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Geary A. Rummler über systemisches HR-Management: 'Der springende Punkt ist das Gesamtbild'

Er gilt als einer der Gründerväter des Performance-Improvement (PI). Die Rede ist von Geary A. Rummler, CEO von Performance Design Lab in Tucson, Arizona. Als Keynote Speaker wird er am 12. November 2004 auf dem Bonner Kongress 'Performance Improvement und Intelligente Qualifizierung' über die Anwendung seines Ansatzes in den USA berichten. Training aktuell befragte ihn im Vorfeld zu seinen Gedanken über eine systemische Personalentwicklung.

Herr Rummler, ein dominierendes HR-Thema derzeit ist die Frage, welchen Beitrag Personalentwickler zur Steigerung des Unternehmenswertes leisten. Zahllose Theorien wurden bereits diskutiert. Warum sollte man sich auch mit Ihrem Modell auseinander setzen?

Geary A. Rummler: Der Performance-Improvement-Ansatz ist das einzige mir bekannte Modell, das Unternehmen als Systeme begreift und alle wesentlichen Faktoren berücksichtigt, die bei Veränderungsprojekten eine Rolle spielen. Personalentwicklern bietet der Ansatz ein Instrument, mit dem sie ihre Arbeit in der wechselseitigen Abhängigkeit zu Unternehmensprozessen und -strukturen erfassen können. Wenn eine Umstrukturierung von Arbeitsprozessen auf Unternehmensebene angegangen wird, dann werden in unserem Modell entsprechende Veränderungen auch auf der Mitarbeiterebene geplant und realisiert. Dies ist ein wichtiger Unterschied zum Vorgehen vieler Managementberatungen und zu gängigen Modellen wie etwa dem Business Process Reengineering. Das Ziel von Performance-Improvement ist immer die messbare Verbesserung der Unternehmensergebnisse.

Die Anfänge Ihrer Theorie entstanden bereits vor 40 Jahren. Was hat sich in der Zwischenzeit geändert?

Rummler: Das Modell beruht heute noch auf denselben Grundlinien. Die Anwendung des Systembegriffs auf Unternehmen, die Auffassung, dass Leistungen auf drei Systemebenen - der Organisations-, der Prozess- und der Mitarbeiterebene - erbracht werden und die Vorstellung, dass jeder Mitarbeiter Teil eines so genannten Human-Performance-Systems ist, dies alles wurde bereits in den 60er Jahren formuliert. Natürlich wurden mit der Zeit viele Details präzisiert, so dass wir heute umfassende Vermessungsinstrumente besitzen.
Die größte Veränderung ist aber in der Bedarfslage der Unternehmen eingetreten. Mitte der 80er Jahre wurde den US-Unternehmen angesichts der starken japanischen Konkurrenz klar, dass es nicht mehr so weiterging wie früher. Eine Verschwendung von Finanzmitteln und Arbeitskraft konnte man sich nicht mehr leisten, und man suchte nach neuen Strategien, um die unterschiedlichen Ressourcen effizient zu bündeln und einzusetzen. Dies kam den Vertretern der PI-Methodik zugute, die den Unternehmen ein Konzept vorlegen konnten.

War die Arbeit in den USA tatsächlich so erfolgreich? In der Widmung zu Ihrem jüngsten Buch, 'Serious Performance Consulting', danken Sie Ihrer Frau für ihre 40jährige Geduld mit Ihrem 'Kampf gegen die Windmühlen'. Das klingt eher so, als sähen Sie sich als eine Art tragischer Held.

Rummler: Nun, diese Anspielung entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Tatsächlich ist es so, dass es vor allem in der Anfangszeit sehr schwer war, HR-Manager von einer systemischen Sichtweise zu überzeugen. Heute ist unser Ansatz in den USA über die HR-Departments hinaus anerkannt.

Heißt das, dass Sie in Ihrer Beratungsfirma heute nicht mehr hauptsächlich mit HR-Managern zu tun haben?

Rummler: Tatsächlich arbeiten wir seit Mitte der 90er Jahre mehr und mehr mit Linienverantwortlichen und Executives zusammen. Viele Probleme lassen sich einfach nicht auf den HR-Bereich einengen, und oft müssen Organisationen und ihre Prozesse besser strukturiert werden, wenn es darum geht, dass ein Unternehmen mehr leisten soll.

Wenn die Bewältigung von Performanceproblemen über den HR-Bereich hinausgeht, welche Rolle bleibt dann den Personalentwicklern?

Rummler: Sie sollten sich als Impulsgeber, Planer und Moderatoren von Performance-Improvement-Projekten verstehen, deren Durchführung allerdings sehr stark von den Linienverantwortlichen abhängt. Es reicht nicht mehr, sich mit dem traditionellen Aufgabengebiet der Trainings und Qualifizierungen zu befassen, es geht um die ganze Bandbreite von Antworten, die es bei Performancefragen gibt. Weiterbildung z.B. ist nur in einer Minderheit von Fällen die richtige Lösung. Damit müssen sich Personalentwickler auseinander setzen, und ich glaube, dass sie bereits auf diesem Weg sind. Jedenfalls stammt meinem Eindruck nach die überwältigende Mehrheit der Performance-Improvement- Experten in den USA aus dem Trainingsbereich.

Wie wird man eigentlich Performance Improvement-Experte? In Deutschland treten Anbieter wie etwa die 'USA Online University' auf, die Teilnehmern zweitägiger Workshops bereits das Zertifikat eines 'Certified Performance Consultant' ausstellen.

Rummler: Innerhalb von zwei Tagen kann man vielleicht lernen, wie man Veränderungen am Arbeitsplatz oder in der Arbeitsumgebung erreichen kann. Wirklich kritisch sind jedoch Veränderungen, die das Management-System oder die Organisationsstrukturen betreffen. Und dafür benötigt man ein wesentlich umfangreicheres Wissen und Know-how. In den USA werden anerkannte Zertifikate von der International Society of Performance Improvement (ISPI) und der American Society for Training and Development (ASTD) vergeben. Ein 'Certified Performance Technologist' kann man nach ihren Kriterien jedoch nur werden, wenn man drei Jahre erfolgreiche Projektarbeit nach PI-Standards nachweisen kann. Die Anforderungen sind also sehr hoch.

In Deutschland stehen die Personalmanager unter starkem Druck. Outsourcing-Aktivitäten nehmen zu, und in den HR-Abteilungen wird nach neuen Konzepten gesucht. In einer solchen Situation ist man mit neuen Etiketten schnell bei der Hand, hinter denen sich dann aber die alten Routinen verbergen. Sehen Sie die Gefahr, dass Ihr Ansatz derart missbraucht wird?

Rummler: Dies ist der Grund, warum ich das von Ihnen erwähnte Buch 'Serious Performance Consulting' publiziert habe. Sie können jeden einzelnen Schritt und jeden einzelnen Begriff von Performance-Improvement-Projekten bzw. -Konzepten problemlos für ein Herangehen benutzen, das mit dem originären PI-Ansatz in der Substanz nicht mehr viel zu tun hat. Vielleicht verdeutlicht ein Paradoxon am besten, worauf es wirklich ankommt: Der Kern ist das Ganze - nicht ein einzelner Bestandteil. Die Gesamtsicht ist der springende Punkt. Es geht darum, Probleme und Ergebnisse, wo auch immer sie auftreten, als Systemresultate zu sehen, das System in seiner Funktionsweise zu erfassen und es für optimale Resultate auszurichten. Schnelle Lösungen greifen da in der Regel zu kurz.

In Bonn werden Sie Ihre Konzepte zum ersten Mal einem breiteren deutschen Publikum vorstellen. Was versprechen Sie sich davon?

Rummler: Ich werde darüber berichten, was PI in den USA bedeutet und wie dieses Konzept dort erfolgreich umgesetzt wird. Ich hoffe, dass ich damit Impulse für seine Anwendung unter den spezifisch deutschen Verhältnissen geben kann.

Performance Improvement

Der PI-Ansatz sieht Unternehmen als Leistungssysteme und unterscheidet dabei drei Leistungsebenen. Die Gesamtorganisation des Unternehmens gilt als übergeordnetes System. Hier werden Entscheidungen zu Strategien, zu der organisatorischen Gliederung und zur Ressourcenverteilung getroffen. Darunter liegt die Prozessebene als Subsystem. Hier geht es um den Verlauf und die Strukturierung von Workflows. Das Subsystem dazu ist wiederum die Mitarbeiter- oder Aufgabenebene.

Auf allen Ebenen sind Zielsetzungen, organisatorische Strukturen und Managementfunktionen kritische Größen. Optimale Ergebnisse werden erzielt, wenn alle Systemebenen koordiniert und auf die gewünschten Resultate hin ausgerichtet sind. Dazu sind fortlaufende Anpassungen nötig.

Ausgangspunkt von Performance-Improvement-Initiativen, die immer auf messbare Veränderungen abzielen, ist die Lücke zwischen Soll- und Ist-Ergebnissen.

Für das Management der Aufgabenebene spielen Training und Weiterbildung eine wichtige, aber nicht die durchgehend wichtigste Rolle. Jeder Mitarbeiter ist Bestandteil eines Human-Performance-Systems, das mehr umfasst, als seine Fähigkeiten und Kenntnisse. Die Forderung an die Personalentwickler lautet: Sie sollen von Weiterbildungs- zu Performance-Experten werden.
Autor(en): (Edgar Wang)
Quelle: Training aktuell 11/04, November 2004
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