Führung meets Coaching
Führung meets Coaching

Absolute Annahmen hartnäckig hinterfragen

Warum es oft sinnvoll ist, das, was Mitarbeitende als absolute Wahrheit deklarieren, konsequent zu hinterfragen, erläutert Martin Wehrle aus Coachingperspektive.

Menschen halten das für wahr, was ihnen nützt. Diese Überzeugung vertrat der amerikanische Psychologe und Philosoph William James. Wenn jemand an Gott glaubt, dann nicht, weil es Gott gibt – sondern weil es ihm mit diesem Glauben besser geht. Und wenn jemand nicht an Gott glaubt, dann genau aus dem gleichen Grund. Was ein Mensch für wirklich hält, hat mehr mit ihm selbst als mit den Fakten zu tun.

Am Arbeitsplatz gilt dasselbe. Zum Beispiel sagt ein Mitarbeiter: „Wir haben unpünktlich geliefert, weil der Termin zu eng gesetzt war.“ Ist diese Überzeugung nützlich für den Mitarbeiter? Fraglos, denn so geht der geplatzte Termin nicht auf seine Kappe, und auch das Team ist aus dem Schneider. Einzig und allein die Terminplanung steht am Pranger. Der direkte Zusammenhang zwischen der Terminplanung und dem Scheitern wird vorausgesetzt. Es klingt die Überzeugung durch: „Der Termin war unter keinen Umständen einzuhalten.“ Als wäre das ein Naturgesetz.

Bei solchen absoluten Annahmen handelt es sich oft um Verzerrungen. Im Coaching hat es sich bewährt, solche intensiv und hartnäckig zu hinterfragen. Dazu bieten sich zum Beispiel provokante Fragen an: „Dann wäre jedes Team der Welt, auch das allerbeste und allerschnellste, an diesem Termin zu 100 Prozent gescheitert – ganz sicher?“ Oder: „Dann wäre das Scheitern unter keinen Umständen zu verhindern gewesen, ganz egal, wie sehr du die Arbeit besser organisiert und beschleunigt hättest?“ Oder, ins Positive abbiegend: „Angenommen, alle Räder hätten ganz optimal ineinandergegriffen – inwiefern wäre der Termin dann doch zu halten gewesen?“ Diese Fragen helfen dem Mitarbeiter dabei, seine Annahme infrage zu stellen. Kann es sein, dass der Termin eben doch zu halten gewesen wäre?

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Im zweiten Schritt empfehlen sich Fragen und Impulse, die das Gegenüber an seine Eigenverantwortung erinnern: „Bitte erklär mir, warum du dich auf einen Termin eingelassen hast, den du für unrealistisch hältst.“ Oder: „Was hättest du selbst unternehmen können, um einen realistischeren Termin durchzusetzen?“ Oder: „Welche Informationen von deiner Seite haben bei der Terminplanung eventuell gefehlt?“ Damit wird dem Gegenüber deutlich gemacht, dass die Terminplanung zumindest indirekt auch mit ihm selbst zu tun hat. Und schließlich kann auch direkt gefragt werden: „Welchen Nutzen hat es für dich, wenn du die Terminierung als Ursache dafür angibst, dass das Projekt sich verspätet hat?“ Und: „Welche Vorteile könnte es haben, wenn du die Verantwortung eher bei dir, beim Team und bei den Abläufen suchst?“

Nicht ausgeschlossen, dass der Termin im Beispiel tatsächlich zu knapp gesetzt war. Aber es ist wahrscheinlich, dass die monokausale Erklärung dazu die komplexe Wirklichkeit verzerrt. Mit fantasievollen und hartnäckigen Fragen, die Zusammenhänge infrage stellen, können wir Menschen helfen, alte Denkschienen zu verlassen und neue Möglichkeiten zu entdecken. Oft gelingt es auf diese Weise, Verzerrungen der Wirklichkeit sichtbar zu machen und aufzuheben.

Der Autor: Martin Wehrle ist Karrierecoach und Coachausbilder mit eigener Akademie in Hamburg. Sein aktuelles Fachbuch heißt „Die Coaching-Schatzkiste“. Kontakt: www.karriereberater-akademie.de

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