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HR-Arbeit in China

Rund 3.500 deutsche Firmen sind im Reich der Mitte vertreten. Mit eigenen Personalkonzepten wollen sie Mitarbeiter finden und binden – doch das ist schwer. Es mangelt an gut ausgebildeten Absolventen; die Personalfluktuation ist extrem hoch. Mit einem Angebot können Arbeitgeber jedoch punkten: Weiterbildung steht bei Chinesen hoch im Kurs.

'Fließt das Wasser ab, treten die Steine hervor' sagt man in China. Diese Weisheit trifft auch auf die Personalarbeit im Reich der Mitte zu: Dass sie nach besonderen Regeln funktioniert, wird in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise besonders deutlich. Eine Gelegenheit, sich über die neuen Herausforderungen zu informieren, bot der Kongress 'HR in China', der am 25. März im Rahmen der 'Personal 2009' in München stattfand.

Eine Reihe von in China aktiven HR-Beratungen informierte die 40 Kongress-Teilnehmer über die aus ihrer Sicht neuesten Entwicklungen im Personalmanagement. Leitsätze für eine erfolgreiche Führungsarbeit, die Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitern, interkulturelle Fallstricke und die neuen Bestimmungen des Personalrechts waren die Hauptthemen. 3.500 deutsche Unternehmen sind mittlerweile mit eigenen Tochterfirmen, Repräsentanzen oder als Partner in Joint Ventures in China vertreten. Für die 'FIEs' (Foreign-Invested Enterprises) gibt es die Option eines Rückzugs trotz schwieriger werdender Rahmenbedingungen nicht. Dies hat für das Personalmanagement weitreichende Konsequenzen. Bis in die 90er Jahre, als ausländische Unternehmen vor allem in Joint Ventures investierten, verblieb die HR gewöhnlich in der Hand der chinesischen Partner und folgte standardisierten bürokratischen Routinen. Heute sind FIEs gezwungen, spezifische Personalkonzepte zu erarbeiten.
 
Natürlich wünschen sich viele von ihren chinesischen Mitarbeitern Ähnliches, wie sie es von deren Kollegen im Heimatland gewohnt sind: Fachwissen, Qualitäts- und Verantwortungsbewusstsein, eine langfristige Bindung an die Firma – und dies alles zu einem wesentlich billigeren Preis. Wenn sie ihre Wünsche mit der Realität verwechseln, sind herbe Enttäuschungen jedoch absehbar. 'China ist erwacht – und manche Unternehmen sind ernüchtert' lautete der bezeichnende Titel des Einführungsvortrags.

Großer Mangel an qualifiziertem Personal

Überraschungen warten bereits bei der Einstellung von Bewerbern. Kaum zu glauben: China verfügt über ein riesiges Reservoir von Arbeitskräften, dennoch klagen ausländische Firmen über einen enormen Mangel an qualifiziertem Personal. 'Seit 2002 hat die Zahl der Hochschulabsolventen um durchschnittlich 27 Prozent zugenommen und wird dieses Jahr bei über sechs Millionen liegen. Aber nur jeder Fünfte erfüllt westliche Standards. Damit sehen wir Engpässe nicht nur für die oberen Führungsebenen, sondern bereits auf Einsteigerniveau', erklärte Tammo Krause-Leipoldt von EAC (Euro Asia Consulting), der über 'Wie finden deutsche Unternehmen geeignetes Personal?' referierte.

Führungskräftetrainings müssen Lücken schließen

Besonders spürbar ist die Kluft zwischen verfügbaren Leistungsträgern und der Nachfrage im Management-Bereich. Über die Hälfte der chinesischen Studenten absolvieren Studiengänge der Ingenieurs- und Verwaltungswissenschaften, aber nur fünf Prozent studieren Wirtschaftsfächer. Der Bedarf an Führungskräftetrainings dürfte daher in Zukunft erheblich wachsen.

Der Ansturm auf freie Stellen ist in China überwältigend. EAC geht von 130 Bewerbern pro Stellenangebot aus, von denen allerdings drei Viertel oft an elementaren Anforderungen scheitern. Häufig sind die Englisch-Kenntnisse unzureichend, und immer wieder stellen sich die angeführten Referenzen als erfunden heraus. Bei der Suche nach Fach- und Führungskräften rechnet Krause-Leipoldt mit einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten. Dabei sollten Vertragsverhandlungen auch mit einem Reservekandidaten bis zur Vorlage eines Einstellungsvertrags geführt werden – denn nicht selten springt der Top-Kandidat kurz vor der Vertragsunterzeichnung ab.

Die Mitarbeiterbindung ist besonders schwierig

Daran zeigt sich das weitaus größte Problem der Personalarbeit: die Personalfluktuation. Laut einer Hewitt-Umfrage verloren die Firmen der chinesischen Hightech-Branche 2006 jeden vierten Mitarbeiter. Die niedrigsten Fluktuationswerte – im Automobilsektor – lagen immer noch bei über zehn Prozent. Für manche deutsche Personalverantwortliche beschreiben diese Zahlen einen personalpolitischen Alptraum, sie lassen sich jedoch nicht wegwünschen. Klaus Petry, ehemaliger China-Personalleiter der BASF, erzählte von einem deutschen Kollegen, der in seinem Betrieb in Shanghai eine Fluktuationsrate von 15 Prozent festgestellt hatte. Er war schockiert: Das dürfe doch nicht wahr sein – zu Hause in Ostfriesland liege sie bei einem Prozent.

Wie Unternehmen unter diesen Umständen Mitarbeiter binden können, ist offensichtlich eine zentrale Fragestellung. Der Aderlass an Mitarbeitern, der damit verbundene Verlust an Know-how und die Auswirkungen auf eine stabile Unternehmensentwicklung lassen sich vermindern, sie sind jedoch nicht zu vermeiden. Um den Mitarbeiterverlust abzubremsen, reicht ein lukratives Gehalt nicht aus. Auf den richtigen Mix von gehaltsbezogenen Vereinbarungen und nicht-monetären Maßnahmen kommt es an, meinte Norbert Englert von Mercer Deutschland, der Ergebnisse des neuesten 'Mercer’s China Employee Attraction and Retention Survey' vorstellte: 'Ein marktorientiertes Grundgehalt, Nebenleistungen etwa für Krankenversicherungen und eine nachvollziehbare Karriereförderung können Eckpfeiler eines ganzheitlichen Ansatzes sein. Alle Möglichkeiten, um sich von Wettbewerbern abzuheben, sollte man ausschöpfen.'

Standortvorteil Metropole

Was Unternehmen tun können bzw. müssen, hängt von Standort und Bekanntheitsgrad ab. So hat jede Stadt ihren Markenwert. Absolventen einer Beijinger Eliteuniversität nach Wuhan zu locken ist ebenso schwierig wie Bewerber aus München oder Hamburg zu einem Umzug ins Saarland zu bewegen. Auch die Beliebtheit eines Arbeitgebers zahlt sich bei Gehaltsverhandlungen aus: Mitarbeiter von Alibaba, des chinesischen Ebay-Pendants, nehmen beim Einstieg einen im Vergleich zu anderen Firmen der Branche beträchtlichen Gehaltsabschlag in Kauf. Hinzu kommen besondere Interessen einzelner Berufsgruppen. Laut Mercer-Studie ist etwa der Freizeitausgleich für Fachkräfte wesentlich attraktiver als für Manager oder einfache Mitarbeiter.

Mitarbeiter schätzen Weiterbildungsangebote

Für die Bindung der Mitarbeiter spielt die Weiterbildung eine wichtige Rolle. 'More training, please', ist der Slogan, mit dem Mercer die Besonderheit des chinesischen Personalmarkts im Vergleich zu anderen aufstrebenden Volkswirtschaften beschreibt. Die Hälfte der chinesischen Fachkräfte wünscht sich Trainingsmaßnahmen – sie rangieren auf der Prioritätenskala der Befragten auf der selben Stufe wie Karrierepläne und Entsendungen ins Ausland.

Trainings erhöhen die Gefahr der Abwanderung

In diesem Bereich zeichnen sich im Unterschied zu Rekrutierung und Mitarbeiterbindung Fortschritte ab. Die meisten in China aktiven Unternehmen rechnen mit einer Ausweitung und einer qualitativen Verbesserung der Trainingsaktivitäten. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage von EAC und der deutschen Außenhandelskammer Shanghai. Für die Firmen sind Bildungsinvestitionen in das Personal allerdings nicht risikofrei: Die Mitarbeiter sehen Qualifizierungsmaßnahmen als Vehikel für ihre Karriereförderung im Unternehmen, aber auch als Steigerung ihres Werts auf dem Arbeitsmarkt. Viele Firmen haben deshalb Bedenken, ihre Mitarbeiter weiterzubilden. Sie befürchten, dass die Angstellten bei einem neuen Chef anheuern, sobald sie mit den neuen Fähigkeiten werben können. Aus diesen Gründen auf die Personalentwicklung zu verzichten, wäre jedoch kontraproduktiv. Die chinesischen Mitarbeitern würden dies als Geringschätzung ihrer Leistung interpretieren, und die immer wieder beklagten Kompetenzlücken ließen sich nicht schließen.

Autor(en): (Edgar Wang)
Quelle: Training aktuell 05/09, Mai 2009
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