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Buchmesse 2006: Keine neuen Management-Ideen

Im Buchbereich Management, Human Resources und Training herrscht Ebbe. Das zeigten die Neuerscheinungen auf der Buchmesse vom 3. bis 8. Oktober 2006. Mehr Wiederauflagen als wirkliche Neuheiten wurden präsentiert, Bestseller-verdächtige Titel gab es keine. Ein Trend zeichnet sich allerdings auf dem Buchmarkt ab: Die Entlassungsmeldungen großer Unternehmen liefern den Autoren Stoff.

Ratschläge zur Unternehmenskultur sind wieder in: 'Schaffen Sie ein Arbeitsklima, in dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Belohnen Sie die besondere Leistung und sorgen Sie dafür, dass keiner sie vergisst.' Diese Empfehlungen stehen in einem Buch, das zur größten Veranstaltung der Verlegerbranche, der Frankfurter Buchmesse, neu erscheint. Sein Titel lautet 'Auf der Suche nach Spitzenleistungen', und es ist von Tom Peters und Robert Waterman (Redline, 395 Seiten, 14,90 Euro). Freilich ist das Werk alt bekannt. Die Business-Welt wurde mit der US-Originalausgabe 'In Search of Excellence' schon einmal beglückt. Vor 24 Jahren kam das Buch zum ersten Mal auf den Markt. Dass es jetzt wieder erscheint, hat Symbolcharakter, - denn es gibt keine neuen, großen Management-Ideen mehr. Um diese Leere auszugleichen, wenden die Verleger einen bewährten Marketing-Trick an: Biete alte Ware an, aber verpacke sie neu.

Viele Klassiker mit neuer Verpackung

Die McKinsey-Unternehmensberatung macht das gleich mit acht Büchern so. Sie kommen als so genannte 'Classics'-Serie auf den Markt, darin enthalten neben dem eben erwähnten Werk von Peters und Waterman auch die Lektüre über den Krieg der Talente, deutsche Ausgabe: 'Der Kampf um die Besten' (8 Bände, Redline, 119,- Euro). Dass das Material angestaubt ist, zeigen die Inhalte: Viele der von 'In Search of Excellence' gepriesenen Unternehmen sind inzwischen pleite - und der Kampf um Talente ist einstweilen abgesagt.

Der Redline-Verlag, in dessen Herbstprogramm es von Wiederauflagen wimmelt (Werbung: 'Buch in neuem Design'), ist nicht allein. Auch der Campus-Verlag beteiligt sich am großen Inhalte-Recycling: Die Frankfurter legen Fredmund Malik neu auf. Das Erfolgsbuch vom Gründer des Malik Management Zentrums St. Gallen wurde von der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA) übernommen, optisch und inhaltlich etwas aufgefrischt - und mit großem Tamtam angekündigt (Werbung: 'Malik jetzt bei Campus. Mit neuem Vorwort').

Auch die Trainerbranche folgt der Praxis, die in der Fleischbranche für einen Skandal gesorgt hat: Alte Ware wird mit einem neuen Etikett versehen und dem Publikum neu angedient. Ein Klassiker des Change-Management-Altmeisters Klaus Doppler nimmt diesen Weg. Sein Buch 'Dialektik der Führung' heißt jetzt 'Incognito. Führung von unten betrachtet.' Etwas Inhalt wurde hinzugefügt, - fertig ist das neue Produkt (Murmann, 170 Seiten, 19,50 Euro).

Keine neuen Bestseller der Management-Gurus

Einen Unterschied zwischen Fleisch und Buch gibt es freilich: Gute Inhalte verderben nicht. Es ist keineswegs verwerflich, erfolgreiche Management-Bücher wieder aufzulegen. Im Literaturgeschäft lebt von dieser Art der Wieder- und Mehrfachverwertung eine ganze Industrie, etwa die sehr erfolgreiche Klassiker-Bibliothek der Süddeutschen Zeitung oder der Deutsche Taschenbuch-Verlag. Nur: Die Recycling-Mania bei den Management-Büchern ist auch ein Zeichen dafür, dass bei den Gurus der Zunft Funkstille herrscht. Gary Hamel, Michael Porter, Tom Peters - sie und ihre Kollegen liefern keine neuen Bestseller mehr. Gibt es einmal eine echte Neuerscheinung, ist es oft Dutzendware von No-Name-Autoren. Teamarbeit, Rhetorik, Präsentation, Erfolg für Frauen im Geschäft - die Themen sind austauschbar, aber alle Verlage haben sie. Einige Beispiele des wenig Bahnbrechenden: Pepi Adelmann schreibt über 'Rhetorisches Fitnesstraining' (Linde-Verlag, 220 Seiten, 24,90 Euro), Wilfried Braig verfasste 'Mitarbeitergespräche', (Orell Füssli, 160 Seiten, 26,50 Euro), Susanne Walter liefert den 'Knigge für freche Frauen' (Redline, 208 Seiten, 17,90 Euro).

Wirklich neue Themen sucht man unter den Management-Büchern vergeblich

Aber die Verleger mühen sich. Einige Themen klingen zumindest neu: Extrembergsteiger schreibt Management-Buch ist das Beispiel für einen derartigen Versuch. Heraus kommt ein Werk mit dem Titel 'Mit dem Nordwand-Prinzip das Ungewisse managen' (von Rainer Petek, Linde International, 180 Seiten, 24,90 Euro). Es rät zum Schaffen und Relaxen, zum klugen Scheitern und zum Loslassen. Aber eine Ersteroberung ist das Thema nicht. Denn Helge Hengge, auch Extrembergsteigerin, auch über eine Nordroute geklettert, hatte ihr Buch schon vor vier Jahren abgeliefert ('Nur der Himmel ist höher. Mein Weg auf den Mount Everest', Droemer, 300 Seiten, 14,95 Euro).

Einen weiteren Versuch startet der Wiley-Verlag. 'Einfach führen' von Jo Owen (Wiley, 260 Seiten, 34,90 Euro) könnte der Schritt sein, den Millionen-Seller 'Simplify your Life' von Werner Küstenmacher in ein Business-Format zu übertragen. Aber das Vorhaben scheitert schon am Untertitel. Er lautet 'Methoden - Instrumente - Fallbeispiele mit 3 1/2 P'. Der Verlag erläutert die Bruchrechnung dazu: 'Personal, Professionalität und positive Einstellung bilden die Performance, die nur zur Hälfte zählt.' Alles klar? Dieses Buch dürfte in spätestens 18 Monaten auf den Wühltischen der Resteverwerter zu finden sein.

Entlassungswellen der Unternehmen liefern denBuchautoren trendverdächtigen Stoff

Aber noch sind lesende Trainer und Manager nicht verloren. Denn einen neuen Trend gibt es doch, der sich auf dem Buchmarkt abzeichnet. Es ist Business-Literatur, die das große Hauen und Stechen in den Unternehmen reflektiert. Wenn die Telekom weitere 32.000 Mitarbeiter vor die Tür setzt, Daimler 8.500 Stellen in der Verwaltung streicht und auch andere Konzerne wie Siemens Dauergast in den Spalten mit Entlassungsmeldungen sind, dann liefert das den Buchschreibern neuen Stoff.

Den großen Überblick liefert Svenja Hofert. Sie ist Coach und Trainerin in Hamburg. Ihr Wissen um die Beben in den großen Unternehmen mag sie bewogen haben, ihre literarische Produktion umzustellen. Schrieb sie bislang vornehmlich brave Berufsratgeber, begibt Hofert sich mit ihrem neuen Buch mitten in die große Krise der Konzernkulturen: 'Jeder gegen jeden' heißt ihr Werk mit dem verkaufssteigernden Untertitel 'Der neue Klassenkampf in den Unternehmen' (Redline-Verlag, 200 Seiten, 22,90 Euro). Chefs und Mitarbeiter kuscheln längst nicht mehr, fand die Autorin heraus. Statt dessen ist Ausbeutung durch die Vorgesetzten der Alltag. Sie drücken, mobben und hetzen ihre Unterlinge. Die Mitarbeiter quittieren das auf ihre Weise. Dienst nach Vorschrift, freche Gehaltsforderungen und Anschwärzen von Kollegen breiten sich aus. Dieses Verhalten ist das Echo auf ständige Entlassungswellen und nicht endende Reorganisation.

Wer in solcher Umgebung überleben will, braucht natürlich auch Ratgeber. Das Buch 'Lügen in der Chefetage' scheint für raue Zeiten bestens geeignet (Wiley-Verlag, 250 Seiten, 24,90 Euro). Seine Autoren, Matthias Schütz und Daniel C. Heine, geben jedem Manager seinen persönlichen Vorrat an Lügen für das Geschäft. Beispiel: Soll etwa ein Werk dicht gemacht werden, tritt der Chef vor die Mitarbeiter und sagt 'Wir sitzen alle in einem Boot'. Das klingt gut, spendet den geschundenen Seelen etwas Trost - und stellt sich erst dann als unwahr heraus, wenn der Chef schon wieder im Auto sitzt, auf dem Weg zum nächsten Termin.

Tierische Verhaltensweisen werden thematisiert

So etwas kann heute immer passieren. Deshalb sollte jeder Angestellte, egal auf welcher Hierarchieebene, aufpassen, das nicht er als nächstes gefressen wird. Als Lebenshilfe mag sich das Buch 'Shark Leadership' erweisen - denn dessen Titel könnte übersetzt auch 'Von den Haien lernen' lauten (Orell Füssli Verlag, 232 Seiten, 29,80 Euro). Die Zürcher Beraterin und Hai-Taucherin Sonja Buholzer hat hier zusammengetragen, was hilft, wenn jeder im Betrieb der nächste Gegner sein kann: positive Aggression zeigen, schneller sein als der Angreifer - und sich ständig anpassen.

Dass die Hai-Nummer funktionieren könnte, bestätigt der Zoologe Richard Conniff. Er hat sich mit seinem Buch 'Was für ein Affentheater' (Campus-Verlag, 280 Seiten, 19,90 Euro) dem Management zugewandt. Er weist nämlich nach, dass der Alltag in den Büros ohnehin von tierischen Verhaltensmustern geprägt ist: Hackordnung, Drohgebärden, Imponiergehabe, Wegbeißen - all das ist wieder sehr präsent, wenn es in einer Organisation nur noch ums Jagen und Gejagt-werden geht.
Autor(en): (Axel Gloger)
Quelle: Training aktuell 11/06, November 2006
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