Gestört, gestärkt, gewachsen

Janwaar ist eines von 700.000 Dörfern in Indien. Es hat knapp 1.200 Einwohner und liegt im Madhya-Pradesh-Teil von Bundelkhand, einer der ärmsten Gegenden des Subkontinents, 630 km südlich von Delhi. Bundelkhand ist auch als der Wilde Westen von Indien bekannt; hier nimmt man Law and Order oft selbst in die Hand. Feudale Grundbesitzer dominieren die ländliche Bevölkerung und unterdrücken die unteren Kasten und Unberührbaren. Alles geht seinen vorbestimmten Weg. Überraschungen gibt es nicht. Stillstand.

Auch Janwaar erfüllte bis vor wenigen Jahren jedes Indien-Klischee, das wir aus Filmen kennen: Lehmhütten, Brunnen und Kastenherrschaft. Kinder in zerrissenen Kleidern mit großen braunen Augen. Frauen in wundervoll bunten Sarees, die Wasser schleppen. Rauchende, kartenspielende, laute Männer. Keine Strom- und Wasserversorgung, keine Toiletten, keine Klinik. Analphabetentum, Alkohol und Abfall. Arbeitslosigkeit, Armut und Unterernährung. Unterdrückung der Frauen, häusliche Gewalt und Kinderhochzeiten.

Aber der Stillstand ist vorbei. Die starren Kastengrenzen sind in Janwaar durchlässiger geworden. Lernen ist für die Dorfkinder zu einem relevanten Faktor avanciert – egal aus welcher Kaste sie stammen oder ob sie gar zu den sogenannten Unberührbaren gehören. Gerade die Mädchen haben eine erstaunliche Entwicklung vollzogen. Statt sich in Zwangsverheiratungen zu fügen, gehen viele von ihnen heute schulische und berufliche Wege, die früher undenkbar gewesen wären.

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