Learntec 2022

Sommerfrische und das neue Lernen

Nach zweieinhalb Jahren hat die Learntec wieder in Präsenz stattgefunden. Zwar konnte die Kongressmesse rund ums Thema digitales Lernen nicht ganz an die Zahlen der letzten Vor-Pandemie-Veranstaltung anknüpfen. Trotzdem war die Laune spürbar gut. Neues Lernen lag in der (Sommer-)Luft.

Foto: Nicole Bußmann

Liegestühle. Biertische. Sonnenschirme. Der Innenhof der Karlsruher Messe bot ein ungewohntes Bild. Zumindest den regelmäßigen Learntec-Besuchern, denn normalerweise herrscht schlechtes kaltes Regen- oder Schneewetter, wenn die Kongressmesse turnusmäßig Ende Januar /Anfang Februar ihre Tore öffnet. Corona sei Dank – dieses Jahr wurde vom 31. Mai bis 2. Juni bei Sonnenschein getagt. Ein neuer Termin, der, wie Britta Witz, Geschäftsführerin der Messegesellschaft, kundtat, auch die nächsten zwei Jahre beibehalten werden soll.

Nach zwei Jahren Online-Meetings, mit denen die Learntec-Verantwortlichen die Pandemiezeit überbrückten, war sichtliches Aufatmen ob des Präsenztreffens zu vernehmen. Zwar ließ die Messe etwas Federn: Statt 15.600 Besuchern und 411 Ausstellern 2020 waren es dieses Mal „nur“ 11.000 Teilnehmende und 370 Aussteller. Auch bekannte Aussteller wie SAP oder time4you fehlten. Der Zeitpunkt zwischen den Feiertagen, die Konkurrenz zu gleichzeitig stattfindenden Events und die vielleicht noch vorherrschende Zurückhaltung angesichts der Pandemie können Gründe – zumindest für den Besucherrückgang – gewesen sein.

Digitale Bildung hat an Bedeutung gewonnen

Dass das Thema digitale Bildung an Bedeutung nicht verloren, sondern gewonnen hat, dürfte indes unstrittig sein: „In der Pandemie haben wir alle gelernt, dass digitales Lernen enorm wichtig ist. Für uns, die in diesem Thema schon lange arbeiten, war das natürlich schon lange klar. Aber jetzt haben es alle kapiert“, erklärte Sünne Eichler, tätig im Beirat der Kongressmesse. Kongress-Speaker Michael Leyer von der Universität Marburg brachte es im Interview mit managerSeminare so auf den Punkt: „So schnell wurde Digitalisierung noch nie gelernt.“

Ob klassisches E-Learning, Umgebungen für Live-Online-Kurse, Apps, Digital Whiteboards, Videos – die Messe zeigte die große Vielfalt der digitalen Lernangebote. Dass sich die Technik aber allmählich über die E-Learning-Klassiker hinausentwickelt, war an den Themen abzulesen, die auf dem Kongress, der die Messe begleitet, besonders prominent waren. Dazu gehörten Vorträge über Blockchain, Social Robotics und vor allem Künstliche Intelligenz. Letztere scheint bis dato am relevantesten für den Einsatz in der Bildung zu sein, etwa bei der automatischen Erstellung von Quizzes oder bei der individuellen Auswahl von Lernimpulsen. Künftig könnten die Anwendungsmöglichkeiten noch viel weiter gehen, in einer Podiumsdiskussion mit Kongress-Beirat Peter Henning wurde zum Beispiel ein Projekt vorgestellt, das mit KI-Hilfe Lerndatenbanken zusammenführt und Inhalte übergreifend verfügbar macht.Foto: Nicole Bußmann

Auf der Messe lockten andere Hightech-Anwendungen die Besucher, vor allem aus dem VR/AR-Bereich. So war das Future Lab, betreut von Smart-Learning-Pirate Sirkka Freigang, bis zum Schluss ein gern aufgesuchter Ort, konnte man dort doch mit dem Merge-Cube und der erweiterten Welt spielen oder sich einen Klon von sich selbst „machen“ lassen. „Wir bauen inzwischen Metaverse im B2B-Kontext“, erklärte Freigang nicht ohne Stolz. Dabei handelt es sich um computergenerierte Parallelwelten, in denen Arbeiten und Lernen fließend ineinandergreifen können. „Das Metaverse ist für mich das kreative Element, um klassische Lernelemente wie LMS, WBT etc. miteinander zu verbinden und die Schwelle zwischen analogen und digitalen Welten zu überbrücken – mit dem großen Vorteil, dass man diese 3D-Welten auch ins Homeoffice holen kann“, zeigte sich Freigang überzeugt.

Foto: Nicole Bußmann

Lernen und Arbeiten zusammen denken

Dass Lernen und Arbeiten noch stärker zusammengedacht werden müssen, war auch an anderer Stelle ein großes Thema. So gab es auf der Messe erstmals einen New-Work-Space – betreut von Development Enthusiast Jan Foelsing –, auf dem mittels Lego-Serious-Play-Workshops Zukunftsbilder des Lernens und Arbeitens entwickelt wurden. Dabei stand der Zusammenhang von New Work und New Learning im Fokus. Anja Schmitz, Professorin für HR-Management an der FH Pforzheim und Inputgeberin auf dem Stand, erklärte im Interview mit managerSeminare den Hintergrund: „Wir versuchen, selbst gesteuertes Lernen seit den 70er Jahren in die Organisationen zu bringen, und wir wundern uns stets, warum das nicht funktioniert. Und wir merken, dass wir in ganz vielen Fällen zu wenig den organisationalen Rahmen bedacht haben. Wir haben zu wenig das Arbeiten bedacht. Denn wenn Menschen sehr fremdgesteuert arbeiten, stellt sich die Frage, warum sollen sie dann selbstgesteuert lernen?“

Nicht ohne Grund hatte die Learntec dieses Mal daher auch den Untertitel „New Work, New Learning“. Sünne Eichler erklärte die Neuerung so: „Wir müssen uns mehr auf die Lernenden konzentrieren und Lernsettings so aufbereiten, das sie für sie optimal gestaltet sind und die Lernenden die Sinnhaftigkeit für ihre Jobs erkennen. Denn einfach nur Druckbetankung wird unsere Lernenden nicht motivieren.“

Lernen an den Arbeitsplatz bringen, Freiheiten geben, Vielfalt bieten, Empowerment ermöglichen – das waren Schlagworte, die dieses Jahr häufig zu hören waren. An dem Thema New Work – New Learning soll auf jeden Fall weitergearbeitet werden. Von Seiten der Messe wurde bekannt gegeben, dass eine Kooperation mit der auf moderne Arbeitskonzepte und Unternehmenskultur ausgerichtete „New Work Evolution“ (NWE) der AppSphere AG eingegangen wurde, der diesmalige Stand war nur ein Vorbote. Nächstes Jahr soll es eine eigene Halle geben, die vierte dann, denn dieses Mal hatte die Learntec auch schon drei, um die (hoch)schulische Bildung eigens zu würdigen. Ohnehin streckt die Learntec die Fühler aus zu einem mehr ganzheitlichen Fokus: Erstmals fanden sich auch eher undigitale Inhalte wieder wie Achtsamkeit in der Führung oder Bewegung und Gehirn. Kongress-Beirat Peter Henning bezeichnete diese Themen als „daneben“. Nicht, um sie abzuwerten, sondern um zu betonen, dass sie den Fokus über Technik und Lernen hinaus auf „Leben und Arbeiten in der digitalisierten Welt“ erweitern. Sünne Eichler beschrieb es so: „Den Trend der diesjährigen Learntec sehe ich in der Ganzheitlichkeit. Für mich wächst alles zusammen: die Themen, die Lernformen, die Formate, die Technologien.“  

Der Termin für die nächste Learntec steht auch bereits: Sie soll vom 23. bis 25. Mai 2023 stattfinden. Infos unter www.learntec.de

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Was haben wir während Corona über das Lernen gelernt? Im Fimbeitrag finden sich Statements zur Zukunft des Lernens und den Herausforderungen der Personalentwicklung.

Interviews: Nicole Bußmann, Kamera: Oliver Hartmann, Schnitt: Sarah Lambers

 

 


Der Beitrag wurde geschrieben von

Nicole Bußmann
Nicole Bußmann, Chefredakteurin von managerSeminare und Training aktuell
Sascha Reimann
Sascha Reimann, Redakteur
13.06.2022
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