragten Personaler (92 Prozent) mit erhöhtem Verwaltungsaufwand rechnen.

Doch während viele Personalverantwortliche noch bis zum Sommer 2006 den Kopf in den Sand steckten, ging nun ein Ruck durch ihre Reihen. Der Umfrage zufolge haben jedenfalls 90 Prozent der Firmen begonnen, ihre Personalmanagementprozesse und -instrumente hinsichtlich der Kompatibilität mit dem AGG zu analysieren. Handlungs- und Änderungsbedarf haben die Firmen vor allem in Sachen Rekrutierung ausgemacht: In 70 Prozent der befragten Unternehmen erwiesen sich die Stellenanzeigen als nicht AGG-konform, in 65 Prozent der Betriebe haperte es an den Personalfragebögen und in 62 Prozent der Firmen waren die Anforderungsprofile nicht im Sinne der Gleichbehandlungsrichtlinien. In Sachen Grundvergütung und Weiterbildung entdeckten die meisten Befragten dagegen keinen Änderungsbedarf.

Vorsorge gegen mögliche Klagen treffen fast alle: So dokumentieren 84 Prozent der befragten Betriebe die Gründe für eine Ablehnung im Bewerbungsverfahren genau, fast drei Viertel der Firmen bewahren die Bewerbungsunterlagen bis mindestens zum Ablauf der Beschwerdefrist auf. Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) führen Einstellungsgespräche nur noch zu zweit durch. Die neue Vorsicht hat auch zur Folge, dass 79 Prozent der Betriebe nur noch inhaltsleere Absageschreiben versenden und dass jedes dritte Unternehmen nicht mehr auf Nachfragen abgelehnter Bewerber reagiert. Womit der Kontakt zwischen Bewerbern und Unternehmen insgesamt formeller und unverbindlicher wird, urteilt die DGFP. Besonders unterkühlt ist er gewiss dann, wenn im Einstellungsgespräch, aus Furcht, sich in die Nesseln zu setzen, sogar auf Small Talk verzichtet wird - was immerhin in sieben Prozent der Betriebe der Fall ist. Der AGG-Vorgabe, die Mitarbeiter über die neuen gesetzlichen Regelungen zu informieren, gehen die Betriebe nach, indem sie meist mehrere Informationskanäle einsetzen: vorwiegend das Intranet und das schwarze Brett. Merkblätter und Flyer, Betriebsversammlungen, Schulungen sowie individualisierte Infos per E-Mail oder das Gespräch mit dem Vorgesetzten sind dagegen seltener. Die Furcht der Unternehmen, von einer AGG-bedingten Klagewelle überrollt zu werden, hält sich allerdings in Grenzen.

Erste Klagen: Piloten gegen Ruhestand mit 60

Indes: Einen großen deutschen Konzern hat das Schicksal 'AGG-basierte Klage' schon ereilt. Die deutsche Lufthansa wurde jüngst von drei ihrer Piloten unter Berufung auf das Gesetz verklagt. Das Luftfahrtunternehmen verpflichtet seine Flugkapitäne nämlich per Tarifvertrag dazu, mit 60 Jahren in Rente zu gehen, während der Gesetzgeber für Berufspiloten ein Maximalalter von 65 Jahren angesetzt hat. Ein klarer Fall von unangemessener Altersbenachteiligung, meinen die Kläger. Der Fall wird derzeit vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/Main verhandelt. Doch er könnte sich zu einem Präzedenzfall entwickeln, wenn die Flugzeugführer mit ihrer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof landen sollten.

Gerichtliche Auseinandersetzungen über das AGG dürfte es auf europäischer Ebene indes ohnehin noch genug geben. Denn so mancher Punkt im deutschen Gesetz ist nach Ansicht von Experten nicht europarechtskonform, z.B. der Bereich Kündigungen. Im AGG bleibt er unberücksichtigt. Stattdessen wird auf die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz verwiesen. Was an der Sache verwirren mag: Derweil werkelt der Gesetzgeber hierzulande fleißig weiter am flugs verabschiedeten AGG herum - und hat unter anderem eine Ziffer gestrichen, die eben doch Bestimmungen für den Fall betriebsbedingter Kündigungen enthielt: Demnach sollte eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt sein. Alles in allem gilt: Es steht zu befürchten, dass das AGG ein Reparaturgesetz wird. Die Sache bleibt spannend. Nicht zuletzt für Deutschlands Personaler. Die Studie 'AGG - Wie reagiert das Personalmanagement' steht zum kostenlosen Download im Internet bereit.
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