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Orientierungsraster für die Eignungsbeurteilung

Neue ISO-Norm

Mitte November 2011 ist bei der International Organization for Standardization die neue ISO 10667 verabschiedet worden. Das Kürzel steht für eine internationale Norm, an der eignungsdiagnostische Prozesse ausgerichtet werden können. Sie liegt bisher nur in englischer Sprache vor. In Deutschland gibt es bereits seit neun Jahren eine ähnliche Norm: die DIN 33430. Ihre Entwicklung war seinerzeit vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) beim Deutschen Institut für Normierung, dem DIN, vorangetrieben worden. Und es war auch diesmal der BDP, der die Ausarbeitung der internationalen Norm initiiert hatte. Delegierte von Normierungsorganisationen aus Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, Italien, China, Kenia, den USA, Deutschland sowie aller skandinavischen Länder arbeiteten gemeinsam mit Experten vier Jahre lang daran.

Herausgekommen ist eine Prozessnorm, die – ähnlich wie die DIN 33430 – als Orientierungsraster den gesamten Ablauf der beruflichen Eignungsdiagnostik stützen soll. Darin beschrieben sind Faktoren wie die Qualifikation der beteiligten Personen sowie Qualitätsanforderungen an die verwendeten Instrumente und Abläufe – so etwa die Notwendigkeit, zu Beginn des Prozesses ein klares Anforderungsprofil zu erstellen.

Als Orientierungsrahmen soll die ISO helfen, die Eignungsbeurteilung nach einem grenzüberschreitenden Standard durchzuführen. 'Als internationale Norm ist sie notwendigerweise breiter angelegt und damit auch unkonkreter als die deutsche DIN', erklärt Hans Peter Dogge, der für das deutsche DIN-Institut im internationalen Normierungsgremium bei der ISO mitgewirkt hat. Dieses Gremium musste bei der Konzeption der neuen Norm viele verschiedene gesetzliche Regelungen und Besonderheiten der einzelnen Länder berücksichtigen. In den USA sind beispielsweise, so Dogge, schwerwiegende Haftungsprobleme zu beachten. Die ISO-Norm besteht daher nun im Gegensatz zur deutschen DIN aus zwei Teilen: Einer richtet sich an die Auftraggeber eines eignungsdiagnostischen Prozesses, einer an den Auftragnehmer, also die interne Personalabteilung und/oder den externen Dienstleister. Gerade weil die ISO übergreifender angelegt ist, wird durch sie die deutsche Norm denn auch nicht automatisch außer Kraft gesetzt. Im Gegenteil: Die DIN 33430 wird überarbeitet. 'In der Neuauflage werden voraussichtlich neue Datenschutz­aspekte, Anti-Diskriminierungsaspekte und auch der Gedanke der Personalentwicklung stärker Berücksichtigung finden', erklärt Dogge. Ob das indes die Akzeptanz der Norm – vor allem im Mittelstand – steigern wird, ist fraglich. Vorbehalte gegen sie halten sich bis heute jedenfalls beharrlich: von der Befürchtung, die Norm diene lediglich dazu, die Kassen von Zertifizierern und Lizenzierern klingeln zu lassen bis hin zur Vermutung, die Orientierung daran schränke Freiheitsgrade ein oder – im Gegenteil – das Regelwerk sei zu unkonkret und übergreifend, um hilfreich zu sein.

Meinungen zur Normierung eignungsdiagnostischer Prozesse

Dr. Sascha Armutat, Leiter Forschung und Themen bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP): 'Einer der wichtigen Grundgedanken der DIN-Norm, durch Orientierung an einem Anforderungsprofil die Qualität des Auswahlverfahrens zu heben, wird ohnehin schon in vielen Unternehmen umgesetzt – auch wenn sich dabei nur wenige Unternehmen explizit auf die DIN 33430 beziehen. Ob durch die Norm das Ergebnis der Personalauswahl wirklich besser wird, ist fraglich, denn auch wenn ein Verfahren normgerecht und anforderungsorientiert korrekt konstruiert ist, schließt das nicht aus, dass die Anforderungen selbst fragwürdig sind oder dass der strategische Rahmen, aus dem die Anforderungen abgeleitet werden, unklar ist. Da hilft keine Norm weiter.'

Dr. Martin Kersting ist Professor für Psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Mitautor der DIN 33430: 'Die neue ISO dient ebenso wie die DIN 33430 dazu, einen Gedanken im Markt zu verbreiten: die Idee der Qualitätssicherung und -optimierung in der Eignungsdiagnostik. Das ist vergleichbar mit einem gesteigerten Umwelt- oder Gesundheitsbewusstsein. Ich habe den Eindruck, dass Organisationen heute – schon aus der Not des Fachkräftemangels heraus – viel mehr Wert auf die Qualität ihrer Eignungsdiagnostik legen und sich zunehmend an Qualitätsstandards wie der DIN 33430 orientieren. Früher waren sie in der komfortablen Situation, aus dem Vollen schöpfen zu können und an sich geeignete Bewerber, die jedoch durch das Auswahlraster fielen, schlicht zu ignorieren. Heute dagegen kommt es darauf an, solche Fehler zu vermeiden und Potenziale auch jenseits der überschaubaren High-Potentials-Gruppe zu entdecken.'

Andreas Frintrup, Geschäftsführer von S & F Personalpsychologie in Stuttgart: 'Schon die DIN 33430 hat sich am Markt kaum durchgesetzt – höchstens bei großen Unternehmen. Mittelständler dagegen sind meist höchst verwundert, wenn sie davon hören. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Norm, obgleich es erläuterndes Begleitmaterial dazu gibt, nur sehr schwer verständlich ist. Nicht-Psychologen steigen da kaum durch. Da weder die DIN noch die neue ISO rechtsverbindlich sind, können Anbieter auch viel zu lax damit umgehen und damit werben, ihre Offerten seien an einer dieser Normen orientiert, auch wenn das nicht der Fall ist. Überprüfen können Unternehmen das bisher kaum, es sei denn, sie haben, wie große Firmen, die Möglichkeit, auf die Expertise von Psychologen zurückgreifen. Ich meine deshalb: Regelwerke wie die DIN und jetzt die neue ISO sind letztlich der falsche Weg, um die Qualität der  Eignungsdiagnostik in den Unternehmen zu verbessern. Es wäre wirksamer, die Entscheider schon im BWL- oder VWL-Studium besser zu qualifizieren, damit sie in der Lage sind, unter den angebotenen Verfahrensweisen am Markt Seriöses von Unseriösem zu unterscheiden.'

Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp, Leiterin Executive Development der REWE Group sowie Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager (BDP): 'Die meisten großen Unternehmen in Deutschland, die eine seriöse Personalauswahl durchführen, kennen und berücksichtigen die DIN-Norm 33430. Sie findet Anwendung als theoretische Grundlage von Tests im Rahmen der Eignungsbeurteilungen, insbesondere bei der Auswahl und Standardisierung von Gütekriterien. Die Möglichkeiten, die Personalauswahl verschiedener Unternehmen auf einem vergleichbaren und qualitativ hohen Standard zu halten, sind begrenzt. Ein externes Gremium, das die Qualitätskon­trolle bei verschiedenen Unternehmen übernimmt, wäre beispielsweise schwierig zu realisieren. Normen spielen daher bei der Regelung der Eignungsbeurteilung eine entscheidende Rolle. Wir unterstützen es, dass durch die Diskussion über die ISO 10667 die Frage nach einer qualitativen Eignungsdiagnostik auch auf internationaler Ebene präsenter wird. Wir sehen die Entwicklung als Chance, weltweit mehr Unternehmen für das Thema zu interessieren. Bevor wir die ISO 10667 hier in Deutschland verwenden, muss natürlich überprüft werden, ob sie dem Qualitätsniveau der bereits bewährten DIN 33430 entspricht. Das wird sich herausstellen.'

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