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Kinogroteske 'Zeit der Kannibalen'

Die dunkle Seite der Berater

Was sagen Consultants, wenn der Kunde nicht dabei ist? Und wie ticken Berater eigentlich wirklich? Ein neuer Film liefert Einblicke: In 'Zeit der Kannibalen' wird von und aus dem Beraterleben erzählt. managerSeminare hat sich die Kinogroteske angeschaut.

Zwei Männer bilden das Team. Öllers und Niederländer. Sie haben ein Projekt, es könnte überall sein. Die beiden sind in Meetings zu sehen, mal mit Kunden, mal ohne, mal abends im Hotel. Immer derselbe Stil im Bild: diese Krawattenleute in ihren hellen Hemden, in dunklem Holz getäfelte Räume, gediegene Möbel, dicker Teppichboden, Powerpoint. In dieser Zone, die Hyatt-Hilton-Kempinski zu einem überall auf der Welt gleichen Erlebnis gemacht haben, spielt sich ihr Alltag ab. Kontakt zur wirklichen Welt haben sie keinen. Die Fenster lassen sich nicht öffnen, um rauszugehen, fehlen ihnen Zeit wie Lust. 'Als Consultant muss ich in der Lage sein, Dinge zu beurteilen, die ich nicht persönlich gesehen habe', sagt einer, und: 'Wenn ich die Quartalszahlen kenne, brauche ich keine Werksbesichtigung mehr.'

Wann werde ich zum Partner befördert?

Öllers und Niederländer, diese vornamenlosen Wesen, sind Arbeitstiere. Wann immer von ihrer Firma die Rede ist, nennen sie die nur 'Die Company' – ganz so, wie die Leute von McKinsey von 'The Firm' sprechen, wenn es um ihr Unternehmen geht. Die beiden Kollegen sind schon länger auf einem Projekt in Lagos, Nigeria. Sie beraten einen Kunden aus der Textilbranche. Wenn es gerade mal nicht um dessen Kosten geht, die offenbar gesenkt werden sollen, gibt es für Öllers und Niederländer nur diese drei Themen: 1. Wann kann ich mir endlich diesen neuen Porsche Panamera kaufen? 2. Wann reicht die Kohle für die Villa am Park? 3. Wann werde ich zum Partner befördert?

Niederländer ist ein Typ, der schon beim Abitur aussah wie ein CEO. Spitze Kinnpartie, schwarzes, zurückgegeltes Haar, Harvard-Scheitel, das immer leicht aggressive Investmentbanker-Lächeln. Die Ähnlichkeit mit Charlie Sheen, Hauptdarsteller im Kapitalisten-Klassiker 'Wall Street', ist sicher nicht zufällig. Sein Kollege Öllers hingegen: der Spießer. Etwas zu viele Pfunde, kaum Hals, weiches Gesicht, Familie zu Hause weit weg.  

Das war nicht schön, aber einer musste es ja machen


Aber die Unterschiede sind nur äußerlich, die beiden sind gleich gepolt, ihre Texte austauschbar. Wie Bluthunde, die Witterung aufgenommen haben, befinden sie sich immer auf der Jagd. Sie wollen in ihrem Projekt den nächsten großen Vorteil heben, ganz gleich, ob der Kunde das auch so will oder nicht. Seine Textilien könne er viel billiger in Pakistan einkaufen als in Indien, raten sie dem Unternehmer, der das Projekt beauftragt hat. Der aber mag nicht so recht, er traut Pakistan nicht. Die Berater, davon unbeirrt, machen einfach weiter – und dem indischen Lieferanten sein gesamtes Geschäft kaputt. 'Das war nicht schön', kommentiert Öllers den Ruin des Lieferanten, 'aber einer muss es ja machen.' Ende der Durchsage.

Plötzlich taucht Bianca auf. Die Zentrale schickt sie ins Projekt. Jung, hübsch, tagsüber streng zum Pferdeschwanz zu­­rückgebundenes Haar, Rodenstock-Chefbrille. Mit im Gepäck hat sie eine schlechte Nachricht: Nicht Niederländer, nicht Öllers, sondern Hellinger wird Partner. Aufstieg ade, doch keine Villa kaufen, die Knochenarbeiter sind sauer. Aber ihren Flow kann das nicht aufhalten. Sie sind so sehr im Beraterdrill, dass sie einfach weitermachen, der Frust über den Nichtaufstieg steigert nur den Druck. Bianca bekommt ein 30-Sekunden-Briefing über das Projekt, und schon kann sie in der nächsten Präsentation beim Kunden dieselben eindrucksvoll tönenden Sprechblasen bringen wie ihre beiden Kollegen.

'Wir sind alle eine Familie' – oder doch nicht?

Sie soll Niederländer und Öllers im Auftrag der Zentrale be­­obachten, Beurteilungen schreiben. Das bringt Spannung und Zwietracht ins Team. Das kurz zuvor noch gepriesene 'Wir sind alle eine Familie' ist nicht mehr, ab jetzt zeigt sich das wahre Antlitz der Firmenkultur: Sobald es etwas zu verlieren gibt, ist jeder sich selbst der nächste. Öllers lässt sich gegen seinen Kollegen ausspielen, die Männer kämpfen nicht nur verbal gegeneinander, die ganzen archaischen Riten brechen auf: Zweikampf, Verbrüderung im Suff, Sex gegen Geld. Die Welt des Dreiergespanns gerät immer mehr aus den Fugen. Der Firmenchef wird abgezogen, ein neuer, noch hinterhältigerer tritt an. Er macht mit 'The Company' das, was die Consultants sonst nur ihren Kunden empfehlen – und mit einem Mal dringt die harte Realität doch in das Goldkarten-Firstclass-Leben der drei Berater ein. Alle Hoffnungen werden zerstört, ein mehrfaches Schreckens-Szenario baut sich auf. Was genau passiert, sei hier nicht vorweggenommen.

Regisseur Johannes Naber und Autor Stefan Weigl haben Großes im Kleinen vollbracht. Der Film ist ein Kammerspiel, die 97 Minuten spielen in einem Hotelzimmer und einem Konferenzraum. Aber das Geschehen ist so dicht, dass der Zuschauer diese Reduktion schon in Minute zwei nicht mehr wahrnimmt. Die Charaktere sind so nah, als gäbe es die Leinwand nicht. In Castings und mitunter satirisch übersteuerten Dialogen wurde erstklassiges Handwerk abgeliefert: Die Macher des Films beherrschen den Stoff, sie haben sich mit reichlich Insiderwissen aus dem Consulting-Geschäft ihrer Materie genähert.

Mischung aus Geld, Erfolgsdruck und 24/7-Arbeitsbereitschaft

Klar, nicht in jeder Consulting-Firma geht es so hart zu wie in 'The Company', nicht jeder Berateralltag ist so machohaft und testosterongetrieben wie der von Öllers und Niederländer. Der Film arbeitet mit dem zulässigen Mittel der Überhöhung, und nur so kann 'Zeit der Kannibalen' die Funktionsweise des Systems Consulting offenlegen: In den glo­balen Beraterfirmen haben die Alphatypen ihr Zuhause. Entweder werden sie schon als solche rekrutiert – oder die Mischung aus viel Geld, Erfolgsdruck und 24/7-Arbeitsbereitschaft macht sie dazu. Unbedingter Einsatzwille und Fokussierung auf einen engen Ausschnitt der Wirklichkeit sind die prägenden Kulturelemente. Nur der Wettbewerb zählt, wer daraus als Sieger hervorgeht, steht auf der Sonnenseite. Nebenschauplätze wie Ehepartner oder Interessen außerhalb des Berufs werden nicht zugelassen.

Dass Unternehmensberater Firmen retten und Geschäfte verbessern, steht außer Zweifel. Die Leistung des Films besteht darin, dass die dunklen Seiten der Glamourbranche und die emotionalen Kosten ihrer Arbeitsweise offengelegt werden. Da steht 'Zeit der Kannibalen' in einer Reihe mit ähnlichen Beiträgen aus den vergangenen Jahren: 2011 gab der Film 'Unter Druck' aus der Tatort-Reihe einen Einblick in ein beratergetriebenes Sanierungsprojekt, Claudia Michelsen schlüpfte in die Rolle einer Chefberaterin, der keine Härte zu hart ist. 2009 kam 'Up in the Air' auf den Markt. Hier spielte George Clooney einen von Projekt zu Projekt jettenden, scheinbar emotionslosen Outplacement-Berater.

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