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Recruitingpraxis

Schweigen könnte gefährlich werden

Sie war damals Mitte 40 und hatte sich 2006 mehrfach vergeblich auf eine Stelle als Softwareentwicklerin bei dem bayerischen Unternehmen Speech Design Carrier Systems GmbH beworben. Doch trotz ihres Diploms als Systemtechnik-Ingenieurin wurde die gebürtige Russin niemals zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Fall der abgeblitzten Bewerberin beschäftigt nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg und könnte noch Folgen haben für den Umgang von Unternehmen mit Bewerbern. Die Softwareexpertin nämlich vermutete hinter dem Verhalten der Firma eine Diskriminierung und verlangte deshalb eine Geldentschädigung sowie Einsicht in die Auswahlkriterien des Betriebes, genauer: in die Bewerbungsunterlagen ihres Konkurrenten, der die Stelle bekam. Damit war sie vor mehreren deutschen Gerichten gescheitert. Der Fall landete schließlich beim Bundesarbeitsgericht, das seinerseits die Frage, ob Bewerber vom Arbeitgeber ohne konkrete Diskriminierungsindizien Einsicht in Auswahlkriterien verlangen dürfen, vor zwei Jahren dem EuGH vorlegte.

Nun ist der Fall einen maßgeblichen Schritt vorangekommen: Der EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi hat dem Gericht Anfang Januar 2012 eine Entscheidungsgrundlage vorgelegt. Darin legt er dar, dass der Arbeitgeber nach EU-Recht nicht verpflichtet ist, Bewerber über die angelegten Maßstäbe zu informieren. Allerdings ist Schweigen aus der Sicht Mengozzis nicht gleich Schweigen. Vielmehr sollten die Gerichte das (eigentlich rechtmäßige) Schweigen eines Unternehmens im Fall einer Klage eben doch kritisch betrachten – indem sie die Begleitumstände mit einbeziehen: Entsprach z.B. die Bewerberqualifikation dem ausgeschriebenen Anforderungsprofil – und wurde der Bewerber trotzdem kommentarlos abgelehnt? Wurde er jemals zum Vorstellungsgespräch eingeladen?

Der EuGH wird in den nächsten Monaten abschließend urteilen. Traditionell richtet er sich in den meisten Fällen nach den Vorschlägen der Generalanwälte. Sollte dies auch diesmal der Fall sein, befürchten Arbeitsrechtler in Zukunft eine größere Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber. Auch würde sich die Beweislast zu deren Ungunsten umkehren.

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